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Wie die EU-Kommission private Unternehmen zur Einhaltung des 1,5°-Ziels des Pariser Übereinkommens in die Pflicht nehmen will

04.03.2022

Der Entwurf der Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen vom 23.02.2022 („RL-Entwurf“) legt einigen Unternehmen die Pflicht auf, in ihrer Geschäftsstrategie das 1,5°-Ziel des Übereinkommens von Paris zu beachten. Wir haben untersucht, welche Unternehmen von dieser Regelung betroffen sind, welche konkreten Maßnahmen von diesen Unternehmen getroffen werden müssen und welche Folgen eine Nichtbeachtung dieser Pflicht hat.

Grundgedanke und Adressaten von Art. 15 RL-Entwurf

Der RL-Entwurf sieht in Art. 15 vor, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem Netto-Jahresumsatz von mehr als 150 Mio. EUR einen Plan verabschieden sollen, um sicherzustellen, dass ihr Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris vereinbar sind.

Diese Pflicht soll sowohl für EU- als auch Nicht-EU-Unternehmen gelten, die die genannten Schwellenwerte überschreiten.

Der Unternehmensplan hat auf Grundlage von Informationen, die dem Unternehmen nach vernünftigem Ermessen zur Verfügung stehen, insbesondere zu ermitteln, inwieweit der Klimawandel ein Risiko für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens darstellt oder eine Auswirkung dieser Geschäftstätigkeit ist.

Nach Erwägungsgrund 8 des RL-Entwurfs dient diese Sorgfaltspflicht auch der Umsetzung der Pflichten aus dem Übereinkommen von Paris, die die EU und ihre Mitgliedstaaten als Unterzeichner treffen. Zwar adressiert das Übereinkommen von Paris nur die Unterzeichnerstaaten; die Kommission hebt jedoch hervor, dass auch dem privaten Sektor eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Klimaziele zukommt.

Konkrete Maßnahmen im RL-Entwurf

Art. 15 Abs. 2 RL-Entwurf sowie Erwägungsgrund 50 nennen als eine mögliche konkrete Maßnahme, die in den Unternehmensplan aufgenommen werden soll, Emissionsminderungsziele. Nach Art. 15 Abs. 2 RL-Entwurf sind Emissionsminderungen dann im Unternehmensplan vorzusehen, wenn der Klimawandel als Hauptrisiko („principal risk“) auf oder als Hauptauswirkung („principal impact“) der Geschäftstätigkeit des Unternehmens identifiziert wurde oder hätte identifiziert werden müssen.

Daneben werden in Erwägungsgrund 8 auch die Investitionsstrategien der Unternehmen als maßgeblich für die Umsetzung der Klimaziele genannt. Konkrete Vorgaben, wie diese Investitionsstrategien auszugestalten sind, enthält der RL-Entwurf jedoch nicht.

Weitere konkrete Maßnahmen werden weder in Art. 15 noch in den Erwägungsgründen genannt. Die weitere Ausgestaltung des Unternehmensplanes dürfte daher insoweit im Ermessen des Unternehmens liegen, sofern die Kommission nicht weitere Leitlinien und Empfehlungen zu diesem Thema veröffentlicht.

Verantwortlichkeit der Unternehmensleitung

Die Unternehmensleitung soll nach Art. 25 des RL-Entwurfs bei der Wahrnehmung ihrer Pflicht, im besten Interesse des Unternehmens zu handeln, die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit, wie etwa den Klimawandel, auch kurz-, mittel- und langfristig zu berücksichtigen. Entsprechende Verstöße gegen diese Sorgfaltspflicht sollen nach nationalem Recht wie andere Pflichtverstöße der Unternehmensleitung sanktionierbar sein.

Zudem sieht Art. 15 Abs. 3 RL-Entwurf vor, dass die Unternehmensleitung durch die Ausgestaltung der variablen Vergütung einen Anreiz erhalten sollen, die in Art. 15 genannten Pflichten zu berücksichtigen bzw. dass die Höhe der variablen Vergütung von der Erfüllung dieser Pflichten abhängig gemacht werden soll.

Mit dieser Regelung möchte die Kommission die Unternehmensleitung sowohl verpflichten als auch Anreize setzten, nicht nur kurzfristige Gewinne für Shareholder bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen, sondern auch langfristige Nachhaltigkeitsüberlegungen anzustellen. Die Kommission hatte zur Untersuchung des Problems kurzfristigen Gewinnstrebens bereits im Jahr 2020 eine Studie zur nachhaltigen Unternehmensführung in Auftrag gegeben, (European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers, Study on directors’ duties and sustainable corporate governance : final report, Publications Office, 2020) die die Ausgestaltung der Richtlinie an diesem Punkt beeinflusst haben dürfte. Die Autoren der Studie kamen zu dem Ergebnis, dass die Ziele des Übereinkommens von Paris nach dem status quo der Unternehmenspraktiken nicht erreicht würden und den Erlass bindender gesetzlicher Vorgaben empfohlen.

Folgen der Nichtbeachtung der Klimaziele

Weder in den Regelungen zu Sanktionen in Art. 20 RL-Entwurf noch in den Vorschriften zur zivilrechtlichen Haftung in Art. 22 RL-Entwurf wird die Pflicht aus Art. 15 gesondert erwähnt. Die Mitgliedstaaten dürften daher einen gewissen Ermessensspielraum haben, in welchem Umfang sie Verstöße gegen die Pflicht zur Beachtung der Klimaziele mit Bußgeldern sanktionieren.

Art. 22 RL-Entwurf sieht eine zivilrechtliche Haftung nur vor, wenn das Unternehmen gegen seine Pflichten aus Art. 7 und 8 RL-Entwurf verstoßen hat und dieser Verstoß dazu führt, dass eine nachteilige Auswirkung, die durch die Einhaltung der Sorgfaltspflichten hätte erkannt, verhindert oder minimiert werden sollen, eingetreten ist und zu einem Schaden geführt hat („occurred and led to damage“).

Die Sorgfaltspflichten aus Art. 7 und 8 beziehen sich auf diejenigen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken („adverse human rights impacts and adverse environmental impacts“) im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens oder seiner Geschäftspartner, die nach Art. 6 RL-Entwurf durch die Risikoanalyse ermittelt werden sollen. Art. 3 lit b. RL-Entwurf definiert diese umweltbezogenen Risiken („adverse environmental impact“) als nachteilige Auswirkung auf die Umwelt, die sich aus einer Verletzung eines Verbots oder einer Pflicht ergibt, die in einem in Annex Teil II genannten Internationalen Umweltübereinkommen festgelegt ist. In diesem Annex findet sich das Übereinkommen von Paris nicht.

Daher führt ein Verstoß gegen die Pflichten aus Art. 15 RL-Entwurf nicht zu einer zivilrechtlichen Haftung, selbst wenn ein entsprechender auf dem Verstoß beruhender Schaden nachweisbar sein sollte. Eine Schadensersatzklage wegen Verstoßes gegen Klimaziele, wie sie etwa in den Niederlanden gegen Shell geführt wurde, ist daher nach dem Wortlaut des bisherigen RL-Entwurfs nicht möglich.

Zusammenfassung

Bisher enthält der Entwurf der Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen nur wenige konkrete Maßnahmen, die Unternehmen zur Umsetzung des 1,5°-Zieles beachten müssen. Nach Art. 15 RL-Entwurf sind Emissionsminderungen dann vorzusehen, wenn der Klimawandel als Hauptrisiko auf oder als Hauptauswirkung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens identifiziert wurde. Die konkrete Ausgestaltung des Unternehmensplanes liegt daher weitgehend im Ermessen des Unternehmens.

Ein Verstoß gegen Art. 15 RL-Entwurf dürfte nach Umsetzung der Richtlinie durch die Mitgliedsstaaten bußgeldbewährt sein. Ein Verstoß gegen Art. 15 begründet jedoch keine zivilrechtliche Haftung nach Art. 22 RL-Entwurf.

 

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