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Wie viel Schutz für „Aceto Balsamico di Modena“?

20.08.2019

In seinen Schlussanträgen vom 29. Juli 2019 in der vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängigen Rechtssache C-432/18 hat sich EuGH-Generalanwalt (EuGH-GA) Gerard William Hogan der Frage gewidmet, wie weit der Schutz der geschützten geografischen Angabe (g.g.A.) „Aceto Balsamico di Modena“ geht. Sein Ergebnis: Der Schutz der Gesamtbezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ erstreckt sich nicht auf die Begriffe „Aceto“, „Balsamico“ und „Aceto Balsamico“.

„Aceto Balsamico di Modena“ wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 583/2009 der Kommission vom 3. Juli 2009 zur Eintragung einer Bezeichnung in das Verzeichnis der geschützten Ursprungsbezeichnungen (g.U.) und der geschützten geografischen Angaben (Aceto Balsamico di Modena (g.g.A.)) eingetragen. Diese Verordnung wurde auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel erlassen, welche durch Artikel 58(1) der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 aufgehoben wurde.

Artikel 3 Nr. 6 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 bestimmt, dass „Gattungsbezeichnungen“ „die Produktnamen [sind], die, obwohl sie auf den Ort, die Region oder das Land verweisen, in dem das Erzeugnis ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, zu einer allgemeinen Bezeichnung für ein Erzeugnis in der Union geworden sind“. Nach Artikel 5(2) der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 „bezeichnet der Ausdruck „geografische Angabe“ einen Namen, der zur Bezeichnung eines Erzeugnisses verwendet wird, a) dessen Ursprung in einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Gegend oder in einem bestimmten Land liegt, b) dessen Qualität, Ansehen oder eine andere Eigenschaft wesentlich auf diesen geografischen Ursprung zurückzuführen ist und, c) bei dem wenigstens einer der Produktionsschritte in dem abgegrenzten geografischen Gebiet erfolgt.“ Anders als geschützten Ursprungsbezeichnungen oder geografischen Angaben kommt Gattungsbezeichnungen kein Schutz u.a. gegen die kommerzielle Verwendung eines eingetragenen Namens für nicht unter die Eintragung fallende Erzeugnisse (wenn diese Erzeugnisse mit den unter diesem Namen eingetragenen Erzeugnissen vergleichbar sind oder wenn durch diese Verwendung das Ansehen des geschützten Namens ausgenutzt wird) oder gegen jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung zu (siehe Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012).

Der Rechtsstreit beruht auf einem Konflikt zwischen der BALEMA GmbH („BALEMA“) und der Consorzio Tutela Aceto Balsamico di Modena („Consorzio“). BALEMA stellt auf Essig basierende Produkte her und vermarktet sie im Gebiet Baden (Deutschland). Sie vertreibt Produkte, deren Etikette u.a. die Bezeichnung „Balsamico“ und „Deutscher Balsamico“ tragen (wie beispielsweise „Theo der Essigbrauer, Holzfassreifung, Deutscher Balsamico traditionell, naturtrüb aus badischen Weinen“ oder „1. Deutsches Essig-Brauhaus, Premium, 1868, Balsamico, Rezeptur No. 3“). Unstreitig ist, dass diese Produkte nicht die Produktspezifikationen der Verordnung Nr. 583/2009 erfüllen. Consorzio, ein Konsortium von Erzeugern von mit der Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ versehenen Erzeugnissen, ist der Auffassung, dass die Verwendung der Bezeichnung „Balsamico“ durch BALEMA gegen die g.g.A. „Aceto Balsamico di Modena“ verstößt.

Nachdem Consorzio BALEMA abgemahnt hatte, erhob BALEMA vor den deutschen Gerichten eine Klage auf Feststellung, dass keine Markenrechtsverletzung begangen worden sei, welche keinen Erfolg hatte. Der Berufung wurde stattgegeben. Dem Gericht zufolge läge keine Verletzung von Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 vor, da der Schutz für „Aceto Balsamico di Modena“ nur der Gesamtbezeichnung zukomme, nicht aber den nicht geografischen Bestandteilen des Begriffs, selbst wenn diese zusammen verwendet würden. Nachdem Revision eingelegt wurde, hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Erstreckt sich der Schutz der Gesamtbezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ auf die Verwendung der einzelnen nicht geografischen Begriffe der zusammengesetzten Bezeichnung („Aceto“, „Balsamico“, „Aceto Balsamico“)?

Zunächst stellt der EuGH-GA fest, dass Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 1151/2012 einen sehr breiten Schutzumfang für g.U. sowie g.g.A. gewährt. In dem Fall allerdings, in dem eine g.U./g.g.A. einen generischen Bestandteil enthält, wird die Verwendung dieses Bestandteils von dem Schutz ausgenommen. So zum Beispiel darf das Wort „Prosciutto“ bzw. „Schinken“ von anderen Produzenten und Lieferanten verwendet werden, obwohl „Prosciutto di Parma“ als g.U. eingetragen ist.

Insofern muss vor der Prüfung eines eventuellen Verstoßes ermittelt werden, ob die g.g.A. „Aceto Balsamico di Modena“ generische – und somit ungeschützte – Bestandteile beinhaltet. Hierzu geht der EuGH-GA auf die Definition „Gattungsbezeichnung“ ein (seiner Meinung nach sehr präzise und mit einem begrenzten Umfang). Ein Begriff wird dem EuGH zufolge dann zu einer Gattungsbezeichnung, wenn der unmittelbare Zusammenhang zwischen dem geografischen Ursprung des Erzeugnisses einerseits und einer bestimmten Qualität, dem Ansehen oder einer anderen Eigenschaft des Erzeugnisses, die sich aus diesem geografischen Ursprung ergibt, andererseits verschwunden ist, und die Bezeichnung nur noch eine bestimmte Art oder einen bestimmten Typ von Erzeugnissen beschreibt (siehe Urteil in der Rechtssache C‑343/07 [Bavaria und Bavaria Italia]). Nach Ansicht des EuGH-GA ist nicht zwangsläufig entscheidend, ob ein Begriff in einer bestimmten Sprache eine bestimmte Bedeutung hat, sondern ob ihm ein aktueller geografischer Bezug fehlt. So wird das Wort „feta“ (trotz der Bedeutung im Italienischen als „Scheibe“) von der großen Mehrheit der europäischen Verbraucher mit dem in Griechenland hergestellten Käse in Verbindung gebracht und ist angesichts des aktuellen geografischen Bezugs keine Gattungsbezeichnung.

Was den vorliegenden Fall anbelangt, handele es sich bei „Aceto“ offensichtlich um ein allgemeines italienisches Wort, und auch die englischen Stammwörter „balsam“ und „balm“ seien zu allgemein und fest etabliert, um einzeln als g.g.A. geschützt zu werden. Auch hätten diese Wörter keinen aktuellen geografischen Bezug, so dass sie auf dieser Grundlage „Gattungsbezeichnungen“ darstellten. Da es jedoch darauf ankomme, wie diese Wörter vom „normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“ wahrgenommen würden, müsse darüber das nationale Gericht (und nicht der EuGH) entscheiden.

Dennoch ist der EuGH-GA der Auffassung, der EuGH könne in dieser Angelegenheit eine endgültige Entscheidung erlassen, wenn sie aus dem etwas anderen Blickwinkel einer Analyse der Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 583/2009 betrachtet wird. Insofern verweist der EuGH-GA auf die Erwägungsgründe 2, 3, 5 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 583/2009, wonach Deutschland, Griechenland und Frankreich Einspruch gegen die Eintragung der Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ erhoben haben, da sie (insbesondere Deutschland und Griechenland) u. a. die Begriffe „Aceto balsamico“ für Gattungsbezeichnungen hielten. Ferner wird im zehnten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 583/2009 u. a. Folgendes ausgeführt: „Geschützt wurde … die zusammengesetzte Bezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“. Die einzelnen nicht geografischen Begriffe der zusammengesetzten Bezeichnung, auch wenn diese zusammen verwendet werden, sowie ihre Übersetzung, können unter Einhaltung der Grundsätze und Vorschriften des Gemeinschaftsrechts im gesamten Gebiet der Gemeinschaft verwendet werden.“

Folglich werde insbesondere aus dem zehnten Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 583/2009 klar, dass der europäische Gesetzgeber die Begriffe „Aceto“, „Aceto Balsamico“ und „Balsamico“ als Gattungsbezeichnungen oder als ungeschützte nicht geografische Begriffe ansah, die weiterhin verwendet werden können, sofern die Grundsätze und Vorschriften des Unionsrechts eingehalten werden. Auch die Eintragung der Bezeichnungen „Aceto balsamico tradizionale di Modena (g.U.)“ sowie „Aceto balsamico tradizionale di Reggio Emilia (g.U.)“ gemäß der Verordnung (EG) Nr. 813/2000 sprechen nach Ansicht des EuGH-GA dafür, dass nur die Gesamtbezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ geschützt ist und die Begriffe „Aceto“, „balsamico“ und „Aceto balsamico“ bloß allgemeine Wörter sind. Im Ergebnis schlägt der EuGH-GA dem EuGH vor, die Vorlagefrage des BGH wie folgt zu beantworten: Der Schutz der Gesamtbezeichnung „Aceto Balsamico di Modena“ gemäß der Verordnung (EG) Nr. 583/2009 erstreckt sich nicht auf die Verwendung der einzelnen allgemeinen Wörter oder nicht geografischen Begriffe „Aceto“, „Balsamico“ und „Aceto Balsamico“.

Auch wenn der Ansatz des EuGH-GA rein rechtlich vertretbar erscheint, so lässt sich durchaus darüber streiten, ob diese drei Begriffe (quasi implizit) nicht doch einen geografischen Bezug (auf Modena) aufweisen, und die vorgeschlagene Herangehensweise den Schutz der g.g.A. „Aceto Balsamico di Modena“ damit übermäßig beschränkt.

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