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Aus für Leih­arbeit und Werk­verträge in der Fleisch­wirtschaft ab 2021 - Beschluss des Bundes­kabinetts als Pilot für andere Bereiche?

26.05.2020

„Wir kümmern uns jetzt um die Fleischindustrie. Aber das Ziel ist klar: Ich will, dass der Missbrauch von Leih- und Werkverträgen in allen Bereichen der Wirtschaft verboten wird“, sagte Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“ (Samstagsausgaben).

I. Hintergrund

In der fleischverarbeitenden Branche kam es am Mittwoch, den 20. Mai 2020, zu einem großen Aufruhr. Das Bundeskabinett beschloss die Eckpunkte eines „Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft“. 

Im Vordergrund steht folgende geplante Neuregelung: Ab dem 01. Januar 2021 sollen per Gesetz die Arbeitnehmerrechte in der Fleischwirtschaft gesichert werden, indem das Schlachten und die Verarbeitung von Fleisch nur noch durch Arbeitnehmer des eigenen Betriebes zulässig ist. In der Praxis bedeutet dies, dass der Einsatz von Fremdpersonal mittels Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr möglich sein soll. 

Des Weiteren beschloss die Bundesregierung die Ausweitung der Arbeitsschutz-Kontrollen durch den Zoll und die Länder sowie eine Pflicht zur digitalen Arbeitszeiterfassung gepaart mit höheren Bußgeldern (bis zu EUR 30.000 bei Verstößen). 

Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie gab es schon lange bezüglich des vielfachen Einsatzes von Werkarbeitskräften oder Leiharbeitnehmern aus Osteuropa, den Unterbringungen in engen Sammelunterkünften sowie den Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz. Durch das Bekanntwerden einer Häufung von Corona-Infektionen in Schlacht- und fleischverarbeitenden Betrieben geriet dieses Thema nun wieder in den Blickpunt einer breiten Öffentlichkeit. 

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD) bezeichnete die Missstände als unwürdig und gefährlich und erklärte, diese schnell und gründlich beheben zu wollen. Mit dem „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ soll dieser Schritt unternommen werden. Welche Branche als nächstes auf der „Agenda“ steht, kann man nur vermuten. 

II. Ausweitung auf andere Branchen zu befürchten?

Die Fleischwirtschaft hat schon seit jeher einen negativen Stempel bezüglich des Einsatzes von Fremdpersonal, aber auch andere Branchen sind nicht vor einem solchen Verbot gefeit. Je nach Verlauf des „Projektes“ zum Verbot des Einsatzes von Werkunternehmern oder Leiharbeitnehmern könnte dies auch auf andere Branchen ausgeweitet werden. 

Dies wird bereits im Bereich der Pflege diskutiert. Im Februar 2020 hat der Berliner Senat beschlossen, einen Entschließungsantrag zur Eindämmung der Leiharbeit in der Pflege im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen in den Bundesrat einzubringen. Der Bundesgesetzgeber soll aufgefordert werden, zeitnah entsprechende Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz („AÜG“) zu initiieren, durch die die Leiharbeit in der Pflege im Krankenhausbereich und in Pflegeeinrichtungen weitgehend eingeschränkt wird. Dabei liegt es nahe, dass die Fleischwirtschaft lediglich als „Pilot“ gedacht ist und ein solches Verbot zum Beispiel auch andere gelistete Branchen im Arbeitnehmerentsendegesetzes wie das Sicherheitsgewerbe oder das Reinigungsgewerbe trifft. Wie das Eingangszitat zeigt, gibt es aber noch darüber hinausgehende Überlegungen. 

III. Ausblick 

Selbst wenn der rasche Vorstoß der Bundesregierung für gut befunden wird, dürfen die weitreichenden Folgen für die Praxis und auch die aktuelle Rechtslage nicht unbeachtet bleiben. Die Verabschiedung des geplanten Gesetzes wird zum einen wohl zur Abwanderung großer Teile der Branche ins Ausland führen. Es ist und bleibt schwierig, für diese Art der Tätigkeit und die Höhe des Lohnes Arbeitskräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Schon jetzt stammt ein großer Teil der Belegschaft in dieser Branche aus den osteuropäischen Staaten. Zum anderen werden die Zeitarbeitsagenturen, die sich auf den Verleih von Arbeitskräften in der fleischverarbeitenden Branche fokussiert haben, die wirtschaftlichen Auswirkungen zu spüren bekommen. 

Außerdem ist nicht außer Acht zu lassen, dass mit dem AÜG und den dort niedergelegten Schutzvorschriften zugunsten der Leiharbeitnehmer die Überlassung streng reguliert ist und Verstöße bereits heute scharf sanktioniert werden. Insbesondere werden die Leiharbeitnehmer durch den Gleichstellungsgrundsatz vor einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu Stammarbeitnehmern geschützt. Auch Scheinwerkverträgen wurde durch die mit der Reform des AÜG im Jahre 2017 eingeführten Offenlegungspflichten effektiv der Riegel vorgeschoben. 

Schließlich muss hör- und wahrnehmbar die Frage gestellt werden, ob ein derart weitgehendes Verbot nicht in verfassungswidriger Weise in die unternehmerische Freiheit aus Art. 12 GG oder gar Art. 21 AEUV eingreift. Durch das umfassende Verbot werden die Unternehmen ihrer Gestaltungsspielräume gänzlich beraubt. Die grundrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit umfasst nicht weniger als die Freiheit des Unternehmers, selbst zu entscheiden, ob er eine bestimmte Leistung durch eigene Arbeitskräfte erfüllen will oder sich hierfür Dritter bedient, sei es durch Werkverträge oder den Einsatz von Leiharbeitnehmern. 

Arbeitsrecht

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