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Berliner "Mietendeckel" in Kraft getreten

05.04.2020

Hintergrund

Am 30.01.2020 hat das Berliner Abgeordnetenhaus das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin“ („MietenWoG Bln“) verabschiedet. Das Gesetz baut auf einem Gesetzesentwurf des Senats von Berlin auf (wir berichteten), der allerdings im Anschluss an eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Wohnen vom 22.01.2020 noch erheblich abgeändert wurde. Vor allem haben die Änderungen zur Folge, dass Vermieterinnen und Vermieter nunmehr bußgeldbewehrt dazu aufgefordert sind, proaktiv „überhöhte“ Mieten anzupassen.

Das Gesetz ist gestern im Anschluss an die Verkündung im Gesetzes- und Verordnungsblatt (Gesetzes- und Verordnungsblatt für Berlin 2020, S. 50 ff.)in Kraft getreten. Lediglich § 4 MietenWoG Bln, der ein Verbot zur Überschreitung von gesetzlich festgelegten Mietobergrenzen im Fall der erstmaligen Vermietung und Wiedervermietung nach Inkrafttreten des Gesetzes enthält, wird erst am 23. November 2020 in Kraft treten.

Berlin ist das erste Bundesland, das einen „Mietendeckel“ beschlossen hat, um ein weiteres Ansteigen von Mieten zu verhindern. Die Fraktionen der Union und der FDP sowohl im Bundestag als auch im Berliner Abgeordnetenhaus haben angekündigt, die Verfassungskonformität im Rahmen eines abstrakten Normenkontrollverfahrens vor dem Berliner Landesverfassungsgericht bzw. vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Der Ausgang dieser Verfahren dürfte mit entscheidend dafür sein, ob andere Bundesländer in Deutschland dem Vorbild Berlins folgen und ebenfalls „Mietendeckel“ beschließen.

Struktur des MietenWoG Bln

Die Grundstruktur des MietenWoG Bln stellt sich wie folgt dar:

  • Für laufende Mietverträge gilt der „Mietenstopp“ nach § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln, demzufolge es verboten ist, eine Miete zu fordern, die die am 18. Juni 2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet. Bei Erst- und Wiedervermietungen, die nach dem Stichtag und vor dem Inkrafttreten des Gesetzes erfolgt sind und noch andauern, gilt der Mietenstopp für die vereinbarte Miete.
  • Bei Erst- und Wiedervermietungen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes darf die Miete die gesetzlichen Mietobergrenzen nach §§ 6, 7 MietenWoG Bln nicht übersteigen.
  • Die Mietobergrenzen liegen zwischen EUR 3,92 und EUR 9,80 pro Quadratmeter in Abhängigkeit vom Alter des Gebäudes sowie davon, ob die Wohnung mit oder ohne Sammelheizung und/oder Bad ausgestattet ist. Die Mietobergrenze erhöht sich um EUR 1,00 pro Quadratmeter, wenn der Wohnraum eine moderne Ausstattung hat. Eine moderne Ausstattung im Sinne des Gesetzes liegt vor, wenn mindestens drei der fünf im Gesetz genannten Merkmale erfüllt sind (schwellenlos erreichbarer Personenaufzug, Einbauküche, hochwertige Sanitärausstattung, hochwertiger Bodenbelag in der überwiegenden Zahl der Wohnräume, Energieverbrauchskennwert von weniger als 120 kWh/(m2a)).
  • Eine Pflicht zur Senkung auf das Niveau von 120 % der gesetzlichen Mietobergrenzen nach §§ 6, 7 MietenWoG Bln besteht, wenn die Mietobergrenzen um mehr als 20 % überschritten werden (§ 5 MietenWoG Bln). Allerdings tritt diese Vorschrift erst am 23. November 2020 in Kraft.

Wesentliche Änderungen im Vergleich zum Gesetzesentwurf

Die wesentlichen Änderungen des beschlossenen Gesetzes im Vergleich zum Gesetzesentwurfes sind:

  • § 5 MietenWoG Bln. enthält nunmehr ein explizites gesetzliches Verbot: „Eine überhöhte Miete im Sinne dieses Gesetzes ist verboten.“ Zugleich wird die für das Wohnungswesen zuständige Senatsverwaltung ermächtigt, von Amts wegen alle Maßnahmen zu treffen, die zur Durchsetzung des Verbots erforderlich sind. Die Einhaltung des Verbots obliegt den Vermieterinnen und Vermietern. Ist eine Miete nach Inkrafttreten des MietenWoG Bln überhöht, trifft sie die Pflicht, proaktiv die Mieten zu senken. Ein Antrag der Mieterinnen und Mieter als „Zwischenschritt“ ist nicht mehr erforderlich.
  • Senken die Vermieterinnen und Vermieter die „überhöhten“ Mieten nicht, drohen empfindliche Bußgelder bis zu EUR 500.000. Dabei wurde der Bußgeldtatbestand im Vergleich zum Gesetzesentwurf entscheidend verschärft: Nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 MietenWoG Bln handelt nicht nur derjenige ordnungswidrig, der eine höhere als die gesetzlich zulässige Miete „fordert“, sondern auch derjenige, der sie lediglich „entgegennimmt“. Vermieterinnen und Vermieter müssen also die Annahme von „überhöhten“ Mieten aktiv verweigern.
  • Der in § 3 MietenWoG Bln enthaltene „Mietenstopp“ wurde modifiziert. Noch immer ist nach § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln eine Miete verboten, die die am 18.06.2019 (Stichtag) wirksam vereinbarte Miete überschreitet. Wurde allerdings Wohnraum, der zum Stichtag nach § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln (18.06.2019) noch nie als Wohnraum vermietet war, zwischen dem Stichtag und dem Tag des Inkrafttreten des Gesetzes erstmalig vermietet, so ist die wirksam vereinbarte Miete für das Verbot nach § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln maßgeblich. Gleiches gilt für den Fall, dass Wohnraum zwischen dem Stichtag und dem Tag des Inkrafttreten des Gesetzes wiedervermietet wird und das Mietverhältnis zum Zeitpunkt des Inkrafttreten des Gesetzes fortbesteht. Der „Bestandsschutz“, den § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln gewährt, wird also auf Mietverträge erweitert, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurden und werden. Im Fall der Wiedervermietung nach Inkrafttreten des Gesetzes gelten die in den §§ 6 und 7 MietenWoG Bln enthaltenen Mietobergrenzen (vgl. § 4 MietenWoG Bln).
  • Neu aufgenommen wurde zudem eine Regelung, der zufolge die Erhöhung der Miete nach § 3 Abs. 1 und 2 MietenWoG Bln nach Ablauf von zwei Jahren ab dem Inkrafttreten des Gesetzes um einen Prozentsatz, der der festgestellten Inflation entspricht (höchstens jedoch 1,3 %), nicht möglich ist, wenn dadurch die gesetzlichen Mietobergrenzen nach § 6 MietenWoG Bln überschritten werden.
  • Konkretisiert worden ist die „Härtefallklausel“ in § 8 MietenWoG Bln: „Überhöhte“ Mieten können zur Vermeidung einer unbilligen Härte auf Antrag von der Investitionsbank Berlin genehmigt werden, soweit dies aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der Vermieterinnen und Vermieter liegen, erforderlich ist. Im Verantwortungsbereich der Vermieterinnen und Vermieter können den Regelbeispielen nach liegen: Wertsteigerungserwartungen, Renditeerwartungen, Finanzierungskosten außerhalb des Marktüblichen, Ertragserwartungen, denen auch unabhängig von diesem Gesetz überhöhte Mieten zugrunde liegen, und Verluste, die durch die Aufteilung in Wirtschaftseinheiten entstehen. Umgekehrt liegt eine unbillige Härte nach § 8 Abs. 2 MietenWoG Bln insbesondere vor, wenn die Beibehaltung der nach den §§ 3 bis 6 MietenWoG Bln zulässigen Miete auf Dauer zu Verlusten für die Vermieterinnen und Vermieter oder zur Substanzgefährdung der maßgeblichen „Wirtschaftseinheit“ – gemeint ist eine einzelne Wohnung, wenn an dieser Wohnungseigentum besteht, oder ein Gebäude – führen würde.
  • Bemerkenswert ist, dass die zuständigen Behörden in § 2 Abs. 3 MietenWoG Bln nunmehr dazu ermächtigt werden, Mieterinnen und Mietern unabhängig von einem konkreten Verwaltungsverfahren Auskunft über die nach dem Gesetz zulässige Miethöhe zu erteilen. Unklar bleibt, ob diese Ermächtigung zur Rechtsberatung eine Prüfung und Auskunft über die zulässige Miethöhe in konkreten Einzelfällen umfasst. Es spricht allerdings einiges dafür, dass eine derartige Beratung möglich sein soll, denn mit „abstrakten“ Auskünften wird Mieterinnen und Mietern wenig geholfen sein. Demgegenüber sieht das Gesetz gerade nicht vor, dass die Behörden den Vermieterinnen und Vermietern derartige Auskünfte erteilen, obwohl die Vermieterinnen und Vermieter – insbesondere angesichts der drohenden bußgeldbewehrten Ordnungswidrigkeiten bei Überschreitung der zulässigen Miethöhe – ein besonders schutzwürdiges Interesse an einer solchen Auskunft hätten.

Rechtliche Einordnung

Das nunmehr beschlossene MietenWoG Bln enthält im Vergleich zum Gesetzesentwurf des Berliner Senats eine wesentliche Verschärfung zulasten der Vermieterinnen und Vermieter: Ein Antrag der Mieterinnen und Mieter zur Absenkung „überhöhter“ Mieten ist nicht mehr erforderlich. Das Gesetz zwingt die Vermieterinnen und Vermieter dazu, von sich aus die Gesetzeslage zu prüfen und gegebenenfalls die Mieten zu senken. Dieser Pflicht wird durch eine Bußgeldandrohung flankiert: Den Bußgeldtatbestand erfüllt schon, wer eine „überhöhte“ Miete nur entgegennimmt. Damit wurde der im Gesetzesentwurf noch unklare und daher rechtsstaatlich bedenkliche Bußgeldtatbestand (wir berichteten) zulasten der Vermieterinnen und Vermieter präzisiert.

Zugunsten der Vermieterinnen und Vermieter wurde im Vergleich zum Gesetzesentwurf des Berliner Senats der „Bestandsschutz“ für laufende Mietverträge auf Mietverträge ausgeweitet, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen werden. Dieser Regelung dürfte – gemessen an der Gesamtzahl der betroffenen Mietverhältnisse aber eine sehr untergeordnete praktische Bedeutung haben. Die Anpassung ist ersichtlich darauf ausgerichtet, das Vertrauen von Vermieterinnen und Vermietern, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes ihre Wohnungen erstmalig oder wieder vermieten, zu schützen. Dabei wurde allerdings übersehen, dass die Regelung eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten zur Folge hat: Während es Vermieterinnen und Vermietern im Fall von Bestandsmieten (also Mietverträgen, die vor dem Stichtag abgeschlossen wurden) unmöglich ist, nach dem Stichtag die Mieten zu erhöhen, z.B. bis zur ortüblichen Vergleichsmiete (§ 558 BGB), können sie im Fall von Erst- oder Wiedervermietungen zwischen dem Stichtag und dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln bis zur Grenze von 120 % der Obergrenzen nach §§ 6, 7 MietenWoG Bln „frei“ agieren. Vermieterinnen und Vermietern werden im Fall von Bestandsmieten also schlechter gestellt als im Fall der erstmaligen oder erneuten Vermietung zwischen dem Stichtag und dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln.

Zudem zeigt die Regelung, dass der Rückbezug des Mietenstopps auf den 18. Juni 2019 nicht haltbar ist, sondern ein Mietenstopp allenfalls ab dem Inkrafttreten des Gesetzes gelten könnte. Denn es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb für Bestandsmietverhältnisse der 18. Juni 2019 maßgeblich sein soll, für später erfolgte Wiedervermietungen dagegen ein späterer Zeitpunkt.

An den grundsätzlichen Bedenken an der Verfassungskonformität des MietenWoG Bln hat sich durch die im parlamentarischen Verfahren erfolgten Anpassungen nichts geändert: Dem Land Berlin fehlt die erforderliche Gesetzgebungskompetenz, da der Bundesgesetzgeber von seiner Regelungskompetenz für das Mietpreisrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch abschließend Gebrauch gemacht hat. Das MietenWoG Bln enthält mit dem Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbare Ungleichbehandlungen von wesentlich Gleichem, da das Gesetz allgemein anerkannte und im Mietspiegel berücksichtigte wertbildende Merkmale (insbesondere Lage des Wohnraums und Ausstattungsmerkmale) nur sehr unzureichend berücksichtigt. Die Einführung von Mietobergrenzen, die keinen (ausreichenden) Bezug zu aktuellen Marktpreisen, Instandhaltungskosten und der Inflation haben, sowie die Pflicht zur Absenkung von Mieten in bestehenden Mietverträgen stellen zudem einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Eigentumsgarantie und das schutzwürdige Vertrauen der Vertragsparteien in den Bestand der wirksam abgeschlossenen Mietverträge dar.

Diese Bedenken haben sich durch die letzten Änderungen des Gesetzesentwurfes sogar noch verschärft. Die Erweiterung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes auf das bloße „Entgegennehmen“ einer überhöhten Miete stellt Vermieterinnen und Vermietern in rechtsstaatlich bedenklicher Weise unter die Androhung der Begehung von Ordnungswidrigkeiten, obwohl es für Vermieterinnen und Vermieter unmöglich ist, die Mietobergrenze auf zuverlässige Weise zu bestimmen. Das Gesetz verwendet nur schwer bestimmbare Kriterien („hochwertige“ Ausstattung etc.), für deren Auslegung den Vermieterinnen und Vermietern keine handhabbaren Kriterien an die Hand gegeben werden.

Dem Ausgang der angekündigten Normenkontrollverfahren ist vor diesem Hintergrund mit Spannung entgegenzusehen.

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