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BMF schränkt Anwendungs­bereich des § 50d Abs. 3 EStG ein

10.04.2018

Das BMF hat den Anwendungsbereich der Anti-Missbrauchs-Regelung zur Abstandnahme vom Kapitalertragsteuerabzug in § 50d Abs. 3 EStG eingeschränkt. Der EuGH hatte bereits am 20.12.2017 mit seinem Urteil in den verbundenen Rechtsachen Deister Holding AG (C‑504/16) und Juhler Holding A/S (C‑613/16) entschieden, dass die bis 2011 geltende deutsche Regelung des § 50d Abs. 3 EStG 2007 einen unionsrechtswidrigen Verstoß sowohl gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie als auch gegen die Niederlassungsfreiheit darstellt (siehe Noerr-News vom 22.12.2017). Mit BMF-Schreiben vom 04.04.2018 reagiert die Finanzverwaltung nun auf dieses Urteil. Die Altregelung des § 50d Abs. 3 EStG 2007 soll in allen offenen Fällen, in denen der Gläubiger der Kapitalerträge im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie einen Entlastungsanspruch nach § 43b EStG hat, keine Anwendung finden. Darüber hinaus wird die seit 2012 geltende Fassung des 50d Abs. 3 EStG 2012 zumindest in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt.

EuGH bestätigt Unionsrechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG 2007

Die Ausschüttungen deutscher Kapitalgesellschaften an ihre ausländischen Muttergesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem anderen EU-Staat sind grundsätzlich durch die Mutter-Tochter-Richtlinie (umgesetzt durch § 43b EStG) vom Quellensteuerabzug befreit. Der Befreiung vom Quellensteuerabzug kann jedoch die Anti-Missbrauchs-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG entgegenstehen, wenn die darin geforderten Nachweise einer Entlastungsberechtigung nicht erfüllt werden. Insbesondere soll die Entlastungsberechtigung dann nicht vorliegen, soweit Personen an der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und weitere Voraussetzungen vorliegen. Dazu zählen unter anderem, wenn für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Für die Beurteilung sind ausschließlich die Verhältnisse der ausländischen Gesellschaft maßgebend. Organisatorische, wirtschaftliche oder sonst beachtliche Merkmale von nahe stehenden Unternehmen der ausländischen Gesellschaft bleiben außer Betracht.

In einem durch das FG Köln vorgebrachten Vorabentscheidungsverfahren hatte der EuGH am 20.12.2017 in den verbundenen Rechtsachen Deister Holding AG (C‑504/16) und Juhler Holding A/S (C‑613/16) entschieden, dass § 50d Abs. 3 EStG 2007 damit sowohl gegen die Niederlassungsfreiheit, als auch gegen die Mutter-Tochter-Richtlinie verstößt. Zwar dürfen die Mitgliedsstaaten Regelung zur Verhinderung rein künstlicher Gestaltungen, die lediglich der Erzielung eines Steuervorteil dienen, erlassen. Jedoch muss der Anwendungsbereich solcher Regelungen eng am Ziel der Missbrauchsvermeidung ausgerichtet sein. Insbesondere ist es nicht ausreichend, einen Missbrauch auf Basis allgemein formulierter Kriterien zu vermuten. Stattdessen macht die Annahme eines Missbrauchs eine umfassende Prüfung der betreffenden Situation erforderlich.

BMF schränkt Anwendungsbereich für Altfälle deutlich ein

Das BMF hat mit Schreiben vom 04.04.2018 auf das Urteil des EuGH reagiert. § 50d Abs. 3 EStG 2007 soll auf alle offenen Fällen, in denen der Gläubiger der Kapitalerträge einen Anspruch auf Entlastung nach § 43b EStG geltend macht, keine Anwendung mehr finden. Über noch offene Erstattungsanträge ist vom BZSt somit positiv zu entscheiden. Erstattungsanträge die sich nicht auf eine Entlastung nach § 43b EStG stützen (z.B. Quellensteuern bei Zins- oder Lizenzzahlungen gem. § 50g EStG) und denen die Entlastung nach § 50d Abs. 3 EStG 2007 versagt wird, sind jedoch nicht von der nun veröffentlichten Verwaltungsauffassung erfasst. Unter Berücksichtigung der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des EuGH sollte jedoch auch hier ein Verstoß gegen Unionsrecht vorliegen.

Auch Anwendung der aktuellen Fassung eingeschränkt

Auch für die aufgrund der frühzeitig erkannten Unionsrechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG 2007 geänderte und derzeit gültige Fassung des § 50d Abs. 3 EStG 2012 wurde der Anwendungsbereich durch das BMF eingeschränkt.

In Fällen, in denen der Gläubiger der Kapitalerträge einen Entlastungsanspruch nach § 43b EStG geltend macht, soll § 50d Abs. 3 Satz 2 EStG 2012 keine Anwendung finden. Das bedeutet, dass die Einschaltung einer ausländischen Muttergesellschaft auch dann nicht schädlich ist, wenn diese zwar die Anforderungen an die Widerlegung einer Missbräuchlichkeit nicht selbst erfüllen kann, sich die Missbrauchsvermutung aber durch die Einbeziehung der Merkmale anderer nahe stehender Personen entkräften lässt. Klarstellend soll jedoch auch weiterhin ein Missbrauch unterstellt werden, wenn wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe im Sinne des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG 2012 bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls fehlen und mit der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft im Wesentlichen nur ein steuerlicher Vorteil bezweckt wird.

Daneben wird auch die Verwaltungsauffassung des BMF-Schreiben vom 24.01.2012 angepasst. Insbesondere soll in den Fällen, in denen der Gläubiger der Kapitalerträge einen Anspruch auf Entlastung nach § 43b EStG geltend macht, eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr auch dann zu bejahen sein, wenn sie ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt. Dies soll auch im Fall einer passiven Beteiligungsverwaltung gelten, wenn die Gesellschaft ihre Rechte als Gesellschafterin tatsächlich ausübt. Zudem soll der für den Geschäftszweck der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erforderliche, angemessen eingerichtete Geschäftsbetrieb nicht zwingend voraussetzen, dass die Gesellschaft im Ansässigkeitsstaat für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt.

Unionsrechtkonformität von § 50d Abs. 3 EStG nicht abschließend geklärt

Die nun erfolgte Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 50d Abs. 3 EStG 2012 durch das BMF kann nur einen ersten Schritt zur Neuausrichtung der Norm darstellen, da ein unionsrechtskonformer Zustand nur durch eine gesetzgeberische Anpassung hergestellt werden kann. Ungeachtet dessen bestehen aber auch weiterhin erhebliche Zweifel an der Unionsrechtskonformität der Norm. Trotz der vorgenommenen Einschränkung basiert die Versagung der Quellensteuerentlastung auch weiterhin auf einer pauschalen Missbrauchsvermutung. Dies sollte der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des EuGH entgegen stehen. Eine Entscheidung hierüber wird der EuGH bereits in Kürze in einem weiteren Vorlageverfahren des FG Köln (Rechtssache GS, anhängig unter Az. C-440/17) treffen müssen. Zudem dürfte die enge Umsetzung der EuGH-Rechtsprechung ausschließlich für Ausschüttungen im Anwendungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie nicht ausreichend sein. Ablehnungsbescheide des BZSt gegen die Erstattung von Quellensteuern mit Verweis auf § 50d Abs. 3 EStG 2012 sollten deshalb bis zu einer Klärung durch den EuGH offengehalten werden.

Steuerrecht

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