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Die Frauenquote kommt!

19.12.2014

Am 11.12.2014 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (im Folgenden RegE) beschlossen. Mit diesem Gesetz kommen zwei neue Regelungen, die zahlreiche Unternehmen betreffen werden: Eine verbindliche Mindestquote für Frauen und Männer in Aufsichtsräten und eine Verpflichtung, Zielgrößen für den Frauenanteil in Aufsichtsräten, Geschäftsführungsorganen und Führungspositionen festzusetzen. Die Bundesfamilienministerin ist optimistisch, dass das Gesetz im Wesentlichen unverändert Anfang 2015 in Kraft treten kann. Wesentliche Teile der Regelungen werden voraussichtlich schon bald geltendes Recht sein.

Das Bundesfamilienministerium hat auf seiner Homepage den RegE (mit ausführlicher Begründung) sowie einige Unterlagen mit Erläuterungen veröffentlicht. Zu finden sind diese Dokumente hier.

Einige Fragen zu den Neuerungen, die das Gesetz für die Unternehmen bringt, möchten wir an dieser Stelle auf Grundlage des RegE beantworten. Thesenhaft zusammengefasst werden die geplanten Neuregelungen die folgenden Auswirkungen haben:

  • Für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen soll ab dem 01.01.2016 eine fixe Mindestquote für Frauen und Männer im Aufsichtsrat von 30% gelten
  • Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern entgegen der fixen Mindestquote soll zur Unwirksamkeit der Bestellung führen
  • Unternehmen, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, sollen verpflichtet werden, Zielgrößen für die Besetzung der oberen beiden Führungsebenen, des Geschäftsführungsorgans und des Aufsichtsrats sowie Fristen für das Erreichen dieser Zielgrößen festzulegen
  • Handlungsbedarf besteht für Unternehmen, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, hinsichtlich der Festlegung von Zielgrößen für die Frauenbeteiligung schon im ersten Halbjahr 2015; inhaltlich bestehen erhebliche Spielräume
  • Betroffene Gesellschaften sollen über die festgelegten Zielgrößen und deren Einhaltung im Lagebericht berichten; dies gilt erstmals für Geschäftsjahre mit einem Abschlussstichtag nach dem 31.12.2015

Zu den Fragen im Einzelnen:

Welche neuen Verpflichtungen sieht der Regierungsentwurf im Einzelnen vor?

Im Zentrum der politischen Diskussion stand die sog. Frauenquote für Aufsichtsräte. Nach dem RegE muss sich der Aufsichtsrat von Gesellschaften, die börsennotiert sind und der paritätischen Mitbestimmung (nach dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz, dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz oder nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung) unterliegen, zu mindestens 30% aus Frauen und zu 30% aus Männern zusammensetzen (sog. fixe Mindestquote). Die Mindestquote gilt sowohl für die Arbeitnehmer- als auch die Anteilseignerbank, muss aber vom Aufsichtsrat grundsätzlich insgesamt erfüllt werden (d.h. sie gilt über beide Bänke hinweg).

Weniger allgemeine Beachtung fand hingegen die neu geschaffene gesetzliche Verpflichtung, Zielgrößen für den Frauenanteil im Aufsichtsrat, im Geschäftsführungsorgan und in den beiden Führungsebenen unterhalb des Geschäftsführungsorgans sowie Fristen für deren Erreichen festzulegen. Diese erfasst nach Inkrafttreten des Gesetzes Unternehmen, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung (paritätisch oder nach dem Drittelbeteiligungsgesetz) unterliegen. Der generellen Kompetenzverteilung entsprechend ist diese Verpflichtung hinsichtlich der Führungsebenen unterhalb des Geschäftsführungsorgans vom Geschäftsführungsorgan und hinsichtlich des Geschäftsführungsorgans und des Aufsichtsrats vom Aufsichtsrat zu erfüllen.

Konkrete Vorgaben für die festzusetzenden Zielgrößen sieht der RegE nicht vor. Grundsätzlich sind die Organe gehalten, darüber in eigener Verantwortung zu entscheiden; wesentlicher Anhaltspunkt sollen die konkreten Unternehmensstrukturen sein. Dabei gibt es jedoch eine Vorgabe: Solange der Frauenanteil in einer Führungsebene bzw. im Geschäftsführungsorgan oder im Aufsichtsrat weniger als 30% ausmacht, dürfen die Zielgrößen nicht hinter dem Status quo zurückbleiben.

Für welche Unternehmen gelten die neuen Verpflichtungen?

Da die Frauenquote nur für Unternehmen gelten wird, die sowohl börsennotiert sind als auch der paritätischen Mitbestimmung unterliegen, betrifft sie nur Unternehmen in einer börsenfähigen Rechtsform, mithin:

  • Aktiengesellschaften,
  • Kommanditgesellschaften auf Aktien und
  • Europäische Aktiengesellschaften (SE).

Von der Frauenquote für Aufsichtsräte sind nach Einschätzung der zuständigen Ministerien etwa 108 Unternehmen betroffen.

Wesentlich weiter ist der Anwendungsbereich in Bezug auf die Zielgrößen für den Frauenanteil. Diese Verpflichtungen gelten für Gesellschaften, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt (paritätisch oder nach dem Drittelbeteiligungsgesetz) sind. Börsennotiert in diesem Sinne (gleiches gilt auch für den Geltungsbereich der fixen Frauenquote) sind nur Unternehmen, deren Aktien in einem regulierten Markt gehandelt werden. Unternehmen in den sog. qualifizierten Freiverkehrssegmenten (Entry Standard der Frankfurter Wertpapierbörse und M:Access der Börse München) müssen damit nicht schon aufgrund der Einziehung ihrer Aktien in den börslichen Handel Zielgrößen festlegen. Unabhängig von einer Börsennotierung sind bereits Unternehmen erfasst, die in den Anwendungsbereich der Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer fallen, d.h. in der Regel über mehr als 500 Arbeitnehmer verfügen. Zu den in die Pflicht genommenen Unternehmen zählen also auch:

  • Gesellschaften mit beschränkter Haftung,
  • eingetragene Genossenschaften und
  • Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit.

Nach der Begründung des RegE sollen insgesamt rund 3.500 Unternehmen von diesen Regelungen betroffen sein.

Ab wann gelten die neuen Verpflichtungen?

Die Frauenquote für Aufsichtsräte soll ab dem 01.01.2016 gelten. Dem zunächst sehr starr und äußerst kurzfristig klingenden Zeitpunkt des Inkrafttretens wird aber durch eine Zwischenlösung ein fließender und damit möglichst schonender Übergang gewährt. So müssen nicht schon ab Beginn des Jahres 2016 sämtliche Aufsichtsräte mit einem Frauenanteil von 30% besetzt sein. Vielmehr bleiben die amtierenden männlichen Aufsichtsratsmitglieder bis zum regulären Ende ihrer Amtszeit im Amt. Mit Ablauf einzelner Mandate sind jedoch die dann freiwerdenden Sitze, solange und soweit mit Frauen zu besetzen, bis die Quote sukzessive erfüllt ist. Erst bei der Besetzung weiterer vakant werdender Aufsichtsratsposten ist die Gesellschaft im Hinblick auf das Geschlecht des Bewerbers (oder der Bewerberin) in ihrer Wahl wieder völlig frei.

Keine Zeit verliert der RegE im Hinblick auf die Zielgrößen für den Frauenanteil. Die dementsprechenden Festlegungen der Verwaltungsorgane haben erstmals bis spätestens 30.06.2015 zu erfolgen.

Welche Sanktionen können bei Missachtung der Frauenquote eintreten?

Die Rechtsfolgen für eine Nichterfüllung der Frauenquote für Aufsichtsräte sind erheblich. So ist eine quotenwidrige Wahl bzw. eine quotenwidrige Entsendung nicht nur rechtswidrig, sondern nichtig. Gleichwohl ist ein genauerer Blick auf die leicht voneinander abweichenden Folgen auf Anteilseigner- bzw. Arbeitnehmerseite zu werfen.

Das quotenwidrig bestellte Aufsichtsratsmitglied auf Anteilseignerseite wurde rechtlich nie Mitglied des Aufsichtsrates. Sein Stuhl bleibt leer. Diese Rechtsfolge kann vor allem dann weitreichende Folgen haben, wenn der Mangel der Bestellung längere Zeit nicht beachtet wird. Grundsätzlich ist nicht automatisch jeder Aufsichtsratsbeschluss unwirksam, weil ein Mitglied nicht wirksam bestellt wurde bzw. weil eine nicht wirksam bestellte Person an Beschlussfassungen teilgenommen hat. Vielmehr tritt diese Rechtsfolge nur ein, wenn der Aufsichtsrat durch die fehlerhafte Bestellung nicht beschlussfähig oder die Stimme der fehlerhaft bestellten Person kausal für das Zustandekommen des Beschlusses war. Diese Frage kann sich bei längerer „Mitgliedschaft“ der betreffenden Person allerdings bei einer Vielzahl von mitunter weitreichenden Beschlüssen stellen (z.B. Feststellung des Jahresabschlusses, Vorstandsbestellung, Kapitalerhöhungen etc.). Auch gibt es keine allgemeine zeitliche Begrenzung, die Nichtigkeit der Bestellung oder ihrer Rechtsfolgen geltend zu machen.

Die Regelung des sog. leeren Stuhls – ein Begriff der sich in diesem Zusammenhang sicherlich einbürgern wird – ist damit durchaus geeignet, verhaltenssteuernd zu wirken, will die Anteilseignerseite nicht eine – vielleicht entscheidende – Stimme gegenüber der Arbeitnehmerbank einbüßen. Die betroffenen Unternehmen können diesem Risiko nur mit größtmöglicher Sorgfalt bei der Vorbereitung der Hauptversammlungen begegnen.

Auch auf Seiten der Arbeitnehmer ist es denkbar, dass die Wahlen zum Aufsichtsrat die Quotenvorgaben nicht erfüllen. Hierfür sieht der RegE das Instrumentarium des sog. vorübergehend leeren Stuhles vor. Dabei gilt diejenige Person des überrepräsentierten Geschlechts als nicht gewählt, die im Falle der Mehrheitswahl die wenigsten Stimmen auf sich vereinigen konnte bzw. im Falle der Verhältniswahl die niedrigste Höchstzahl erhalten hat. Das Gesetz sieht jedoch zwei Wege zur kurzfristigen Korrektur des Mangels vor: Möglich sind entweder eine Nachwahl oder eine gerichtliche Ersatzbestellung. Der Stuhl wird in diesem Fall also nicht dauerhaft leer bleiben.

Wie ist die Rechtslage bei Verletzung der Pflicht zur Festsetzung der Zielgrößen oder bei deren Nichterreichen?

Die Folgen bei mangelhafter Festsetzung von Zielgrößen und bei deren Nichterreichung sind gegenüber den Folgen der Nichtbeachtung der Frauenquote für den Aufsichtsrat weit weniger einschneidend.

So bestimmen die neuen Regelungen keine Sanktionen, wenn überhaupt keine oder völlig unangemessene Zielgrößen festgesetzt werden. Eine mittelbare Kontrolle besteht lediglich aufgrund der Berichtspflichten im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung, die Teil des Lageberichts zum nächsten Jahresabschlussstichtag ist (siehe hierzu unten: Welche Publizitätspflichten sind zu beachten?). Aber auch wenn die geforderte Erklärung im Lagebericht unterbleibt oder unzureichend ist, sieht sich das Unternehmen keinen Rechtsfolgen ausgesetzt, die über die allgemeinen Folgen der Unvollständigkeit von Lageberichten (insbesondere das Risiko einer Verweigerung des Prüfungsvermerks durch den Abschlussprüfer) hinausgehen. Der RegE spricht zwar mögliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Mitglieder Verwaltungsorgane nach allgemeinen Regeln an. Regelmäßig werden diese aber mangels Schadens ausscheiden.

Der RegE sieht auch keine Sanktionen für den Fall vor, dass die selbstgesetzten Zielgrößen nicht erreicht werden. Hierbei handelt es sich ausweislich des RegE um eine bewusste Entscheidung, um keine Fehlanreize für Unternehmen zu schaffen, sich nur vorsichtige und wenig ehrgeizige Ziele zu setzen.

Was ist für die Unternehmen konkret zu tun?

Da die Frauenquote für die Besetzung des Aufsichtsrats erst bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach dem 01.01.2016 zur Anwendung kommt, wird nach Inkrafttreten für die Unternehmen zunächst die Festsetzung der Zielgrößen im Mittelpunkt des Interesses stehen. Damit die Festsetzungen bis zum 30.06.2015 erfolgen können, werden sich die betroffenen Geschäftsführungsorgane und Aufsichtsräte kurzfristig mit diesen Fragen beschäftigen müssen.

In einem ersten Schritt wird eine Bestandsaufnahme durchzuführen sein, wie viele Frauen in den betroffenen Organen bzw. Führungsebenen bereits vertreten sind. Diese Aufgabe ist für den Aufsichtsrat, wenn er die Zielgrößen für die Besetzung des Geschäftsführungsorgans und des Aufsichtsrats festlegt, einfacher als für die Geschäftsführungsorgane, welche die Zielgrößen für die beiden ihnen nachgeordneten Führungsebenen festzulegen haben. Schließlich ist die Mitgliederzahl des jeweiligen Organs evident. Das Geschäftsführungsorgan muss hingegen eine Entscheidung treffen, welche Stellen in der konkreten Unternehmensorganisation zu den „beiden Führungsebenen “ zählen. Hierbei gibt es erhebliche Spielräume.

Auf Grundlage dieser Bestandsaufnahme haben Geschäftsführungsorgane und Aufsichtsräte die Beschlüsse über die Höhe der maßgeblichen Zielgrößen und der Fristen für ihre Erreichung zu fassen. Die Zielgröße soll „üblicherweise“ in einem Prozentsatz ausgedrückt werden. Die Fristen für das Erreichen der Zielgrößen dürfen nicht länger als fünf Jahre sein, innerhalb dieses Rahmens sind aber vielfältige Gestaltungen denkbar und zulässig.

Können die Zielgrößen und Fristen zu ihrer Erreichung für Aufsichtsrat, Geschäftsführungsorgan und Führungsebenen unterschiedlich sein?

Grundsätzlich treffen Aufsichtsrat und Geschäftsführungsorgan ihre Entscheidungen unabhängig voneinander, so dass für den jeweiligen Adressaten unterschiedliche Zielgrößen und Fristen zur Erreichung gelten können. Der RegE gibt jedoch vor, dass einheitlicher Anknüpfungspunkt für die Festlegung der Zielvorgaben die jeweiligen „Unternehmensstruktur“ ist. Da die Basis der Entscheidung für beide Organe gleich ist, spricht viel dafür, dass die Zielvorgaben im Grundsatz kohärent zueinander sein sollten. Andererseits gibt es keine Verpflichtung zu identischen Zielvorgaben. Empfehlenswert dürfte es sein, dass sich die Verwaltungsorgane im Hinblick auf die jeweils festzusetzenden Zielvorgaben und Erreichungsfristen abstimmen.

Welche Publizitätspflichten sind zu beachten?

Eine sofortige Publizitätspflicht bei Festsetzung der Zielgrößen und Erreichungsfristen im ersten Halbjahr 2015 besteht nicht. Soweit börsennotierte Unternehmen betroffen sind, dürfte die Entscheidungen nicht aufgrund der allgemeinen Publizitätsvorschriften zu veröffentlichen sein. Dass die Festlegung einer Zielgröße für den Frauenanteil im Sinne der Vorschriften über die Ad-hoc-Publizität Kursrelevanz besitzen sollte, ist kaum vorstellbar.

Das Geschäftsführungsorgan muss jedoch im Rahmen der Erklärung zur Unternehmensführung, die Teil des Lageberichts ist, die Festlegungen zu den Zielgrößen sowie die Fristen für das Erreichen dieser Zielgrößen angeben. Ferner muss er erklären, ob die festgelegten Zielgrößen im Bezugszeitraum eingehalten worden sind, und wenn nicht, Angaben zu den Gründen machen. Diese Erklärung ist erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung zum Inkrafttreten der Festsetzungspflicht zu erfüllen. Sie gilt erstmals für Lageberichte, die sich auf Geschäftsjahre mit einem nach dem 31.12.2015 liegenden Abschlussstichtag beziehen. 

Die Informationen in diesem Beitrag sind allgemeiner Art und stellen keine Rechtsberatung im Einzelfall dar. Sie beziehen sich auf bei der Veröffentlichung geltende Rechtslage und werden nicht regelmäßig aktualisiert.

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