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Geplante Verschärfungen im Steuerstrafrecht

15.06.2020

Die Bundesregierung hat am vergangenen Freitag, den 12. Juni 2020, einen Gesetzesentwurf für ein Zweites Corona-Steuerhilfegesetz beschlossen, in dem eine Gesetzesänderung versteckt wurde, die erhebliche Verschärfungen im Steuerstrafrecht zur Folge hat. 

Die Verjährungsvorschrift des § 376 AO soll so geändert werden, dass die Grenze der absoluten Verfolgungsverjährung von bislang dem Doppelten der Regelverjährungsfrist auf das Zweieinhalbfache verlängert wird. Bislang beträgt die Verjährungsfrist für einfache Fälle der Steuerhinterziehung fünf Jahre, für besonders schwere Fälle zehn Jahre. Dabei wird ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung schon bei einem Steuerschaden von mehr als EUR 50.000 angenommen. Mit der geplanten Änderung würde eine Strafverfolgung bis 25 Jahre nach Tatbegehung möglich. Nach den Äußerungen des Bundesfinanzministers soll damit die Strafverfolgung in cum/ex-Strafverfahren erleichtert werden. Tatsächlich trifft die Verlängerung der Verfolgungsverjährungsfrist aber nicht nur und sogar nicht einmal überwiegend cum/ex-Verfahren, sondern die große Vielzahl aller Steuerstrafverfahren.

Eine weitere Verschärfung der Verjährungsregelung soll dadurch erreicht werden, dass für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung die Regelung des § 78b Abs. 4 StGB Anwendung finden soll. Danach soll die Verjährungsfrist in Fällen, in denen Anklage zum Landgericht erhoben wurde, mit Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Landgericht ruhen. Dies würde dazu führen, dass die Zeit ab Eröffnung des Hauptverfahrens bis zu dessen rechtskräftigen Abschluss, maximal aber für die Dauer von fünf Jahren, nicht auf die Verjährungsfrist angerechnet wird. Dadurch kann es zu einer weiteren Verlängerung der Verjährungsfrist auf rechnerisch 30 Jahre kommen.

Darüber hinaus soll in dem Gesetzesentwurf eine unliebsame Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs korrigiert werden. Alles was der Täter oder Teilnehmer oder ein Dritter aus einer Straftat erlangt hat, unterliegt der Einziehung. Dies umfasst im Fall von Steuerstraftaten regelmäßig auch die ersparten Steuern oder die erzielten Steuervorteile. Werden durch die Straftat Rechtsgüter eines Dritten verletzt, unterbleibt die Einziehung nach § 73e Abs. 1 StGB dann, wenn ein etwaiger Rückgewähr- oder Ersatzanspruch des Verletzten erloschen ist. Bei Steuerdelikten gilt der die jeweilige die Steuer erhebende Körperschaft (Bund, Land oder Kommune) als Verletzter. Der Bundesgerichtshof hatte mit Beschluss vom 24.10.2019 – 1 StR 173/19 entschieden, dass bei Steuerdelikten die Einziehung gem. § 73e Abs. 1 StGB dann unterbleibt, wenn der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis verjährt ist. Durch einen neuen § 375a AO soll geregelt werden, dass die Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge aus Steuerdelikten auch dann noch möglich ist, wenn die zu Grunde liegenden Steueransprüche bereits verjährt sind. 

Mit diesen geplanten Änderungen entfernt sich das Steuerstrafrecht immer mehr von den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts und mutiert zunehmend zu einem reinen Sonderstrafrecht. Verschärft wird dies auch durch die zunehmend zu beobachtende Tendenz, unter Verweis auf besondere Erkundigungspflichten von Gewerbetreibenden stets ein zumindest bedingt vorsätzliches Verhalten zu unterstellen. Durch die geplanten Änderungen im Verjährungs- und Einziehungsrecht erhöhen sich zudem die Risiken von Erwerbern in M&A-Transaktionen beträchtlich. Auch für Jahrzehnte zurückliegende Zeiträume ist künftig die Einziehung von Vorteilen aus Steuerdelikten möglich. Bedeutung kann dies auch im Fall von Selbstanzeigen haben. Selbst wenn regelmäßig eine Nachveranlagung nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nur für 10 Jahre möglich ist, würde durch die Neuregelung des Einziehungsrechts eine Nachveranlagung „durch die Hintertür“ bis zu 30 Jahre zurück  (§ 76b Abs. 1 Satz 1 StGB) ermöglicht werden.

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