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Neue Sanktionen im Kapital­markt­recht

15.04.2016

Der europäische Gesetzgeber hat das Recht des Marktmissbrauchs reformiert und im April 2015 zwei neue Rechtsakte vorgelegt – die Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und die Marktmissbrauchsrichtlinie (MAD II). Beide sind ab dem 03.07.2016 anzuwenden bzw. in nationales Recht umzusetzen.

Ein Kernelement des neuen Marktmissbrauchsregimes ist die Vereinheitlichung und Verschärfung der in den Mitgliedsstaaten bislang unterschiedlich geregelten Sanktionen. Das gilt vor allem für den Insiderhandel, die Veröffentlichung von Ad-hoc-Mitteilungen und die Marktmanipulation. Die Aufsichtsbehörden, so heißt es in Erwägungsgrund 70 der MAR, sollen „mit ausreichenden Handlungsbefugnissen ausgestattet sein und auf gleichwertige, starke und abschreckende Sanktionsregelungen für alle Finanzvergehen zurückgreifen können, und die Sanktionen sollten wirksam durchgesetzt werden.“

Zur Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben hat die Bundesregierung am 06.01.2016 einen Regierungsentwurf eines Ersten Finanzmarktnovellierungsgesetzes – 1. FiMaNoG vorgelegt (BT-Drs. 18/7482), am 14.03.2016 wurden im Finanzausschuss des Bundestages Sachverständige dazu angehört. Der Bundestag hat das 1. FiMaNoG gestern Abend, am 14.04.2016, verabschiedet (BT-Drs. 18/8099).

Ausweislich der Begründung des Regierungsentwurfs soll das 1. FiMaNoG dem sogenannten „Prinzip der 1:1-Umsetzung“ folgen. Tatsächlich bleibt das Gesetz allerdings an einigen Stellen hinter den europäischen Vorgaben zurück, während es an anderen Stellen darüber hinaus geht. Das betrifft unter anderem:

1. Verwaltungsrechtliche Sanktionen

  EU-Vorgabe  Deutsche Umsetzung 
Insiderverstöße und Marktmanipulation 

Natürliche Personen: min. bis zu EUR 5,0 Mio.

Juristische Personen: min. bis zu „15 000 000 EUR oder 15% des jährlichen Gesamtumsatzes“ des vorangegangenen Geschäftsjahres

Natürliche Personen: bis zu EUR 5,0 Mio.

Juristische Personen: bis zum höheren der Beträge von fünfzehn Millionen Euro und 15 Prozent des Gesamtumsatzes“ des vorangegangenen Geschäftsjahres

 Ad-hoc-Mitteilungen

Natürliche Personen: min. bis zu EUR 1,0 Mio.

Juristische Personen: min. bis zu „2 500 000 EUR oder 2% des jährlichen Gesamtumsatzes“ des vorangegangenen Geschäftsjahres

Natürliche Personen: bis zu EUR 1,0 Mio.

Juristische Personen: bis zum „höheren der Beträge von zweieinhalb Millionen Euro und 2 Prozent des Gesamtumsatzes“ des vorangegangenen Geschäftsjahres

 Vorteilsabschöpfung Vorteilsabschöpfung bis zur dreifachen Höhe „der durch die Verstöße erzielten Gewinne oder vermiedenen Verluste, sofern sich diese beziffern lassen Vorteilsabschöpfung bis zur dreifachen Höhe „des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils. Der wirtschaftliche Vorteil umfasst erzielte Gewinne und vermiede Verluste und kann geschätzt werden.“

2. Strafrechtiche Sanktionen

  EU-Vorgabe   Deutsche Umsetzung
Insiderverstöße und Marktmanipulation

Zumindest in schwerwiegenden Fällen und bei Vorliegen von Vorsatz Strafbarkeit

  • bestimmter Insider-Geschäfte,
  • der Empfehlung/Anstiftung zum Tätigen bestimmter Insider-Geschäfte sowie
  • unrechtmäßiger Offenlegung von Insider-Informationen

Keine (durchgehende) Beschränkung der Strafbarkeit auf schwerwiegende Fälle

Insiderrecht: Vorsatz genügt

Marktmanipulation: Preiseinwirkung genügt

Marktmanipulation: Beispiele für schwerwiegende Fälle im Sinne der MAD II sind Qualifikationen (Verbrechen, min. 1 Jahr Freiheitsstrafe)

Teilweise zusätzliche Tatbestandsvoraussetzungen für strafbare Formen der Marktmanipulation

Rechtsfolgen Natürliche Personen: Freiheitsstrafen im Höchstmaß von mindestens vier bzw. zwei Jahren

Juristische Personen: „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktionen, mindestens aber Geldstrafen oder nichtstrafrechtliche Geldbußen.

Möglich auch andere Sanktionen, beispielsweise Ausschlüsse von Subventionen, richterlich angeordnete Auflösung

Natürliche Personen: oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe

Juristische Personen: nur nichtstrafrechtliche Geldbußen

Keine anderen Sanktionen vorgesehen

3. Zivilrechtliche Sanktionen

   EU-Vorgabe  Rechtslage in Deutschland

Schadensersatz für Anleger bei Insiderverstößen und Marktmanipulation

Keine Vorgaben (anders als in der Prospektrichtlinie)

Derzeit keine Ansprüche gegen Emittenten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Normen des WpHG (keine Schutzgesetze)

Ansprüche aus § 826 BGB (vorsätzlich sittenwidrige Schädigung) gegen Emittenten und deren Organmitglieder möglich, aber hohe Hürden im Tatbestand und volle Darlegungs- und Beweislast beim Anleger

Schadensersatz für Anleger bei unrichtigen oder unterlassenen Ad-hoc-Mitteilungen

Keine Vorgabe

Ansprüche gegen Emittenten nach§§ 37b, c WpHG; Maßstab: grobe Fahrlässigkeit; Ansprüche gegen Organmitglieder nur nach § 826 BGB

 

Verstöße werden in Zukunft im Grundsatz verpflichtend auf der Homepage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht veröffentlicht (sog. naming and shaming).

Für kapitalmarktorientiere Unternehmen und deren Organmitglieder hat die Reform des kapitalmarktrechtlichen Sanktionsregimes erhebliche Bedeutung. Für die Emittenten bergen vor allem die drastisch verschärften Geldbußen hohe Risiken. Ob das Unternehmen Geldbußen an seine Organmitglieder weitergeben kann oder sogar muss – wie es im Kartellrecht diskutiert wird - bleibt abzuwarten (siehe auch Newsletter Versicherungsrecht, Juli 2015). Offen ist auch, ob ein ansonsten funktionierendes Compliance-System die Haftungsfolgen für einen Emittenten abmildern kann.

Dr. Lars Teigelack und Dr. Christian Dolff haben die deutschen Umsetzungspläne im Rahmen eines im Betriebs-Berater 2016, Seite 387 ff. erschienenen Beitrags „Kapitalmarktrechtliche Sanktionen nach dem Regierungsentwurf eines Ersten Finazmarktnovellierungsgesetzes – 1. FimanoG“ ausführlich beleuchtet und Divergenzen zu den unionsrechtlichen Vorgaben herausgearbeitet.