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OLG Hamm: Zur Passiv­legitimation einer Publikums-KG im einstweiligen Rechts­schutz­verfahren

11.04.2018

Das OLG Hamm (nachfolgend OLG) hat mit Urteil vom 05.02.2018 (Az. 8 U 112/17 – juris) die Passivlegitimation einer Publikums-KG in einem einstweiligen Verfügungsverfahren verneint und damit eine bislang offene Rechtsfrage geklärt. Sieht der Gesellschaftsvertrag eine Verpflichtung vor, bei einer Beschlussfeststellungsklage alle Mitgesellschafter zu verklagen, gelte dies nicht nur für das Hauptsacheverfahren, sondern auch für das einstweilige Verfügungsverfahren.

I. Hintergrund der OLG-Entscheidung

Das OLG hatte vorliegend als Berufungsinstanz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren über ein Urteil des LG Essen (Urt. v. 27.9.2017, Az. 42 O 46/17) zu entscheiden.

Der Verfügungskläger war Kommanditist einer KG und in der Gesellschafterversammlung durch Gesellschafterbeschluss aus der KG ausgeschlossen worden. Der Gesellschaftsvertrag sah diese Möglichkeit des Ausschlusses durch Gesellschafterbeschluss vor.

Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes hatte der Verfügungskläger vor dem LG Essen sinngemäß begehrt, vorläufig bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Klärung der Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses, als Kommanditist der KG behandelt zu werden.

Der Verfügungskläger hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nur gegen die KG gerichtet. Der Gesellschaftsvertrag der KG regelte jedoch, dass „fehlerhafte Beschlüsse der Gesellschafter […] nur innerhalb eines Monats seit der Beschlussfassung durch Klage gegen alle Gesellschafter angefochten werden“ können.

Das LG Essen hatte die Passivlegitimation der KG zwar bejaht, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mangels Verfügungsgrundes dennoch zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Verfügungskläger Berufung eingelegt.

II. Entscheidungsgründe des OLG

Das OLG wies die Berufung schon mangels Passivlegitimation der KG als unbegründet zurück.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sei gegen die Partei zu richten, die auch im Hauptsacheverfahren passivlegitimiert ist. Denn das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verfolge keinen Selbstzweck, sondern diene der Sicherung von Rechtspositionen, über die in einem Hauptsacheverfahren entschieden werde. Diesen Grundsatz bestätigten die §§ 936, 926 Abs. 1 ZPO, die durch die Möglichkeit der Anordnung der Klageerhebung verhindern sollten, dass ein einstweiliges Verfügungsverfahren dauerhaft unabhängig von einem Hauptsacheverfahren geführt wird. Das Hauptsacheverfahren sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gegen die Gesellschafter zu führen.

Aus dem Gesellschaftsvertrag ergebe sich nichts Abweichendes. Die Regelung im Gesellschaftsvertrag, die nach dem Wortlaut nur das Hauptsacheverfahren betreffe, dürfe man nicht dahin auslegen, dass für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes gelten solle. Vielmehr gälten in beiden Verfahrensarten mangels ausdrücklicher anderweitiger Regelung die allgemeinen Regeln, wonach Grundlagenstreitigkeiten in Personengesellschaften gegen die Gesellschafter zu richten sind. Dem stünden, anders als das LG Essen gemeint habe, auch keine rein pragmatischen Erwägungen entgegen, selbst „wenn dies zu einer faktischen Rechtlosstellung führen würde“. Denn die Gesellschafter hätten sich durch ihren Beitritt zur Gesellschaft auf den Gesellschaftsvertrag eingelassen.

III. Stellungnahme

Der Entscheidung des OLG ist zuzustimmen. Das OLG hat damit eine bislang offene Rechtsfrage geklärt, wie sich aus der gegenläufigen Entscheidung des LG Essen ergibt.

Die Entscheidung des OLG überzeugt aus prozessualen Gründen.

Denn ein Auseinanderfallen der passiven Parteistellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu dem Hauptsacheverfahren würde zu erheblichen prozessualen Schwierigkeiten führen. So wäre schon unklar, welches Gericht als Gericht der Hauptsache gemäß § 937 Abs. 1 ZPO zuständig wäre, wenn sich die Zuständigkeit in der Hauptsache nur aus einer Gerichtstandsvereinbarung ergibt. Auch ergäben sich Schwierigkeiten hinsichtlich der Frage der Rechtshängigkeit und der (im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anerkannten) eingeschränkten Rechtskraft. So könnte der Verfügungskläger gleichzeitig mehrere Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig machen, jeweils gerichtet gegen die KG oder ihre Gesellschafter.

Dass das einstweilige Verfügungsverfahren auf das Hauptsacheverfahren bezogen ist, wird zudem aus dem Wortlaut des § 935 ZPO deutlich. Denn dort heißt es, dass die einstweilige Verfügung „in Bezug auf den Streitgegenstand“ ergeht. Ebenso deutlich zeigt dies der Normzweck der dienenden Sicherungsfunktion einer einstweiligen Verfügung. Der Blick auf das Hauptsacheverfahren ist deshalb rein prozessual betrachtet der richtige Ansatzpunkt, um die Passivlegitimation im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu bestimmen.

Auch aus materiellen Gründen ist der Entscheidung des OLG zuzustimmen.

Das OLG legt den Gesellschaftsvertrag aus, um zu klären, gegen wen die Feststellungsklage in der Hauptsache zu richten ist und ob der Gesellschaftsvertrag für das einstweilige Verfügungsverfahren eine abweichende Passivlegitimation vorsieht. Bei der Auslegung eines Gesellschaftsvertrags gelten grundsätzlich die allgemeinen Auslegungsregeln, bei Publikumsgesellschaften ist aber der objektiv erkennbare Wille maßgeblich, § 157 BGB. Der Wortlaut ist mithin bedeutender als bei einer Auslegung am Maßstab des § 133 BGB. Allein die Verwendung des Wortes „anfechten“ bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass in einem Gesellschaftsvertrag das kapitalgesellschaftsrechtliche Klagesystem so weit wie möglich übernommen werden soll. An dieser Stelle werden – über den entschiedenen Fall hinaus – die Verwerfungen deutlich, die entstehen können, wenn in Gesellschaftsverträgen Begrifflichkeiten aus dem Kapitalgesellschaftsrecht unüberlegt verwendet werden. Derartige Begrifflichkeiten können schon deshalb nicht eindeutig sein, weil es im Personengesellschaftsrecht keine „Anfechtbarkeit“ eines Gesellschafterbeschlusses gibt. Insofern bergen sie stets die Gefahr, in einem Rechtsstreit von einer Partei einseitig genutzt zu werden, um einzelne Elemente des kapitalgesellschaftsrechtlichen Klagesystems entgegen des objektiven Auslegungsergebnisses auf eine Personengesellschaft zu übertragen.

IV. Fazit und Ausblick

Die Entscheidung des OLG macht deutlich, wie wichtig die eindeutige Formulierung bei der gesellschaftsvertraglichen Regelung des Beschlussmängelrechts gerade bei (Publikums-)Personengesellschaften ist. Begrifflichkeiten wie „anfechten“ sollten im Gesellschaftsvertrag nicht unüberlegt verwendet werden. Auch jede sonstige Annährung an das kapitalgesellschaftsrechtliche Klagesystem birgt die Gefahr in einem Gesellschafterstreit von einer Seite über die eigentlich gewollte Annährung hinaus ausgelegt zu werden. Im Übrigen entspricht die vom OLG auslegte Klausel des Gesellschaftsvertrags (Beschlussmängelklage gegen alle Gesellschafter) der allgemeinen Gesetzeslage im Personengesellschaftsrecht. Insofern dürfte der Entscheidung über die konkrete Klausel im Gesellschaftsvertrag hinaus auch Bedeutung zukommen für Fälle, in denen der Gesellschaftsvertrag zu der Frage des Klagegegners schweigt. Für die forensische Praxis bringt die Entscheidung eine wünschenswerte Klarheit einer bislang – soweit ersichtlich – nicht behandelten Frage.

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