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Unzulässige Nachahmung der „Präsentation des Speiseangebots“ durch Wettbewerber

29.08.2019

OLG Düsseldorf stärkt ergänzenden Leistungsschutz von Gastronomiekonzepten

A. Einleitung

Gerade in der Gastronomie kommt es immer wieder vor, dass ein Unternehmenskonzept mit bestimmten Ausstattungsmerkmalen für einen Restaurantbetrieb – vor allem für die Einrichtung der Restaurants und die Gestaltung von Werbemitteln – von Wettbewerbern nachgeahmt bzw. kopiert wird. Eingetragene gewerbliche Schutzrechte (wie insbesondere Marken) erfassen diese Fälle zwar oft nicht. Jedoch ist es unter bestimmten Voraussetzungen wettbewerbsrechtlich unlauter und damit verboten, Waren oder Dienstleistungen anzubieten, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind. Das ist nach § 4 Nr. 3a UWG – dem sog. ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz (Konzeptschutz) – z.B. dann der Fall, wenn derjenige, der nachahmt, eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft der Waren und Dienstleistungen herbeiführt.

Klar ist aber auch, dass Wettbewerb zulässig und rechtlich betrachtet erwünscht ist. Dass das Konzept des Restaurants A z.B. einen „Front-Cooking-Bereich“ („Show-Küche“) vorsieht, hindert das 20 Meter entfernt liegende Restaurant B nicht daran, auch einen „Front-Cooking-Bereich“ einzurichten. Kritisch wird es erst dann, wenn das Restaurant B „mehr macht“, als nur ebenfalls einen „Front-Cooking-Bereich“ zu haben, z.B. identische Farbtöne und identisches Mobiliar wie Restaurant A verwendet. Wo die Grenze zwischen einem noch zulässigen wettbewerblichen Handeln und einem unzulässigen Nachahmen („Abkupfern“) von Unternehmenskonzepten verläuft, ist dementsprechend mit einem gewissen Beurteilungsspielraum verbunden.

Die Frage nach der Reichweite des Konzeptschutzes kann sich für einen Franchisegeber in zwei Konstellationen stellen. Zum einen kann es vorkommen, dass aus dem Franchisesystem ausgeschiedene Franchisenehmer das Konzept mehr oder weniger unverändert weiterverwenden (vgl. etwa den Fall OLG Schleswig, Urt. v. 26.09.2013 – 16 U (Kart) 49/13 – „Subway“). Zum anderen können dritte (systemfremde) Wettbewerber die wesentlichen Merkmale des Konzepts „abkupfern“ (so z.B. im Fall des LG Münster, Urt. v. 21.04.2010 – 21 O 36/10 – Fast-Casual-Restaurantkette im italienischem Stil). Mit dieser zweiten Konstellation hatte sich kürzlich das OLG Düsseldorf zu befassen (Urt. v. 22.11.2018 – 15 U 74/17). Die Entscheidung des OLG Düsseldorf liefert wertvolle Erkenntnisse zur Frage des ergänzenden Leistungsschutzes und stärkt damit den Schutz von Unternehmenskonzepten insbesondere der Systemgastronomie.

B. Sachverhalt

Dem Urteil des OLG Düsseldorf lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist Inhaberin und Betreiberin mehrerer Schnellrestaurants, die Imbissklassiker (insbesondere Pommes Frites) als Hauptgerichte anstatt als bloße Beilage anbieten. Sie hatte von der Beklagten, die auch ein Schnellrestaurant betrieb, Unterlassung und Schadensersatz aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz verlangt, weil die Beklagte das Gastronomiekonzept der Klägerin unlauter nachgeahmt habe.

In erster Instanz vor dem LG Duisburg (Urt. v. 14.07.2017 – 10 O 21/17) hatte die Klägerin hierzu vorgetragen, ihr Gastronomiekonzept bestehe darin, Schnell-Restaurants mit „trendiger und hochwertiger Geschäftsausstattung“ zu bestücken, beim Betrieb ein „ausgeprägtes Nachhaltigkeitskonzept“ zu verfolgen und die Produkte in „lockerer, moderner Vintage-Atmosphäre zu präsentieren“. Die wettbewerbliche Eigenart ihres Gastronomiekonzepts, die durch § 4 Nr. 3a UWG geschützt sei, ergäbe sich dabei nicht aus Einzelmerkmalen, sondern aus dem innovativen Gesamtkonzept.

Dieses Konzept habe die Beklagte in ihren Geschäftsbetrieben in wettbewerbswidriger Weise nachgeahmt. Sie habe die Optik und den Inhalt der Speisekarte nahezu identisch von der Klägerin übernommen und auch ihr Interieur an das von der Klägerin gewählte (rote Klinkersteine in Kombination mit schwarzen „Metro-Fliesen“ und Holzvertäfelung im Landhausstil) angeglichen.

Die Beklagte hatte hierauf unter anderem erwidert, dass das Konzept der Klägerin bereits nicht über die erforderliche wettbewerbliche Eigenart im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3a UWG verfüge. Es erschöpfe sich sowohl in allen einzelnen Gestaltungsmerkmalen als auch in seiner Gesamtheit in der Gestaltung von „Trend-Food-Restaurants“.

In der ersten Instanz hatte das LG Duisburg die Beklagte antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken einen Gastronomiebetrieb mit spezifischen Gestaltungselementen der Geschäftsbetriebe der Klägerin (u.a. schwarze Menükarten mit weißer Schrift und Produktfotos, weitestgehend identische Produktbezeichnungen und -beschreibungen, Wänden mit roten Klinkersteinen in Kombination mit schwarzen Metro-Keramikfliesen und Holzvertäfelung usw.) zu betreiben.

Zur Begründung hatte das LG Duisburg im Wesentlichen angeführt, dass der Beklagten gegen die Klägerin ein Unterlassungsanspruch wegen unlauterer Nachahmung aus §§ 8 i.V.m. 3, 4 Nr. 3a UWG zustehe. Die Beklagte habe das Konzept der Klägerin nachgeahmt. Sie habe in ihrem Restaurant die die Werbegestaltung prägende und beherrschende Kombination der einzelnen Elemente im Wesentlichen übernommen. So seien die Speisekarten fast identisch gestaltet, die angebotenen Produkte seien größtenteils identisch, die Hauptgestaltungsmerkmale der Ladenlokale stimmten ebenfalls überein und die Namen der Betriebe ähnelten sich sehr.

Dabei weise das Gastronomiekonzept der Klägerin in seiner Gesamtheit sowohl gestalterisch als auch hinsichtlich der angebotenen Produkte wettbewerbliche Eigenart auf.

C. Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und den Unterlassungsanspruch der Klägerin bestätigt. Zudem hat das Gericht die Revision nicht zugelassen.

I. Gastronomiekonzept als schutzfähiges Erzeugnis


Hinsichtlich der Schutzfähigkeit des Gastronomiekonzepts der Klägerin nach § 4 Nr. 3 a) UWG hat das OLG Düsseldorf festgestellt, dass es sich dabei um ein schutzfähiges Erzeugnis mit durchschnittlicher wettbewerblicher Eigenart handele.

Für die Beurteilung des Gegenstands des ergänzenden Leistungsschutzes orientiert sich das OLG Düsseldorf an den folgenden Leitsätzen höchstrichterlicher Rechtsprechung:

Der Begriff der Waren und Dienstleistungen im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG sei weit auszulegen. Einem Erzeugnis komme wettbewerbliche Eigenart zu, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet seien, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Bei der Beurteilung der Frage nach dem Gegenstand des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes sei zudem von der Verkehrsauffassung auszugehen.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das OLG Düsseldorf die wettbewerbliche Eigenart des Gastronomiekonzepts der Klägerin bejaht. Das Gastronomiekonzept der Klägerin sei in der Ausgestaltung, in der es tatsächlich in ihren Ladenlokalen realisiert worden ist und dem Verkehr gegenübertritt, als Leistungsergebnis tauglicher Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes. Aus Sicht des angesprochenen Verkehrs bestehe das Gastronomiekonzept der Klägerin aus bestimmten Gestaltungselementen, u.a. aus identischen Menükarten, übereinstimmenden Stand- und Menütafeln, markanten Produktbezeichnungen, Produktbeschreibungen und Produktfotos, der Gestaltung des Restaurants in den Zielfarben schwarz-weiß-rot, die eine „lockere, moderne Vintage-Atmosphäre“ schaffe sowie einem auffällig von außen an den Restaurants platzierten Logo mit einer markanten Wortkombination.

Dabei habe die Präsentation des Speiseangebots aus Sicht des angesprochenen Verkehrs eine hervorgehobene Bedeutung für das Konzept, weil Kunden diese Restaurants zum Zwecke des Verzehrs von Speisen aufsuchen und der Präsentation deshalb besondere Aufmerksamkeit widmen.

Das OLG Düsseldorf hat zudem festgestellt, dass ein Gastronomiekonzept auch nicht einer in jeder Hinsicht identischen Gestaltung der Ladenlokale bedürfe, um vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden zu werden. Unterschiede im Detail änderten nichts daran, dass der Verkehr sämtliche Ladenlokale dem Gastronomiekonzept eines bestimmten Unternehmens zuordne, weil es maßgeblich auf einen übereinstimmenden Gesamteindruck ankomme.

II. Nachahmung des Gastronomiekonzepts

  1. Nachschaffende Leistungsübernahme
     
    Das Konzept der Beklagten stelle auch eine Nachahmung dar, wobei es sich nicht um eine fast identische, sondern eine nachschaffende Leistungsübernahme handele. Die nachschaffende Leistungsübernahme setze voraus, dass die Nachahmung nach dem Gesamteindruck wiedererkennbare wesentliche Elemente aus der geschützten Gesamtheit der Erzeugnisse aufweise. Für den zu entscheidenden Fall hat das OLG Düsseldorf deshalb festgehalten, dass sich eine nahezu identische Nachahmung des streitgegenständlichen Gastronomiekonzepts nicht allein mit einer sehr großen Ähnlichkeit der Menükarten und Menütafeln begründen lasse, weil es sich dabei nur um einzelne, wenn auch prägende Elemente des Konzepts handele. Maßstab der Nachahmung müsse vielmehr das gesamte Konzept einschließlich der Gestaltung der Ladenlokale sein.

  2. Kenntnis des Originals

    Auch die weitere Voraussetzung einer Nachahmung, wonach dem Hersteller im Zeitpunkt der Herstellung des Erzeugnisses das Original als Vorbild bekannt gewesen sein muss, hält das OLG Düsseldorf für erfüllt. Denn eine selbstständige Zweitentwicklung sei in Anbetracht der Sachlage praktisch ausgeschlossen. Die Kenntnis des von der Klägerin realisierten Gastronomiekonzepts folge daraus, dass anders die nahezu identische Übernahme der Menükarten bis in die Details der Produktbezeichnungen, -beschreibungen und von weiteren Gestaltungselementen nicht zu erklären sei. Darüber hinaus setze eine Nachahmung keine über eine Kenntnis vom Original hinausgehende zielgerichtete Absicht voraus.    

III. Vermeidbare Täuschung über betriebliche Herkunft


In der Folge bejaht das OLG Düsseldorf auch eine im Sinne von § 4 Nr. 3 a) UWG vermeidbare Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft der Restaurantdienstleistungen. Das Gastronomiekonzept der Klägerin habe bei Eröffnung des Ladenlokals der Beklagten über die erforderliche Verkehrsbekanntheit verfügt, weil die Klägerin mehrere Auszeichnungen für ihr Konzept erhalten habe und mehrfach über sie in der Presse berichtet worden sei. Zudem habe die Klägerin mehr als 44.000 Anhänger bei Facebook gehabt, woraus sich eine gewisse regionale Bekanntheit beim angesprochenen Verkehr ergebe. Die nachschaffende Leistungsübernahme des klägerischen Konzepts begründe auch die Gefahr einer Fehlvorstellung über die betriebliche Herkunft, da die einheitliche Präsentation eines in sämtlichen Ladenlokalen der Klägerin exakt identischen und zudem neuartigen Speiseangebots auf stets gleich gestalteten Menükarten und -tafeln geeignet sei, dem Verkehr als Herkunftshinweis zu dienen und die Beklagte gerade diese Merkmale aus dem Gastronomiekonzept übernommen habe.

Das OLG Düsseldorf wies die Beklagte auch mit ihrem Vorbringen zurück, eine Herkunftstäuschung durch die abweichende Bezeichnung ihres Ladenlokals und die unterschiedliche Gestaltung der Logos vermieden zu haben. Eine Herkunftstäuschung würde durch die unterschiedliche Gestaltung des Logos bereits deshalb nicht ausgeräumt, weil bezogen auf das Gastronomiekonzept die Präsentation des Speiseangebots und die Gestaltung des Ladenlokals deutlich im Vordergrund stehe, während die Kennzeichnung in den Hintergrund trete. Soweit der Verkehr die unterschiedliche Gestaltung des Logos beachte, erkenne er zwar, dass es sich nicht um ein Ladenlokal der Kette der Klägerin handele. Die Vorstellung, dass es sich um eine Zweitmarke der Klägerin handele oder der Betreiber des Ladenlokals der Beklagten mit der Klägerin geschäftlich verbunden sei, räume die unterschiedliche Logogestaltung aber gerade nicht aus. Vielmehr liege aus Sicht des Verkehrs aufgrund der von der Beklagten übernommenen wesentlichen Elemente, insbesondere der nahezu identischen Übernahme der Präsentation des Speiseangebots nahe, dass es sich bei dem Ladenlokal der Beklagten um eine Zweitmarke der Klägerin handele.

Schließlich berücksichtigt es das OLG Düsseldorf im Rahmen der Gesamtwürdigung zu Lasten der Beklagten als in besonderem Maße unlauter, dass die Beklagte die Präsentation des Speiseangebots als wesentliches Element des Gastronomiekonzepts der Klägerin nahezu identisch übernommen habe.

D. Fazit

Das Urteil des OLG Düsseldorf stärkt den wettbewerbsrechtlichen Schutz von Gastronomiekonzepten vor unzulässiger Nachahmung durch Wettbewerber. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob der Nachahmer von außen oder (z.B. als ehemaliger Franchisenehmer) aus den eigenen Reihen kommt. Wer wesentliche Element eines Gastronomiekonzepts nahezu identisch übernimmt, riskiert, nach § 4 Nr. 3a) UWG auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden.

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