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Unzulässigkeit des Ausschlusses vom Konzessionsverfahren

21.01.2020

Urteil des LG Hannover vom 28.11.2019, Az. 74 O 37/19 – Unzulässigkeit des Ausschlusses von dem weiteren Konzessionsverfahren wegen angeblichen Verstoßes gegen die Pflicht zur Informationserteilung über das Mittelspannungsnetz

Das LG Hannover hatte über den in einem einstweiligen Verfügungsverfahren geltend gemachten Anspruch des Altkonzessionärs auf Unterlassung des Ausschlusses aus dem Konzessionsverfahren zu entscheiden. Mit Urteil vom 28.11.2019 gab das Gericht dem Antrag statt und verurteilte die Kommune es zu unterlassen, einen Stromkonzessionsvertrag abzuschließen, ohne die Klägerin an dem weiteren Konzessionsverfahren deshalb nicht zu beteiligen, weil sie sich kartellrechtswidrig verhalten habe, indem sie die Herausgabe von Netzdaten im gesetzlich geschuldeten Umfang verweigert habe.

Die beklagte Kommune hatte zuvor das klagende Unternehmen aus dem laufenden Konzessionsverfahren ausgeschlossen. Begründet wurde der Ausschluss mit der anfänglichen Weigerung der Klägerin, Informationen über bestimmte Mittelspannungsleitungen herauszugeben, die nach deren Auffassung nicht vom Herausgabeanspruch nach § 46 Abs. 2 EnWG erfasst sind („gemischt genutzte Anlagen“). Demgegenüber vertrat die Kommune die Auffassung, nach § 46a EnWG einen Anspruch auf Informationen in Bezug auf alle im Konzessionsgebiet gelegenen Versorgungsanlagen mit Ausnahme reiner Durchgangsleitungen zu haben.

Die zwischenzeitlich von der Kommune eingeschaltete Landeskartellbehörde vertrat die Auffassung, dass sich der Informationsanspruch der Kommune auch auf gemischt genutzte Anlagen beziehe. Die Weigerung des Altkonzessionärs, diese Daten herauszugeben, stelle einen Verstoß gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 19 GWB dar. Nach Eröffnung des Kartellverfahrens durch die LKartB Niedersachsen stellte der Altkonzessionär der Kommune die entsprechenden Daten zur Verfügung.

Nach Abgabe der indikativen Angebote teilte die verklagte Kommune dem klagenden Unternehmen mit, sie gemäß § 124 Abs. 1 GWB aus dem weiteren Konzessionsverfahren auszuschließen, weil sie in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung trotz mehrfacher Aufforderung die Herausgabe von Teilen der Netzdaten im geschuldeten Umfang verweigert habe.

Zum Inhalt der Entscheidung

Das LG Hannover hat sich der Rechtsauffassung des klagenden Unternehmens angeschlossen und deren Ausschluss aus dem Verfahren für unzulässig angesehen. Der Ausschluss verletze die Klägerin in ihren Rechten aus §§ 46 Abs. 4 EnWG, § 19 Abs. 1 GWB. Zunächst hob das LG Hannover hervor, dass die Mitteilung des Ausschlusses vom Vergabeverfahren unter die gem. § 47 Abs. 1 EnWG grundsätzlich zu rügenden Rechtsverletzungen falle.

Nach Auffassung des Gerichts kann der Ausschluss aus dem Konzessionsverfahren nicht auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des GWB (§§ 123 ff. GWB) gestützt werden. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des EnWG im Februar 2017 in Kenntnis der Regelung des GWB deren teilweise Übernahme oder eine Verweisung auf diese Vorschriften unterlassen. Damit habe sich der Gesetzgeber bewusst gegen deren Anwendbarkeit entschieden. Die Kommune sei auch nicht berechtigt, diese Vorschriften, etwa über einen Verfahrensbrief, im Konzessionsverfahren nach § 46 EnWG zur Anwendung zu bringen. Allerdings stellt die bloße Ankündigung im Verfahrensbrief, diese Vorschriften entsprechend anzuwenden, nach Auffassung des LG Hannover für sich genommen noch keinen rügefähigen Verstoß dar, da es sich lediglich um eine Ankündigung eines rechtswidrigen Verhaltens handele und noch nicht um eine konkrete Rechtsverletzung.

Nach Auffassung des LG Hannover liegt in der anfänglichen Nichtherausgabe von Daten betreffend die gemischt genutzten Anlagen kein ausreichender Grund, um den Altkonzessionär vom weiteren Verfahren auszuschließen. Tatsachen, aufgrund derer festgestellt werden könnte, dass die Klägerin zum Betrieb des Netzes nicht geeignet bzw. der Kommune ein Vertragsschluss mit ihr nicht zumutbar wäre, lägen nicht vor. Insbesondere könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden, trotz klarer Rechtslage nicht rechtzeitig die geschuldeten Informationen geliefert zu haben. Tatsächlich sei auch mit Rücksicht auf die vorliegende Rechtsprechung die Rechtslage über den Umfang der vom Altkonzessionär herauszugebenden Daten eines Stromnetzes nicht abschließend geklärt. Unklar bleibe weiterhin, auf welche konkreten Leitungen und Spannungsebenen im Gemeindegebiet sich der in § 46a EnWG inzwischen konkretisierte Anspruch erstrecke.

Da nicht einmal die Kammer anhand der gesetzlichen Regelungen und unter Hinzuziehung der Rechtsprechung des BGH und des Gemeinsamen Leitfadens der BNetzA und des BKartA eindeutig den Umfang des herauszugebenden Leitungsnetzes, über das zu informieren war, zu bestimmen vermöge, könne jedenfalls der Klägerin nicht der Vorwurf gemacht werden, gegen eine klare rechtliche Verpflichtung schuldhaft verstoßen zu haben. 

Fazit

Das LG Hannover hat einer Anwendung der Vergabevorschriften des GWB eine klare Absage erteilt. Zu begrüßen ist auch, dass das LG Hannover nicht jeden möglichen Verstoß gegen gesetzliche Vorgaben ausreichen lässt, um Bewerber aus dem Konzessionsverfahren ausschließen zu können. Überdies hat das Gericht deutlich gemacht, dass der Umfang des herauszugebenden Leitungsnetzes bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist. Damit dürfte auch die von der Landeskartellbehörde Niedersachsen vertretene Auffassung, die in der Nichtherausgabe der Informationen für gemischt genutzte Anlagen einen Verstoß gegen § 19 GWB sieht, kritisch zu hinterfragen sein. Angesichts der klaren Zuweisung an BNetzA und BKartA in § 46a S. 3 EnWG, den Umfang der herauszugebenden Unterlagen durch Festlegung regeln zu können, dürfte es im Übrigen bereits an der Zuständigkeit der Landeskartellbehörde fehlen.

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