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Regulierung von Leih­arbeit und Werk­verträgen (Teil 1)

17.11.2015

Es ist ein erklärtes Ziel im Koalitionsvertrag, den „Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit“ zu verhindern. Nach langem Warten ging nun ein erster Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in die regierungsinterne Abstimmung.

Eine echte Überraschung sind die darin enthaltenen Neuregelungen, über die im Vorfeld bereits umfassend spekuliert wurde [vgl. dazu unseren Beitrag Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit], nicht. Gleichwohl lässt sich nun ein genaueres Bild davon zeichnen, was Unternehmen ab dem 1. Januar 2017 erwarten könnte. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Regelungen und deren Folgen für Unternehmen vor:

1.             Leiharbeit nicht länger als 18 Monate

Der Einsatz von Leiharbeitnehmern beim entleihenden Unternehmen wird auf die Dauer von 18 Monate begrenzt. Hierdurch soll klargestellt werden, dass Leiharbeit nur einen zeitlich begrenzten Arbeitskräftebedarf abdecken soll.

Wie bereits im Koalitionsvertrag vorgesehen, sollen Abweichungen von der Höchstüberlassungsdauer durch oder aufgrund eines Tarifvertrags möglich sein. Der Gestaltung der Sozialpartner sind sowohl nach oben als auch nach unten keine Grenzen gesetzt. Es bleibt damit abzuwarten, ob jedenfalls auf diesem Wege differenziertere Regelungen folgen werden.. Solche Regelungen müssen dabei nicht zwingend zeitorientiert sein, sondern können auch nach Einsatzzwecken und –gebieten differenzieren. Wünschenswert sind solche Ausnahmen insbesondere für die Überlassung hochqualifizierter Arbeitskräfte.

Überschreitet ein Einsatz die Höchstüberlassungsdauer, kommt ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher zustande. Dem kann der Leiharbeitnehmer jedoch widersprechen. Hiermit findet endlich die Festlegung einer Rechtsfolge für den nicht nur vorübergehenden Einsatz von Leiharbeitnehmern statt. Mit der Einführung eines Widerspruchrechts der Arbeitnehmer wird ferner ein neue Rechtsfigur geschaffen, um den Eingriff in die Vertragsfreiheit der Beteiligten abzumildern.

Im Übrigen dürfte die Mehrheit der Einsätze von Leiharbeitnehmern von der Höchstüberlassungsdauer überhaupt nicht betroffen sein, liegen sie durchschnittlich doch weit unter 18 Monaten. Die Höchstüberlassungsdauer knüpft ferner nicht – wie vielfach gefordert – an die besetze Stelle beim Entleiher, sondern an den konkreten Einsatz an. Damit können Unternehmen Leiharbeitnehmer weiter kontinuierlich einsetzen, sofern ein regelmäßiger Austausch vor Ablauf der Höchstüberlassungsdauer erfolgt. Es bleibt fraglich, ob die Vorgabe des Koalitionsvertrags, Leiharbeit wieder „auf ihre Kernfunktion hin“ zu orientieren, damit erfüllt ist.

2.             Equal Pay

Bereits nach neun Monaten hat ein Leiharbeitnehmer das gleiche Entgelt zu erhalten wie ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer im Einsatzbetrieb. Soweit jedoch ein Tarifvertrag Lohnaufstockungen bereits vor neun Monaten vorsieht, soll der Anspruch auf Equal Pay erst nach einer Einsatzdauer von zwölf Monaten bestehen. Hierdurch erfolgt bereits eine stufenweise Heranführung an Equal Pay, was den Tarifvertragsparteien weiteren Gestaltungsspielraum eröffnet.

Das System der schrittweise Anpassung von Rechten des Leiharbeitnehmers ist sicherlich nicht neu. Ob die Regelung in ihrer Absolutheit die gewünschten Zwecke erreichen oder doch eher einen Anreiz bilden wird, Leiharbeitnehmer bereits nach Ablauf von acht Monaten auszutauschen, wird sich zeigen. In Kombination mit der Höchstüberlassungsdauer bestehen für Unternehmen jedenfalls erhebliche Beschränkungen, die auch auf europarechtliche Bedenken stoßen.

3.             Beteiligungsrechte des Betriebsrats

Betriebsräte sind künftig über „den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben“ von Beschäftigten zu informieren, die über einen Werkvertrag in einem Betrieb eingesetzt werden. Darüber hinaus darf der Betriebsrat Einsicht in die zugrunde liegenden Verträge nehmen. Weitergehende Mitwirkungsrechte sind nicht geplant. Insbesondere steht dem Betriebsrat kein Recht zu, den Abschluss von Werkverträgen zu verhindern.

Was an dieser Stelle Transparenz schaffen soll, wird letztlich nicht nur für höheren Aufwand, sondern auch für erhöhtes Konfliktpotential sorgen. Ob Reinigungsservice, Kantinenbetrieb oder Wachdienst – an wen und zu welchen Bedingungen Aufgaben fremdvergeben werden, ist Bestandteil der unternehmerischen Freiheit. Die Information des Betriebsrats wird dabei mehr Unfrieden säen als echten Schutz der Belegschaft entfalten.

Angetrieben durch das jüngste Beispiel Porsche ist ferner nicht auszuschließen, dass Betriebsräte künftig noch mehr verlangen und auf echten Eingriffsmöglichkeiten beharren werden.

4.             Einführung fester Abgrenzungskriterien für Werkverträge

Die Abgrenzung eines Werkvertrags von einem Arbeitsvertrag erfolgt seit jeher auf Basis einer wertenden Gesamtbetrachtung. Die hierbei in der Rechtsprechung entwickelten Indizien und Kriterien werden nun gesetzlich festgeschrieben. Dies soll insbesondere den Kontrollbehörden helfen, Missbrauchsfälle - wie z. B. teilweise in der Fleischereiindustrie - leichter aufzudecken.

Künftig soll gegen ein Werkvertrag sprechen, wenn ein Beschäftigter

1)    nicht frei darin ist, seine Arbeitszeit oder die geschuldete Leistung zu gestalten oder seinen Arbeitsort zu bestimmen

2)    die geschuldete Leistung überwiegend in Räumen eines anderen erbringt

3)    zur Erbringung der geschuldeten Leistung regelmäßig Mittel eines anderen nutzt

4)    die geschuldete Leistung in Zusammenarbeit mit Personen erbringt, die von einem anderen eingesetzt oder beauftragt sind

5)    ausschließlich oder überwiegend für einen anderen tätig ist

6)    keine eigene betriebliche Organisation unterhält, um die geschuldete Leistung zu erbringen

7)    Leistungen erbringt, die nicht auf die Herstellung oder Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses oder eines bestimmten Arbeitserfolges gerichtet sind

8)    für das Ergebnis seiner Tätigkeit keine Gewähr bietet.

Die Regelung erweckt den Eindruck einer leichteren oder klareren Abgrenzung. Tatsächlich besteht dadurch aber eine noch viel größere Anfälligkeit für Fehlbeurteilungen. Viele der Kriterien werden ferner legitim als Werkvertrag ausgestaltete Vertragsbeziehungen erfassen. Man denke nur an einen IT-Dienstleister, der vor Ort mit dem System des Auftraggebers arbeiten muss, da andernfalls sein Arbeitsprodukt nicht verwertbar ist.

Zum Teil 2 des Artikels

Arbeitsrecht

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