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Transaktionen in Zeiten von Corona: Die Wiederkehr der MAC-Klausel?

09.03.2020

Die sich ausweitende Corona (Covid-19)-Krise könnte auf einem sehr verkäuferfreundlichen M&A-Markt durchaus eine Trendwende einleiten. Neben einem Rückgang von bestimmten Transaktionen könnten Käufer insbesondere die Wiederkehr der MAC-Klausel fordern – d. h. das Recht auf Rücktritt von einer vereinbarten Transaktion im Falle einer wesentlichen nachteiligen Veränderung (Material Adverse Change – MAC) der Geschäfte oder der finanziellen Lage der Zielgesellschaft. Die Käufer beriefen sich in Deutschland z. B. nach dem Platzen der Dotcom-Blase Anfang der 2000-er Jahre und während der Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 auf MAC-Klauseln. Wenngleich MAC-Klauseln auf dem US-Markt stets üblicher waren, waren Käufer in den letzten Jahren hinsichtlich der Einbeziehung von MAC-Klauseln in die Transaktionsverträge häufig weniger erfolgreich. Dies trifft insbesondere für wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren zu, da vertragliche Unklarheiten in der finalen Angebotsdokumentation hier nicht zulässig sind. MAC-Klauseln konnten – wenn überhaupt – lediglich in M&A-Restrukturierungsdeals oder Distressed M&A-Deals vereinbart werden, bei denen es dem Verkäufer auf einen kurzfristigen Verkauf an einen bestimmten Käufer ankommt.

Mit dem Aufkommen der aktuellen Corona-Krise könnte die MAC-Klausel jedoch ein starkes Comeback erleben. Vor dem Hintergrund der ersten negativen wirtschaftlichen Auswirkungen des sich rasch ausbreitenden Virus (so sehen sich beispielsweise viele deutsche Unternehmen mit einer Unterbrechung ihrer Lieferketten konfrontiert, insbesondere solche Unternehmen, die in Asien produzieren oder aus Asien beliefert werden, und Unternehmen der Reise- und Freizeitbranche berichten von erheblichen Umsatzeinbußen aufgrund von abgesagten Veranstaltungen, Reisebeschränkungen oder einfach nur allgemein zurückgehender Reisen und Unterhaltung) könnten sich die Käufer zunehmend veranlasst sehen, in Transaktionsverträgen MAC-Klauseln auszuhandeln, um eine (zusätzliche) Option zu haben, von einem Deal zurückzutreten oder zumindest den Kaufpreis zu reduzieren. Häufig legen die Parteien im Rahmen von Verhandlungen das MAC-Ereignis durch die Vereinbarung quantitativer Hürden fest, z. B. eine Umsatzunterschreitung um 20 % oder mehr im Vergleich zum Businessplan in einem bestimmten Zeitraum. Insbesondere bei Locked-Box-Deals (d. h. Transaktionen mit einem wirtschaftlichen Stichtag vor Unterzeichnung) könnte das Fehlen einer „wesentlichen nachteiligen Veränderung“ ab dem Locked Box-Stichtag Bestandteil der üblichen Geschäftsgarantie sein. Die Nichtverletzung einer solchen Garantie wäre darüber hinaus eine Bedingung für den Vollzug.

Ob eine MAC-Klausel selbst unter den potenziell dramatischen Umständen der Corona-Krise ausgelöst werden kann, hängt jedoch von der konkreten Ausformulierung der betreffenden MAC-Klausel ab. Beispielsweise wird eine MAC-Klausel häufig eine Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen oder der allgemeinen wirtschaftlichen Bedingungen der Branche, in der die Zielgesellschaft tätig ist, von der Definition der „wesentlichen nachteiligen Veränderung“ ausklammern. In einem solchen Fall müsste ein Käufer nachweisen, dass der Ausbruch (und/oder die zunehmende Verbreitung) von Covid-19 nur zu einer wesentlich nachteiligen Veränderung für das Geschäft der Zielgesellschaft geführt hat, nicht aber zu einer wesentlichen nachteiligen Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im allgemeinen oder zumindest der Branche der Zielgesellschaft. Es kann außerdem schwierig sein nachzuweisen, dass sich die Geschäfte der Zielgesellschaft aufgrund von bereits bei Unterzeichnung wegen der Covid-19-Krise bestehenden ungünstigen Geschäftsbedingungen noch weiter verschlechtert haben, sodass insoweit bei Vollzug der Transaktion von einer wesentlichen nachteiligen Veränderung des Geschäftsbetriebs ausgegangen werden kann.

Selbst wenn eine MAC-Klausel keine konkrete Definition der „erheblichen nachteiligen Veränderung“ vorsieht, muss die Partei, die sich auf die Klausel berufen will, eine unvorhergesehene nachteilige Änderung nachweisen, die wesentlich ist. Die Gerichte in den USA haben entschieden, dass widrige Umstände nur dann als erhebliche nachteilige Veränderung anzusehen sind, wenn sie „aus der längerfristigen Perspektive eines vernünftigen Erwerbers, die sich nach Jahren bemisst, wesentlich sind“(Akorn, Inc. gegen Fresenius Kabi AG, C.A. Nr. 2018-0300-JTL (del. Ch. 1. Oktober 2018) p 130). Derzeit ist noch unklar, ob auch nach deutschem Recht eine solche langfristige Betrachtung erforderlich wäre, soweit es darum geht zu bestimmen, ob ein Ereignis im Rahmen einer nicht näher konkretisierten MAC-Klausel als wesentlich nachteilige Veränderung anzusehen ist.

Vor dem Hintergrund des Risikos, dass die Transaktion nicht abgeschlossen wird, da sich der Käufer auf die MAC-Klausel beruft, die sich auf die Verbreitung von CovidD-19 stützt, was möglicherweise langwierige Gerichts-/ Schiedsverfahren nach sich ziehen würde (während gleichzeitig der Unternehmenswert der Zielgesellschaft sinken könnte) sowie des Risikos, Verhandlungen über eine Kaufpreisminderung aufnehmen zu müssen, sollten Verkäufer versuchen, Käufer von der Aufnahme von MAC-Klauseln abzubringen. Sofern eine MAC-Klausel aufgenommen werden muss, sollte diese auf die betreffende Gesellschaft zugeschnitten sein und nachteilige Veränderungen der allgemeinen Markt- und Branchenbedingungen ausgeschlossen werden.

In Verträgen, die deutschem Recht unterliegen und keine konkrete MAC-Klausel enthalten, könnten Käufer außerdem versuchen, sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu berufen, um sich damit aufgrund des Covid-19-Ausbruchs von ihren vertraglichen Verpflichtungen zu lösen. Die Erfolgsaussichten dieser Einrede hängen vom konkreten Einzelfall ab. Dabei ist zu beachten, dass die Gerichte sehr hohe Anforderungen an eine Änderung der Vertragsbedingungen und noch höhere Anforderungen an ein Rücktrittsrecht stellen.