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Anspruch auf Abschluss des Konzessions­vertrages ohne Wieder­holung des Konzessions­verfahrens

24.08.2021

Sachverhalt

Der BGH hatte über die Revision der GASAG AG („GASAG“) und NBB Netzgesellschaft Berlin-Brandenburg GmbH & Co. KG („NBB“) betreffend die Gaskonzessionsvergabe des Landes Berlin zu entscheiden. Bereits 2014 hatte das Land Berlin entschieden, die Gaskonzession an seinen eigenen Landesbetrieb Berlin Energie („Landesbetrieb“) zu vergeben. Zwar wurde dem Land Berlin durch landgerichtliche Entscheidung untersagt, die Konzession an den Landesbetrieb zu vergeben. Allerdings gaben weder das Landgericht Berlin noch im Rahmen der Berufung das Kammergericht dem Antrag der NBB und GASAG statt, diesen den Zuschlag zu erteilen.

Der BGH verurteilte am 09.03.2021 schließlich das Land Berlin dazu, das Angebot der NBB für einen Gaskonzessionsvertrag anzunehmen. Die BGH-Entscheidung schloss damit das Verfahren zur Vergabe der Berliner Gaskonzession ohne Wiederholung des Verfahrens ab, obwohl das Konzessionierungsverfahren zahlreiche Fehler enthielt. Sie enthält überdies zahlreiche für die Konzessionspraxis relevante Feststellungen.

Alle 20 Jahre Wettbewerb um das Netz und Neuvergabe der Konzession auch bei Beteiligung von Eigenbetrieben

Gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 und Abs. 2 EnWG sind Gemeinden als marktbeherrschende Anbieter von Wegenutzungsrechten verpflichtet, den Wettbewerb um das Netz jedenfalls alle 20 Jahre rechtzeitig zu eröffnen. Nach transparenter, diskriminierungsfreier und damit ordnungsgemäßer Durchführung des Konzessionierungsverfahrens müssen die Gemeinden dann eine Entscheidung über die Konzessionsvergabe treffen. Die Auswahlentscheidung muss dabei in einem unverfälschten Wettbewerb nach sachlichen Kriterien zugunsten desjenigen Bewerbers erfolgen, dessen Angebot den Auswahlkriterien am besten entspricht.

Diese Grundsätze gelten in gleichem Maße, wenn sich ein Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft an dem Konzessionsverfahren beteiligt.

Alle Bewerber um den Konzessionsvertrag, d. h. auch der Eigenbetrieb oder die Eigengesellschaft, müssen die Anforderungen zur Eignung, wie z. B. den geforderten Nachweis einer gesicherten Finanzierung, erbringen. Andernfalls könnte die Gemeinde ihre eigene Bewerbung trotz ungesicherter Finanzierbarkeit des Angebots als Druckmittel gegenüber anderen Bewerbern einsetzen. Dies wäre mit den Geboten der Gleichbehandlung aller Bewerber und der Trennung von Vergabestelle und Wettbewerbsteilnehmer unvereinbar.

Anspruch auf Abschluss des Konzessionsvertrages bei „Verdichtung“ der Auswahlentscheidung zugunsten eines verbliebenen Bewerbers auch bei Fehlern im Verfahren

Die Gemeinden sind indes nicht nur zu einem, zumindest alle 20 Jahre zu eröffnenden Wettbewerb um das Netz verpflichtet, sie müssen vielmehr die Konzession dann tatsächlich neu vergeben. Sie dürfen die Vergabeentscheidung weder aufgeben noch dürfen sie diese auf einen Zeitpunkt hinausschieben, der nicht mehr im Einklang mit ihrer Verpflichtung steht, spätestens nach 20 Jahren eine Neuvergabe der Konzession zu ermöglichen. Das Konzessionierungsverfahren darf mithin nicht durch Aufhebung oder teilweise Zurückversetzung in die Länge gezogen werden.

Hieraus leitet sich nach Auffassung des BGH zugleich ein subjektives Recht der Bewerber darauf ab, dass die Gemeinde nach ordnungsgemäßer und fehlerfreier Durchführung des Verfahrens auch tatsächlich eine Vergabeentscheidung trifft. Wenn die Gemeinde bei der Vergabe der Konzession für ein Strom- oder Gasnetz die Vergabekriterien materiell und formell rechtmäßig bestimmt und ordnungsgemäß bekannt gegeben hat, ist demjenigen Bewerber, der bei fehlerfreier Anwendung dieser Kriterien durch die Gemeinde das beste Angebot gemacht hat, die Konzession zu erteilen.

Ein Anspruch auf Erteilung der Konzession kann nach Auffassung des BGH aber auch dann bestehen, wenn das Verfahren fehlerhaft ist, d. h. wenn die Gemeinde die Vergabekriterien materiell oder formell nicht rechtmäßig bestimmt, nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben oder nicht fehlerfrei angewendet hat. Voraussetzung ist, dass sich die Auswahlmöglichkeiten der Gemeinde unter den besonderen Umständen des Einzelfalls dahin verdichtet haben, dass trotz des fehlerhaften Verfahrens eine Vergabeentscheidung und die Konzessionserteilung nur zugunsten des einzig verbliebenen Bewerbers ermessensfehlerfrei ist. Dies ist der Fall, wenn allein auf diese Weise das Ziel der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession in einem wettbewerblichen Verfahren zwar nicht vollkommen, aber unter den gegebenen Umständen noch bestmöglich verwirklicht werden kann.

Die Aufhebung oder teilweise Rückversetzung des Verfahrens in ein früheres Stadium soll nur bei Vorliegen eines gewichtigen Grundes in Betracht kommen. Zugleich befreit das Vorliegen eines gewichtigen Grundes die Gemeinde nicht davon, nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob sie das Verfahren aufhebt oder mit dem Ziel der Konzessionsvergabe fortsetzt. Maßgeblich für die im Rahmen des Ermessens zu erfolgende Gesamtwürdigung und Abwägung aller beteiligten Interessen ist, dass das Ziel der regelmäßigen Neuvergabe der Konzession in einem wettbewerblichen Verfahren unter den gegebenen Umständen noch bestmöglich verwirklicht werden kann.

Vollständige Verfahrensaufhebung oder Abschluss mit dem verbliebenen Bewerber bei Vorliegen eines gravierenden Verfahrensfehlers

Grundsätzlich ist bei einem gravierenden Verfahrensfehler das Vergabeverfahren vollständig aufzuheben, um die Einhaltung der Grundsätze der Diskriminierungsfreiheit und Transparenz so gut wie möglich zu gewährleisten. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der Neutralitätsverstoß nachweislich von vornherein keine Auswirkung gehabt hat oder seine Auswirkungen durch andere Maßnahmen beseitigt wurden oder zu beseitigen sind.

Eine vollständige Aufhebung eines laufenden Konzessionsvergabeverfahrens mit unverzüglicher Neuausschreibung kommt aber nach Auffassung des BGH dann nicht in Betracht, wenn sich der Verstoß gegen das Neutralitätsgebot nur zugunsten des Eigenbetriebs und nicht zugunsten eines einzig verbliebenen Bewerbers ausgewirkt hat. Insbesondere ist eine vollständige Verfahrensaufhebung dann nicht geboten, wenn das Angebot des Eigenbetriebs bereits nach den gemeindlichen Vergabebedingungen ohnehin nicht gewertet werden durfte, da dieser die geforderten Nachweise seiner Eignung nicht erbracht hatte.

Ein gravierender Verfahrensfehler liegt z.B. vor, wenn Gemeinden sowohl Vergabestelle als auch Eigenbetrieb derselben Verwaltungseinheit zuordnen bzw. eine Trennung erst erfolgt, nachdem die maßgeblich die Vergabeentscheidung vorprägenden Weichenstellungen (Auswahlkriterien, Verfahrensbeschreibung, Konzessionsvertragsentwurf) getroffen worden sind.

Fazit

Diese Entscheidung reiht sich konsequent in die Rechtsprechung des BGH zu den Vorgaben in Konzessionsverfahren nach §§ 46 ff. EnWG ein, die mit den Entscheidungen Stromnetz Heiligenhafen (BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 65/12) und Stromnetz Berkenthin (BGH, Urt. v. 17.12.2013, KZR 66/12) ihren Anfang genommen haben. Damit betont der BGH erneut die Bedeutung des Wettbewerbs als Maxime für das Konzessionsrecht unabhängig davon, ob sich ein Eigenbetrieb oder ein externes Unternehmen bewirbt.

Der vom BGH den Bewerbern um die Konzession zugesprochene gerichtlich durchsetzbare Anspruch auf eine zügige Durchführung und einen zügigen Abschluss des Konzessionsverfahrens dürfte auch Auswirkungen auf das Präklusionsregime haben. Will die Gemeinde sich nicht dem Vorwurf aussetzen, sie umgehe die maximale 20 Jahresfrist für Konzessionsverträge, wird sie eine Entscheidung über Rügen gegen die Auswahlkriterien nicht erst nach der Auswahlentscheidung treffen können.

 

 

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