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Corona Pandemie und Gewerberaummiete

03.03.2021

Noch immer ist die Corona Pandemie auch in Deutschland allgegenwärtig. Insoweit hat sich seit unserem letzten Beitrag vom 06. Oktober 2020 nichts verändert. Auch im Bereich der Gewerberaummiete gibt es noch immer offene rechtliche Fragen. Es ist weiterhin nicht abschließend geklärt, ob Franchisenehmer und Franchisegeber als Mieter aufgrund der flächendeckenden Schließungsanordnungen infolge der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen ihre Miete entsprechend reduzieren oder gar ganz einbehalten können. Wie uneinheitlich diese Frage von deutschen Gerichten beantwortet wird, zeigen die mehr als zwanzig Gerichtsentscheidungen, die zu dieser Thematik mittlerweile veröffentlicht wurden. Eine abschließende Regelung konnte auch das im Eiltempo vom deutschen Gesetzgeber beschlossene Gesetz, das zum 31. Dezember 2020 in Kraft getreten ist, nicht schaffen. Mit diesem Beitrag gegeben wir einen Überblick zum aktuellen Stand:

Rechtsprechung bis zum 31. Dezember 2020

Behördliche Schließungsanordnungen begründen keinen Mietmangel

Als erstes Gericht ging das LG München I (Urteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20) davon aus, dass die flächendeckenden Schließungsanordnungen infolge des Ausbruchs der Corona Pandemie einen Mangel der Mietsache darstellten und daher der Mieter zur Mietminderung berechtigt sei. Dieser Auffassung folgten zunächst einige Gerichte (u.a. AG Pinneberg , Urteil vom 17.11.2020 – 81 C 18/20; LG Kempten (Allgäu), Urteil vom 07.12.2020 – 23 O 753/20).

Die deutliche Mehrheit der Gerichte verneint demgegenüber das Vorliegen eines Mietmangels (vgl. z.B. LG Mannheim, Urteil vom 23.07.2020 23 – O 22/20, BeckRS 2020, 26351; LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – 5 O 66/20, BeckRS 2020, 19165; LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 07.08.2020 – 2-5 O 160/20; BeckRS 2020, 20149).

Begründet wird dies damit, dass es sich bei den behördlichen Schließungsanordnungen um einen außerhalb der Mietsache liegenden Umstand (wie öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse oder -beschränkungen) handele, der grundsätzlich keinen Mangel darstelle. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn die außerhalb der Mietsache liegenden Umstände unmittelbar auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache beruhen. Dies sei bei den behördlichen Schließungsanordnungen und Nutzungseinschränkungen nicht der Fall, da sie dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren dienen und nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache anknüpfen.

Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage?

Die Mehrheit der Gerichte meint, dass eine Vertragsanpassung mit der Folge einer Mietanpassung allenfalls über die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) erfolgen könne. Danach könne der Mietvertrag nachträgliche angepasst werden, wenn sich die Geschäftsgrundlage des Vertrages aufgrund der behördlichen Schließungsanordnung infolge des Ausbruchs der Corona-Pandemie nachträglich unerwartet geändert habe.

In diesem Zusammenhang wurde zunächst diskutiert, ob die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage überhaupt auf die staatlichen Schutzmaßnahmen infolge der Corona Pandemie angewendet werden können. Teilweise wurde angenommen, dass die bisherigen Regelungen des Gesetzgebers anlässlich der Corona Pandemie (insbesondere die Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1, § 2 EGBGB) eine Sperrwirkung entfalten und die Anwendung der Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage auf derartige Fälle ausschließe (so bspw. LG München II, Urteil vom 06.10.2020 – 13 O 2044/20). Denn die Regelungen sähen u.a. vor, dass die Leistungspflicht des Mieters während der Schließungs- bzw. Nutzungsbeschränkungen nicht entfällt (Art. 240 § 1 Abs. 4 Nr. 1). Sofern der Mieter seiner Leistungspflicht nicht nachkommen könne, sei der Vermieter nur gehindert, das Mietverhältnis zu kündigen (§ 2 EGBGB).

Die Mehrheit der Gerichte verneinte eine nachträgliche Vertragsanpassung nach den Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage (vgl. z.B. LG Mannheim, Urteil vom 23.07.2020 23 – O 22/20, BeckRS 2020, 26351; LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – 5 O 66/20, BeckRS 2020, 19165).

Zur Begründung heißt es, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles – insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung – dem Mieter das Festhalten am unveränderten Vertrag weiterhin zugemutet werden könne. Im Rahmen von Mietverträgen trage grundsätzlich der Mieter das Risiko aller betriebsbezogenen Umstände, also insbesondere das sogenannte Verwendungsrisiko, während den Vermieter die Gebrauchsgewährungspflicht treffe. Diese Risikoverteilung können die Parteien zwar vertraglich ändern oder vereinbaren, dass der Vermieter das Verwendungsrisiko des Mieters – ganz oder zum Teil – übernehme. Eine solche Regelung sähen die meisten der Mietverträge jedoch nicht vor. Auch könne in der Corona Pandemie keine allgemeine Umkehr der Risikoverteilung gesehen werden (vgl. u.a. LG Mannheim, Urteil vom 23.07.2020 – 23O 22/20, BeckRS 2020, 26351).

Die Neuregelung des Gesetzgebers

Mit Wirkung zum 31. Dezember 2020 trat u.a. eine ergänzende Regelung für die Gewerberaummiete in Kraft. Nach dieser Neuregelung wird für die Gewerberaummiete vermutet, dass die staatlich angeordnete Schließung oder Nutzungsbeschränkung der Mietsache eine schwerwiegende Veränderung von Umständen im Sinne der Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage darstellt (§ 313 Abs. 1 BGB iVm Art. 240 § 7 EGBGB). Der Gesetzgeber macht mit der Neuregelung deutlich, dass die Schließungen oder Nutzungsbeschränkungen grundsätzlich eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen. Offen ließ der Gesetzgeber dagegen die entscheidende Frage, ob und welcher Höhe und zugunsten welcher Vertragspartei (Mieter oder Vermieter) eine Vertragsanpassung erfolgen soll. Damit legt der Gesetzgeber diese konkrete Frage weiter in die Hände der Gerichte.

Auswirkungen der Neuregelung

Seit dem 31. Dezember 2020 sind weitere Gerichtsentscheidungen ergangen (z.B. LG München I, Urteil vom 25.01.2021 –  31 O 7743/20; LG München II, Urteil vom 28.01.2021 1 – O 2773/20; LG München I, Urteil vom 12.02.2021 – 31 O 11516/20, BeckRS 2021, 1762). Alle Entscheidungen haben zwar eine Störung der Geschäftsgrundlage bejaht, jedoch eine nachträgliche Vertragsanpassung zugunsten des Mieters abgelehnt, mit der Folge, dass das Kostenrisiko allein dem Mieter auferlegt wurde.

Hinzuweisen ist unter anderen auf die Entscheidungen des LG München I (Urteil vom 12.02.2021, Az. 31 O 11516/20). Diese Entscheidung erhielt nicht nur wegen des sehr hohen Streitwertes von über EUR 1 Mio. in der deutschen Presse viel Aufmerksamkeit (vgl. u.a. FAZ), sondern auch, weil ein Mietvertrag über ein Mietobjekt, indem eine große deutsche Modekette ein Einzelhandelsgeschäft betreibt, der Entscheidung zugrunde lag. Der Mieter hatte für den Monat April 2020 keine Miete bezahlt. Für den Zeitraum April sahen die Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen Öffnungsverbote für den Einzelhandel vor. Nach Auffassung des LG München I stand dem Vermieter gegen den Mieter jedoch ein Anspruch auf Zahlung der vollen Miete für April 2020 zu.

Zunächst verneinte das LG München I diesmal das Vorliegen eines Mietmangels. Die coronabedingten Schließungsmaßnahmen hätten ihre Ursache weder im Zustand noch in der Beschaffenheit des streitgegenständlichen Mietobjekts. Sie fänden ihre Ursache allein darin, dass Mitarbeiter und Kunden zur weiteren Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus beitragen könnten. Im nächsten Schritt bejahte das LG München I aufgrund der coronabedingten staatlichen Schließungsanordnungen eine Störung der Geschäftsgrundlage. Eine Vertragsanpassung schloss das LG München I jedoch in dem zu entscheidenden Einzelfall aus. Zur Begründung verweist das LG München I auf vorgelegte Zahlen zum Umsatz und zur wirtschaftlichen Lage des Mieters. Diese würden eine Herabsetzung der Miete nicht rechtfertigen. Im Gegenteil: Die Ergebnisse aus den vorangegangenen drei Geschäftsjahren hätten gezeigt, dass es dem Mieter zumutbar gewesen wäre, eine Rücklage in Höhe einer Monatsmiete zu bilden.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der aktuellen Presse ist zudem zu entnehmen, dass offenbar das Oberlandesgericht Dresden in einem Urteil vom 24. Februar 2021 – 5 U 1782/20 die Notwendigkeit der Anpassung einer Gewerbemiete bei Lockdown-Schließungen bejaht. Eine einheitliche Linie der Gerichte ist somit noch nicht erkennbar.

Fazit

Es bleibt daher abzuwarten, wie die Instanzgerichte – Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof – sich weiter zu der Frage positionieren. Gut ist, dass der Gesetzgeber ein Gesetz erlassen hat, wonach Verfahren wegen Mietzahlungsansprüchen im Bereich der Gewerberaummiete, die im Zusammenhang mit den staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona Pandemie stehen, von den Gerichten beschleunigt bearbeitet werden müssen (§ 44 EGZPO). In der Praxis empfiehlt sich aufgrund der unklaren Rechtslage, von vornherein einen Vergleich suchen.

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