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Coronavirus erreicht den Finanzsektor

03.04.2020

***** Update vom 03.04.2020: Zusätzliche Maßnahmen angesichts der Herausforderung der Corona-Pandemie *****

Die um sich greifende Corona-Pandemie hat die nationalen und europäischen Finanzaufsichtsbehörden bereits in den vergangenen Wochen zu weitreichenden Maßnahmen gegenüber Banken und Finanzdienstleistern veranlasst (siehe unsere Newsletter vom 24.03.2020, 20.03.2020 und 18.03.2020). Angesichts der massiven Auswirkungen der Corona-Krise haben die Finanzaufsichtsbehörden weitergehende Schritte unternommen, um Institute zu entlasten bzw. Unklarheiten bei der Anwendung aufsichtsrechtlicher Anforderungen durch Verlautbarungen zu verringern. Übergeordnete Ziele bleiben dabei die Stabilität des Finanzsektors sowie die kontinuierliche Versorgung der Realwirtschaft mit Finanzdienstleistungen. Insbesondere werden Kapitalvorschriften gelockert und organisatorische Erleichterungen gewährt. Freilich werfen manche Maßnahmen ihrerseits Fragen für die Institute auf, bspw. im Hinblick auf rechtlich zumindest fragwürdige Empfehlungen zur Dividendenpolitik der Institute. Insofern ist damit zu rechnen, dass weitere Schritte der Aufsichtsbehörden oder gar des Gesetzgebers nicht lange auf sich warten lassen. Im Folgenden wird ein Überblick zu den kürzlich ergriffenen Maßnahmen gegeben: 

Basel III-Standards

Das Lenkungsgremium des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (BCBS) hat durch die Gruppe der Zentralbankpräsidenten und Leiter der Bankenaufsichtsinstanzen (GHoS) am 27.03.2020 beschlossen, den Zeitplan der Implementierung des Basel III-Finalisierungspaketes zu verlängern. Das finale Umsetzungsdatum, zu dem die BCBS-Mitglieder die Basel-III-Standards nun vollständig umsetzen müssen, wurde dabei um ein Jahr auf den 01.01.2023 verschoben. Die Übergangsfristen für den Output-Floor gelten nun bis zum 01.01.2028. Neues finales Umsetzungsdatum für das Rahmenwerk über Marktrisiken (Market-Risk Framework) und die Säule-3-Offenlegungspfichten (Pillar-3-disclosure requirements) ist jeweils der 01.01.2023.

Bilanzierung von Ausfallrisiken und Relevanz von Schuldenmoratorien

In einem Public Statement hat die ESMA dargelegt, wie Emittenten in ihren Abschlüssen nach IFRS 9 (International Financial Reporting Standards) Kreditverluste (Expected Credit Losses) kalkulieren sollen, die sie ggf. aufgrund eines durch die Corona-Krise erhöhten Ausfallrisikos ihrer Schuldner erwarten. Die ESMA bezieht sich dabei auch auf bilanzielle Effekte von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen.

In diesem Zusammenhang hat auch die EBA klargestellt, dass die generelle Stundung von Krediten durch ein Schuldenmoratorium nicht automatisch dazu führt, dass für einen betroffenen Kredit der Schuldner als ausgefallen einzustufen ist oder dass das Kreditrisiko auch nur signifikant erhöht wäre. Ein Institut soll vielmehr für den einzelnen Kreditnehmer beurteilen müssen, ob es wahrscheinlich ist, dass er seine gestundeten Verbindlichkeiten vollständig begleichen kann. In Bezug auf IFRS 9 sollen die Institute dabei zwischen Kreditnehmern unterscheiden, deren Bonität von der Corona-Krise langfristig nicht beeinträchtigt sein dürfte, und solchen, die ihre Kreditwürdigkeit wahrscheinlich nicht wiederherstellen können.

Hinsichtlich des fachlichen Hinweises des IDW zu Wertminderungen von Finanzinstrumenten nach IFRS 9 im Quartalsabschluss von Banken teilen BaFin und Deutsche Bundesbank die Auffassung des IDW, dass die aktuelle Corona-Situation nicht zu einem undifferenzierten, automatischen Transfer von Finanzinstrumenten von der Stufe 1 in die Stufe 2 bzw. Stufe 3 führt. Angesichts der umfangreichen staatlichen Stützungsmaßnahmen für die Unternehmen der Realwirtschaft sei, so die BaFin in ihren Covid-19-Q&A, ein solcher Automatismus aktuell nicht gerechtfertigt.

Inländischer antizyklischer Kapitalpuffer

Mit Wirkung zum 01.04.2020 hat die BaFin per Allgemeinverfügung wie erwartet die Quote für den inländischen antizyklischen Kapitalpuffer auf 0 Prozent des nach Art. 92 Abs. 3 CRR ermittelten Gesamtforderungsbetrags herabgesetzt (vgl. dazu bereits unser Update vom 20.03.2020). Voraussichtlich ist dabei nicht vor dem 1. Januar 2021 mit einer möglichen Erhöhung des inländischen antizyklischen Kapitalpuffers zu rechnen.

Dividendenzahlungen

Die Finanzaufsichtsbehörden bekräftigen ihre Auffassung, dass Banken angesichts der Corona-Krise keine Dividenden und Gewinne ausschütten sollten: Die EZB hat am 27.03. 2020 die bedeutenden Institute (Significant Institutions, SIs) im Rahmen einer „Empfehlung“ dazu aufgefordert, bis mindestens Oktober 2020 keine Dividenden auszuzahlen. Auch die BaFin erwartet, dass die von ihr direkt beaufsichtigten Institute (Less Significant Institutions, LSIs) bis mindestens Oktober 2020 keine Dividenden zahlen oder Gewinne ausschütten. Banken hätten eine zentrale Aufgabe bei der Bewältigung der Corona-Krise, der sie nur nachkommen könnten, wenn sie gut kapitalisiert seien und die durch das umfangreiche Maßnahmenpaket der Bundesregierung und die aufsichtlichen Anpassungen erlangten Freiräume nicht für die Zahlung von Dividenden nutzten. Vielmehr solle das zur Verfügung stehende Kapital im Bankensektor belassen werden, um die Institute krisenfester zu machen und die Vergabe von Krediten an die Realwirtschaft zu unterstützen. Diese grundsätzliche Einschätzung teilt auch die EBA. Freilich sind Einzelheiten weiterhin unklar. So hat die Bundesbank zu erkennen gegeben, dass die Dividendenbeschränkungen nicht für Ausschüttungen innerhalb eines Bankkonzerns oder eines Verbundes gelten sollen. Ohnehin sind die bisherigen Verlautbarungen zu Erwartungen der Aufsichtsbehörden bislang rechtlich nicht verbindlich, auch wenn sie faktisch natürlich große Wirkkraft entfalten. 

Systemkritische Bankmitarbeiter

Nach Ansicht des Finanzstabilitätsrats (FSB) müssen sich für einige kritische Funktionen zumindest eine begrenzte Zahl wichtiger Mitarbeiter vor Ort befinden. Diese Mitarbeiter seien als für den Unterhalt der für das Finanzsystem kritischen Infrastruktur unerlässliches Personal anzuerkennen. Dies soll etwa für die Filialbesetzung gelten, aber auch für bestimmte Dienstleistungen, die ein Kunde elektronisch abruft. Sofern behördliche Abstandsregelungen bestehen, müssten die Unternehmen über geeignete Pläne verfügen, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten und die Arbeit aus dem Home Office zu erleichtern. Die BaFin teilt diese Einschätzung des FSB.

Wertpapier- und Marktaufsicht

Die Wertpapieraufseher haben sich weltweit auf ein koordiniertes Vorgehen verständigt, um die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Finanzmärkte einzudämmen. Für die Zwecke der europäischen Wertpapier- und Marktaufsicht hat die ESMA dabei zwischenzeitlich weitere Maßnahmen ergriffen bzw. Klarstellungen vorgenommen:

  • Meldepflichten nach MAR

    Die BaFin betont, dass Meldepflichtige nach Art. 16 Abs. 1 und 2 MAR auch unter den geänderten Arbeits- und Rahmenbedingungen über geeignete Systeme und Prozesse zur Marktmissbrauchsüberwachung verfügen müssen, um verdächtige Aufträge und Geschäfte zu identifizieren und der BaFin zu übermitteln. Verdachtsmeldungen haben dabei in angemessener Zeit zu erfolgen, wobei die aktuellen Herausforderungen der Corona-Krise sowie die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden dürfen. Aufgrund der aktuell sehr volatilen Märkte und der starken Umsätze geht die BaFin davon aus, dass systemseitig bei den Meldepflichtigen eine hohe Zahl von Alarmen aufkommt. Bei der Beurteilung, ob diese Alarme tatsächlich auf verdächtige Aufträge bzw. Geschäfte zurückgehen, seien im Rahmen der manuellen Überprüfung die aktuell besonderen Marktbedingungen zu berücksichtigen.
  • Finanzberichte

    Die nationalen Aufsichtsbehörden (NCAs) sollen Emittenten, die ihre Finanzberichte nach der Transparenzrichtlinie zu veröffentlichen haben, bei einer verspäteten Pflichterfüllung wegen der Corona-Pandemie kurzzeitig nicht verfolgen. Mit dieser Erklärung trägt die ESMA möglichen Schwierigkeiten bei der Erfüllung der Finanzberichterstattung wegen der Corona-Pandemie Rechnung. Indes betont die ESMA gleichzeitig, wie bedeutend rechtzeitige und transparente Finanzberichte seien und weist darauf hin, dass die Emittenten ihre Anleger über die Dauer möglicher Verzögerungen zu informieren haben.
  • Backloading

    Die ESMA hat klargestellt, dass NCAs Meldepflichten für das Backloading (d. h. die Meldung von Wertpapierfinanzierungsgeschäften, die Marktteilnehmer eingegangen sind, bevor Meldepflichten in Kraft traten) nicht prioritär überwachen sollen. Eine entsprechende Regelung gilt bereits für Wertpapierfinanzierungsgeschäfte, die Marktteilnehmer zwischen dem 13. April 2020 und dem 13. Juli 2020 schließen. Auch insofern sollen NCAs Meldepflichten nicht prioritär überwachen.
  • Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte

    Die ESMA verlängert die Bewerbungsfrist zur Mitarbeit in ihrer Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärktet (Securities and Markets Stakeholder Group) bis zum 09.04.2020. Hierdurch sollen Interessierte angesichts der Auswirkungen der Corona-Krise mehr Zeit für eine Bewerbung haben.

 

***** Update vom 24.03.2020 *****

 

Bereits kurz nach den ersten Anzeichen der Corona-Krise sind Finanzaufsichtsbehörden sowohl auf nationaler als auch EU-Ebene aktiv geworden (siehe unsere Newsletter vom 18.03.2020 sowie das Update vom 20.03.2020). Der Verlauf der Pandemie zeigt jedoch, dass damit die Herausforderungen für die Finanzinstitute noch nicht bewältigt werden, sondern dass es weiterer Maßnahmen bzw. Klärungen bedarf. Die Finanzaufsichtsbehörden sind sich dessen offenkundig durchaus bewusst und haben mit diversen Verlautbarungen besonders drängendem Klärungsbedarf Rechnung getragen.

Hervorzuheben sind insoweit insbesondere die auf der BaFin-Website veröffentlichten FAQ zu diversen Corona-Themen, die regelmäßig aktualisiert und erweitert werden sollen. Teilweise werden dort bereits bekannte Stellungnahmen zusammengefasst, teilweise finden sich jedoch auch neue Hinweise. So wird beispielsweise klargestellt, dass für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit i.S.v. § 18 KWG die Analyse des letzten verfügbaren Jahresabschlusses ausreichend ist und dass für die Bewertung der Kapitaldienstfähigkeit eine ganzjährige Liquiditätsbetrachtung des Kreditnehmers aus der Vergangenheit herangezogen werden kann. Auch wenn mit diesen und ähnlichen Hinweisen die Geltung der aufsichtsrechtlichen Vorschriften nicht aufgehoben wird, sollten sie den Instituten doch dabei helfen, den bereits eingesetzten und sich vermutlich weiter steigernden Ansturm bei den Kreditanträgen in pragmatischer Weise zu bewältigen.

Ferner wurden zwischenzeitlich die folgenden weiteren Maßnahmen ergriffen:

  • Die BaFin weist in einer Mitteilung vom 19.03.2020 noch einmal darauf hin, dass alle Finanzmarktteilnehmer, inklusive Finanzmarktinfrastrukturen, bereit sein sollen, ihre Notfallpläne und -maßnahmen einzusetzen, um Betriebskontinuität im Einklang mit den gesetzlichen Verpflichtungen zu gewährleisten. Für Emittenten gilt, dass diese unverzüglich ihren Pflichten nach der Marktmissbrauchsverordnung nachzukommen haben und alle relevanten Informationen über die Auswirkungen des Coronavirus veröffentlichen müssen. Die tatsächlichen und potentiellen Folgen des Coronavirus sind dabei auch in den Finanzberichten für das Jahr 2019 abzubilden, sofern diese noch nicht veröffentlicht sind. Andernfalls hat eine Abbildung in den Zwischenberichten zu erfolgen.

  • Nachdem die ESMA mit Verlautbarung vom 18.03.2020 bereits erklärte, dass im Lichte der Corona-Krise bestimmte Erleichterungen im Zusammenhang mit Berichtspflichten greifen können, hat sie am 20.03.2020 eine Mitteilung zur Anwendung der MiFID II-Regelung auf die Aufzeichnung der Telekommunikation veröffentlicht. In dieser Mitteilung erinnert die ESMA die Institute an die Erfüllung der regulatorischen Anforderungen nach MiFID II. Allerdings wird konzediert, dass es außerordentliche Umstände geben könne, in denen die aufsichtsrechtlich geforderte Aufzeichnung von Gesprächen nicht praktikabel sei. In solchen Konstellationen werde jedoch von den Instituten erwartet, sich alternative Schritte zu überlegen, um den Risiken aus unterbliebenen Aufzeichnungen zu begegnen. Dabei könne es sich freilich nur um eine zeitweise Übergangsregelung handeln, da die Institute nach besten Kräften darauf hinzuwirken hätten, die Aufzeichnung der Gespräche wie regulatorisch gefordert zu gewährleisten.

  • Die BaFin hat zur Mitteilung der ESMA klargestellt, dass sie keinen Dispens von der Einhaltung der Verhaltensregeln erteilt, aber ihr Ermessen im Fall von Verstößen angesichts der Corona-Umstände auch unter Berücksichtigung geeigneter Ersatzmaßnahmen der Institute ausüben wird.

  • Der Finanzstabilitätsrat FSB hat die Aufsichtsbehörden und die Finanzinstitute am 20.03.2020 aufgefordert, die im Rahmen der bestehenden internationalen Standards vorgesehene Flexibilität zu nutzen, um Marktteilnehmern auch in Zeiten der Corona-Pandemie weiterhin Zugang zu Finanzmitteln zu gewähren.

  • EIOPA hat am 20.03.2020 Empfehlungen zur operativen Entzerrung des Berichtswesens veröffentlicht, an deren Ausarbeitung die BaFin intensiv beteiligt war und die dementsprechend von ihr befürwortet werden.

  • Der BCBS hat in einer Mitteilung vom 20.03.2020 erklärt, alle politischen Initiativen vorerst auszusetzen, ebenso wie alle geplanten Bewertungen von Aufsichtsregimen der Mitgliedsländer, die er sich 2020 im Rahmen seines Programms zur Bewertung der regulatorischen Kohärenz anschauen wollte.

  • Zum 20.03.2020 hat die EZB ihre angekündigten Kapitalentlastungsmaßnahmen im Umfang von EUR 120 Mrd. in Kraft gesetzt, die es Banken erlauben, Kredite in Höhe von EUR 1,8 Billionen zu refinanzieren.

  • Die ESMA hat in einer Meldung vom 20.03.2020 verlautbaren lassen, dass sie von den nationalen Aufsichtsbehörden erwartet, für Aufsichtsmaßnahmen zum neuen Tick-Größen-Regime (Mindestpreisabstände beim Handel mit Aktien, aktienvertretenden Zertifikaten und ETFs) für systematische Internalisierer zwischen dem Geltungsbeginn am 26. März und dem 26. Juni 2020 nicht zu priorisieren.

  • Der EU-weite Stresstest wird auf 2021 verschoben (vgl. dazu schon unsere News vom 18.03.2020), wobei die EBA in diesem Jahr indes eine zusätzliche EU-weite Transparenzübung plant.

 

***** Update vom 20.03.2020 *****

 

Die Ausbreitung des Coronavirus wirkt sich bereits auf die verschiedensten Lebensbereiche und Branchen aus. Auch für den Finanzsektor sind erhebliche Auswirkungen der Corona-Krise jedenfalls nicht auszuschließen, wie bspw. der deutliche Preisverfall an den internationalen Finanzmärkten nachdrücklich aufzeigt. Damit müssen sich Finanzinstitute mit der Frage auseinandersetzen, wie eine Zuspitzung der Corona-Krise ihr Geschäft beeinflussen könnte und wie sie darauf reagieren sollten. Zwar hängen die gebotenen Maßnahmen von der individuellen Situation der Institute ab, doch lassen sich einige Leitplanken feststellen, die bei der Identifizierung konkreter Vorgaben unterstützen können.

Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ist „Chefsache“

Die gegenwärtigen Entwicklungen stellen insbesondere eine Herausforderung für die Geschäftsorganisation von Instituten dar. Die betreffenden gesetzlichen Vorgaben verweisen zwar nicht explizit auf eine Pandemie, doch bestehen allgemeine Vorgaben, auf deren Grundlage die Aufsichtsbehörden bereits tätig geworden sind. Besondere Bedeutung kommt insoweit der Pflicht der Institute zu, eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sicherzustellen. Dass es sich hierbei um eine ganz fundamentale Aufgabe handelt, wird dadurch deutlich, dass die Verantwortung für ihre Erfüllung den Geschäftsleitern zugewiesen wird (vgl. §§ 25a Abs. 1 S. 2, 25c Abs. 3 und 4a KWG). Somit ist die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation „Chefsache“, so dass die Geschäftsleiter eines Instituts persönlich ihre Aufmerksamkeit auf die Folgen der Corona-Krise für ihr Institut richten sollten. Das bedeutet freilich nicht, dass sich die Geschäftsleiter um sämtliche Einzelheiten persönlich kümmern müssten. Vielmehr haben sie zu prüfen, ob die im Institut etablierten Verfahren, Risikomanagementsysteme und die grundsätzliche Ausrichtung des Instituts den Herausforderungen der Corona-Krise gerecht werden.

Prüfung und Aktivierung von Notfallplänen

In einer Krisensituation wie der Corona-Welle ist es für Institute von besonderer Bedeutung, wohl überlegte Maßnahmen zu treffen, die die reibungslose Fortführung der Geschäftsaktivitäten gewährleisten und damit Schaden vom Institut und seinen Kunden abwehren. Hierbei werden viele Institute auf ihre ohnehin bestehenden Notfallpläne zurückgreifen können, die Bestandteil einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation sind (vgl. §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 5, 25c Abs. 4a Nr. 5 KWG sowie speziell für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Art. 21 Abs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565). Sofern allerdings in diesen Notfallplänen die Situation einer Pandemie nicht oder nicht hinreichend reflektiert sein sollte, müssen die Institute ihre Planungen aktualisieren und angemessene Vorkehrungen für negative Auswirkungen treffen, die die Corona-Krise für den weiteren ordnungsgemäßen Betrieb des betreffenden Instituts nach sich ziehen kann. Für bedeutende Institute hat dies die EZB in einem Schreiben bereits angemahnt. Angesichts der ggf. weitreichenden Auswirkungen haben die Aufsichtsbehörden zudem damit begonnen, sich mit Instituten über ihre Notfallpläne auszutauschen und, dem Vernehmen nach, auch stichprobenartige Prüfungen vorzunehmen.

Welche konkreten Maßnahmen die Notfallpläne im Einzelnen vorsehen müssen bzw. welche Schritte nach Maßgabe der Notfallpläne einzuleiten sind, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Die unter Risiko- bzw. Geschäftsfortführungsgesichtspunkten besonders kritischen Bereiche sind dabei vordringlich in den Blick zu nehmen. Als Notfallmaßnahmen kommen bspw. in Betracht:

  • Verbot von bzw. strengere Genehmigungsvorbehalte für Geschäftsreisen in Risikogebiete;
  • Absage/Verschiebung von Versammlungen und sonstigen Events;
  • Vorkehrungen, um eine Infektion systemkritischer Mitarbeiter innerhalb des Instituts zu vermeiden (z.B. räumliche Trennung von Teams, Ermöglichung bzw. – soweit arbeitsrechtlich möglich - Anordnung von Home Office; sowie
  • Maßnahmebündel im Falle der Infektion von Mitarbeitern (z.B. Identifizierung von Kontaktpersonen, Desinfektion des Büros, Vertretungsregelungen inkl. klarer Kommunikationsvorgaben und Verantwortlichkeitsbereiche, Home Office-Möglichkeiten, Urlaubssperren, Möglichkeit des Einsatzes von Mitarbeitern in anderen Arbeitsbereichen, ggf. Möglichkeit auch  kurzfristiger Auslagerungen).

    Die Notfallmaßnahmen müssen im Ernstfall auch funktionieren, so dass sie zeitnah getestet werden sollten, sofern dies nicht bereits erfolgt ist.

    Outsourcing

    Bei der Auseinandersetzung mit ihrer Notfallplanung dürfen sich die Institute nicht auf ihre eigene unmittelbare Einflusssphäre (mithin eigene Mitarbeiter und Räumlichkeiten) beschränken, sondern müssen auch die Beziehungen zu ihren Dienstleistern miteinbeziehen. Dies gilt insbesondere für wesentliche Auslagerungen i.S.v. § 25b KWG. Mit anderen Worten ist zu prüfen, ob und wie das jeweilige Institut betroffen ist, falls ein Auslagerungsunternehmen aufgrund der Corona-Krise seine Leistungen für das Institut nicht länger ordnungsgemäß erbringen kann. Dafür ist ein Abgleich der Notfallkonzepte des Instituts und der Auslagerungsunternehmen erforderlich. Letzteres wird bereits seit langem von den durch die BaFin veröffentlichten Mindestanforderungen für das Risikomanagement (MaRisk) gefordert, aber gelegentlich doch eher als lästige Routine betrachtet, der nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Einbeziehung von Auslagerungsunternehmen in die eigene Notfallplanung hat jedoch durch die im vergangenen Jahr veröffentlichten EBA-Leitlinien für Auslagerungen noch eine stärkere Bedeutung erfahren – zu Recht, wie sich nun zeigt. Daher ist es erforderlich, auch Planungen zur Gewährleistung des Geschäftsbetriebs für den Fall anzustellen, dass Auslagerungsunternehmen ihre vereinbarten Leistungen nicht oder nicht mehr in dem vereinbarten Maße für das Institut erbringen können. Im Sinne eines adäquaten Risikomanagements sollten Institute daher zumindest ihre wichtigen Auslagerungsunternehmen kontaktieren und die Auswirkungen der gegenwärtigen Entwicklungen auch für ein worst case scenario diskutieren.

    ***** Beachtung der regulatorischen Anforderungen *****

    Wenn Maßnahmen zur Risikoprävention bzw. Risikoeindämmung getroffen werden, ist umsichtiges Handeln erforderlich. Dies bedeutet u.a., dass durch Schritte zur Vermeidung von Corona-Infektionen der Mitarbeiter nicht andere Risiken geschaffen werden dürfen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang bspw. an die Erfüllung regulatorischer Anforderungen, die gerade durch spontane Maßnahmen gefährdet sein mag. Darauf hat jüngst auch die BaFin – unter Verweis auf Spielräume, die die relevanten Vorschriften enthalten – im Zusammenhang mit Handelsgeschäften außerhalb von Geschäftsräumen – in einer Veröffentlichung hingewiesen. So dürfte es z.B. schwierig sein, die geforderte Aufzeichnung von Telefonaten der Mitarbeiter der Anlageberatung oder des Handels bei Home Office-Tätigkeiten zu gewährleisten. Ferner ist sicherzustellen, dass die IT-Systeme für eine größere Anzahl von Mitarbeitern im Home Office ausgerichtet sind, um zusätzliche IT-Sicherheitsrisiken zu verhindern. Sollten Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen und andere Mitarbeiter einspringen, darf dies selbstverständlich nicht dazu führen, dass eine aufsichtsrechtlich erforderliche Funktionentrennung faktisch aufgehoben oder eingerichtete Vertraulichkeitsbereiche (Chinese Walls) missachtet werden.

    ***** Update zur BaFin-Verlautbarung betreffend Vor-Ort-Prüfungen *****

    Zwischenzeitlich hat sich die BaFin zur Frage geäußert, wie angesichts der Corona-Krise mit Vor-Ort Prüfungen (beispielsweise im Rahmen einer Jahresabschlussprüfung nach §§ 28 ff. KWG oder einer Prüfungen nach § 89 WpHG) umzugehen ist: Prüfer sollen künftig aufgrund der Besonderheit der Corona-Pandemie zunächst von Vor-Ort-Prüfungen absehen können, wobei die BaFin ausdrücklich betont, dass es sich insofern um eine Ausnahme handele, die nur während der Hochzeit der Corona-Infektionen und der Geltungsdauer der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie gelte. Die grundsätzliche Verpflichtung zur Durchführung der gesetzlich vorgesehenen Prüfungen besteht fort. Unternehmen haben entsprechend dafür Sorge zu tragen, dass die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen den Prüfern per elektronischem Zugriff zur Verfügung gestellt werden. Sollte eine vollumfängliche „Remote“-Prüfung mangels ausreichendem elektronischen Zugriff auf alle für die Prüfung erforderlichen Unterlangen nicht möglich sein, ist diese zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Gleichwohl wird die BaFin nach eigenem Bekunden mögliche Fristverstöße in diesen Fällen nicht verfolgen und sieht auch eine förmliche Unterbrechungsanzeige als nicht erforderlich an.

    ***** Update zur BaFin-Verlautbarung betreffend eine Annuitätenaussetzung *****

    Die BaFin hat sich zwischenzeitlich ebenfalls in ihren FAQ zur aufsichtsrechtlichen Behandlung Stundungen von Darlehensforderungen geäußert. Insoweit wird klargestellt, dass im Fall einer Annuitätenaussetzung von bis zu zwei Monaten (60 Tage) der jeweilige Schuldner nicht als ausgefallen gelten soll. Sofern ein Kredit gestundet wird, aber auf die gestundeten Beträge eine Verzinsung zu den ursprünglich vereinbarten Konditionen („zum ursprünglichen Effektivzins“) vereinbart ist, soll eine solche Stundung zunächst bewirken, dass der Kredit innerhalb des mitgeteilten Limits bleibt, so dass keine „überfällige wesentliche Verbindlichkeit“ i.S.v. Art. 178 Abs. 1 lit. b CRR entsteht. Zudem soll bei einer solchen Stundung die finanzielle Verbindlichkeit des Schuldners nicht als verringert gelten, so dass auch keine „krisenbedingte Restrukturierung“ i.S.v. Art. 178 Abs. 3 lit. d CRR vorliegt. Die BaFin verweist darauf, dass ein entsprechendes Vorgehen der Institute ihrer Auffassung nach grundsätzlich im Einklang mit den Vorgaben der MaRisk steht. Allerdings wird auch festgestellt, dass den Instituten in eigener geschäftspolitischer Verantwortung die Entscheidung obliegt, nach welchen Kriterien und unter welchen Voraussetzungen eine Stundung zugunsten eines Kreditnehmers überhaupt erfolgt. Aufgrund der Corona-Krise sollen Institute dabei durchaus andere Maßstäbe anlegen dürfen als zu Normalzeiten.

    ***** Wirtschaftliche Folgen - mit Update zum Pandemie-Notfallprogramm der EZB (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) *****

    Für die Institute stellt es vermutlich die größte Herausforderung dar, in einem ohnehin schwierigen Marktumfeld die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Die bereits eingetretenen oder zu erwartenden wirtschaftlichen Konsequenzen sind auch rechtlich bedeutsam. Wenn es bereits konkrete Hinweise auf eine Eintrübung der wirtschaftlichen Entwicklung oder gar eine Rezession gibt, dürfte sich dies bei vielen Instituten zeitnah in den eigenen Büchern in Gestalt von vermehrten Kreditausfällen und möglicherweise geringerer Kreditnachfrage widerspiegeln. Um die Banken bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen, hat die EZB nunmehr beschlossen, im Rahmen eines Pandemie-Notfallprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) den Märkten über eine Ausweitung der laufenden Wertpapierankaufsprogramme bis zu EUR 750 Mrd. an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung zu stellen. Bereits am 12. März 2020 hat die EZB weitere vorübergehende Erleichterungen für die von ihr direkt beaufsichtigten bedeutenden Institute beschlossen. Diese EZB-Maßnahmen umfassen neben prozessualen Erleichterungen (etwa hinsichtlich Vorortprüfungen sowie Fristen zur Behebung von identifizierten Mängeln) insbesondere auch die an Institute gestellten Kapitalanforderungen. Dabei greifen vorübergehend folgende Mechanismen:

    • Institute dürfen unterhalb des Kapitalniveaus der Eigenmittelzielkennziffer (Pillar 2 Guidance, P2G), des Kapitalerhaltungspuffer (Capital Conservation Buffer (CCB)) sowie der Liquiditätsdeckungsanforderung (Liquidity Coverage Ratio, LCR) operieren.
    • Zur Erfüllung der Säule-2 Mindesteigenmittelanforderungen (Pillar 2 Requirements, P2R) dürfen Institute teilweise auch solche Kapitalinstrumente verwenden, die nicht zum harten Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET 1) zählen, etwa Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals (Additional Tier 1 capital, AT 1) und des Ergänzungskapitals (Tier 2 capital). Zudem hat die EZB die nationalen Aufsichtsbehörden angehalten, den antizyklischen Kapitalpuffer (der in Deutschland erst kürzlich auf 0,25% heraufgesetzt wurde) um eine angemessene Quote herabzusetzen und so die Maßnahmen der EZB zu unterstützen. Wie öffentlichen Quellen zu entnehmen ist, hat der Ausschuss für Finanzstabilität eine solche Herabsetzung des antizyklischen Kapitalpuffers in Deutschland bereits beschlossen.
    • Als weitere flankierende Maßnahme hat die EBA angekündigt, den europaweiten Banken-Stresstest in das Jahr 2021 zu verschieben, um Banken zu erlauben, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Die BaFin war als nationale Aufsichtsbehörde in die jeweiligen Entscheidungsprozesse der EZB und der EBA eingebunden und wird die beschlossenen Maßnahmen nach eigener Aussage unterstützen sowie in ihrer Aufsicht über die nicht unter direkter EZB-Aufsicht stehenden Institute berücksichtigen.

    Vor diesem Hintergrund sollten Institute jedenfalls die weitere Verbreitung des Coronavirus als Risikofaktor betrachten, dessen Bedeutung für die eigene Geschäfts- und Risikostrategie zu bewerten ist. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, wie sich die Risikotragfähigkeit eines Instituts bei angepassten Stressszenarien entwickelt.

     

    ***** News vom 18.03.2020 *****

     

    Die Ausbreitung des Coronavirus wirkt sich bereits auf die verschiedensten Lebensbereiche und Branchen aus. Auch für den Finanzsektor sind erhebliche Auswirkungen der Corona-Krise jedenfalls nicht auszuschließen, wie bspw. der deutliche Preisverfall an den internationalen Finanzmärkten nachdrücklich aufzeigt. Damit müssen sich Finanzinstitute mit der Frage auseinandersetzen, wie eine Zuspitzung der Corona-Krise ihr Geschäft beeinflussen könnte und wie sie darauf reagieren sollten. Zwar hängen die gebotenen Maßnahmen von der individuellen Situation der Institute ab, doch lassen sich einige Leitplanken feststellen, die bei der Identifizierung konkreter Vorgaben unterstützen können.

    Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation ist „Chefsache“

    Die gegenwärtigen Entwicklungen stellen insbesondere eine Herausforderung für die Geschäftsorganisation von Instituten dar. Die betreffenden gesetzlichen Vorgaben verweisen zwar nicht explizit auf eine Pandemie, doch bestehen allgemeine Vorgaben, auf deren Grundlage die Aufsichtsbehörden bereits tätig geworden sind. Besondere Bedeutung kommt insoweit der Pflicht der Institute zu, eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation sicherzustellen. Dass es sich hierbei um eine ganz fundamentale Aufgabe handelt, wird dadurch deutlich, dass die Verantwortung für ihre Erfüllung den Geschäftsleitern zugewiesen wird (vgl. §§ 25a Abs. 1 S. 2, 25c Abs. 3 und 4a KWG). Somit ist die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation „Chefsache“, so dass die Geschäftsleiter eines Instituts persönlich ihre Aufmerksamkeit auf die Folgen der Corona-Krise für ihr Institut richten sollten. Das bedeutet freilich nicht, dass sich die Geschäftsleiter um sämtliche Einzelheiten persönlich kümmern müssten. Vielmehr haben sie zu prüfen, ob die im Institut etablierten Verfahren, Risikomanagementsysteme und die grundsätzliche Ausrichtung des Instituts den Herausforderungen der Corona-Krise gerecht werden.

    Prüfung und Aktivierung von Notfallplänen

    In einer Krisensituation wie der Corona-Welle ist es für Institute von besonderer Bedeutung, wohl überlegte Maßnahmen zu treffen, die die reibungslose Fortführung der Geschäftsaktivitäten gewährleisten und damit Schaden vom Institut und seinen Kunden abwehren. Hierbei werden viele Institute auf ihre ohnehin bestehenden Notfallpläne zurückgreifen können, die Bestandteil einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation sind (vgl. §§ 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 5, 25c Abs. 4a Nr. 5 KWG sowie speziell für Wertpapierdienstleistungsunternehmen Art. 21 Abs. 3 der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565). Sofern allerdings in diesen Notfallplänen die Situation einer Pandemie nicht oder nicht hinreichend reflektiert sein sollte, müssen die Institute ihre Planungen aktualisieren und angemessene Vorkehrungen für negative Auswirkungen treffen, die die Corona-Krise für den weiteren ordnungsgemäßen Betrieb des betreffenden Instituts nach sich ziehen kann. Für bedeutende Institute hat dies die EZB in einem Schreiben bereits angemahnt. Angesichts der ggf. weitreichenden Auswirkungen haben die Aufsichtsbehörden zudem damit begonnen, sich mit Instituten über ihre Notfallpläne auszutauschen und, dem Vernehmen nach, auch stichprobenartige Prüfungen vorzunehmen.

    Welche konkreten Maßnahmen die Notfallpläne im Einzelnen vorsehen müssen bzw. welche Schritte nach Maßgabe der Notfallpläne einzuleiten sind, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Die unter Risiko- bzw. Geschäftsfortführungsgesichtspunkten besonders kritischen Bereiche sind dabei vordringlich in den Blick zu nehmen. Als Notfallmaßnahmen kommen bspw. in Betracht:

    • Verbot von bzw. strengere Genehmigungsvorbehalte für Geschäftsreisen in Risikogebiete;
    • Absage/Verschiebung von Versammlungen und sonstigen Events;
    • Vorkehrungen, um eine Infektion systemkritischer Mitarbeiter innerhalb des Instituts zu vermeiden (z.B. räumliche Trennung von Teams, Ermöglichung bzw. – soweit arbeitsrechtlich möglich - Anordnung von Home Office; sowie
    • Maßnahmebündel im Falle der Infektion von Mitarbeitern (z.B. Identifizierung von Kontaktpersonen, Desinfektion des Büros, Vertretungsregelungen inkl. klarer Kommunikationsvorgaben und Verantwortlichkeitsbereiche, Home Office-Möglichkeiten, Urlaubssperren, Möglichkeit des Einsatzes von Mitarbeitern in anderen Arbeitsbereichen, ggf. Möglichkeit auch  kurzfristiger Auslagerungen).

    Die Notfallmaßnahmen müssen im Ernstfall auch funktionieren, so dass sie zeitnah getestet werden sollten, sofern dies nicht bereits erfolgt ist.

    Outsourcing

    Bei der Auseinandersetzung mit ihrer Notfallplanung dürfen sich die Institute nicht auf ihre eigene unmittelbare Einflusssphäre (mithin eigene Mitarbeiter und Räumlichkeiten) beschränken, sondern müssen auch die Beziehungen zu ihren Dienstleistern miteinbeziehen. Dies gilt insbesondere für wesentliche Auslagerungen i.S.v. § 25b KWG. Mit anderen Worten ist zu prüfen, ob und wie das jeweilige Institut betroffen ist, falls ein Auslagerungsunternehmen aufgrund der Corona-Krise seine Leistungen für das Institut nicht länger ordnungsgemäß erbringen kann. Dafür ist ein Abgleich der Notfallkonzepte des Instituts und der Auslagerungsunternehmen erforderlich. Letzteres wird bereits seit langem von den durch die BaFin veröffentlichten Mindestanforderungen für das Risikomanagement (MaRisk) gefordert, aber gelegentlich doch eher als lästige Routine betrachtet, der nicht die erforderliche Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Einbeziehung von Auslagerungsunternehmen in die eigene Notfallplanung hat jedoch durch die im vergangenen Jahr veröffentlichten EBA-Leitlinien für Auslagerungen noch eine stärkere Bedeutung erfahren – zu Recht, wie sich nun zeigt. Daher ist es erforderlich, auch Planungen zur Gewährleistung des Geschäftsbetriebs für den Fall anzustellen, dass Auslagerungsunternehmen ihre vereinbarten Leistungen nicht oder nicht mehr in dem vereinbarten Maße für das Institut erbringen können. Im Sinne eines adäquaten Risikomanagements sollten Institute daher zumindest ihre wichtigen Auslagerungsunternehmen kontaktieren und die Auswirkungen der gegenwärtigen Entwicklungen auch für ein worst case scenario diskutieren.

    Beachtung der regulatorischen Anforderungen

    Wenn Maßnahmen zur Risikoprävention bzw. Risikoeindämmung getroffen werden, ist umsichtiges Handeln erforderlich. Dies bedeutet u.a., dass durch Schritte zur Vermeidung von Corona-Infektionen der Mitarbeiter nicht andere Risiken geschaffen werden dürfen. Zu denken ist in diesem Zusammenhang bspw. an die Erfüllung regulatorischer Anforderungen, die gerade durch spontane Maßnahmen gefährdet sein mag. Darauf hat jüngst auch die BaFin – unter Verweis auf Spielräume, die die relevanten Vorschriften enthalten – im Zusammenhang mit Handelsgeschäften außerhalb von Geschäftsräumen – in einer Veröffentlichung hingewiesen So dürfte es z.B. schwierig sein, die geforderte Aufzeichnung von Telefonaten der Mitarbeiter der Anlageberatung oder des Handels bei Home Office-Tätigkeiten zu gewährleisten. Ferner ist sicherzustellen, dass die IT-Systeme für eine größere Anzahl von Mitarbeitern im Home Office ausgerichtet sind, um zusätzliche IT-Sicherheitsrisiken zu verhindern. Sollten Mitarbeiter krankheitsbedingt ausfallen und andere Mitarbeiter einspringen, darf dies selbstverständlich nicht dazu führen, dass eine aufsichtsrechtlich erforderliche Funktionentrennung faktisch aufgehoben oder eingerichtete Vertraulichkeitsbereiche (Chinese Walls) missachtet werden.

    Wirtschaftliche Folgen - mit Update zu aufsichtsrechtlichen Erleichterungen

    Für die Institute stellt es vermutlich die größte Herausforderung dar, in einem ohnehin schwierigen Marktumfeld die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu bewältigen. Die bereits eingetretenen oder zu erwartenden wirtschaftlichen Konsequenzen sind auch rechtlich bedeutsam. Wenn es bereits konkrete Hinweise auf eine Eintrübung der wirtschaftlichen Entwicklung oder gar eine Rezession gibt, dürfte sich dies bei vielen Instituten zeitnah in den eigenen Büchern in Gestalt von vermehrten Kreditausfällen und möglicherweise geringerer Kreditnachfrage widerspiegeln. Um die Banken bei der Bewältigung dieser Herausforderungen zu unterstützen, hat die EZB für die von ihr direkt beaufsichtigten bedeutenden Institute vorübergehende Erleichterungen beschlossen. Diese EZB-Maßnahmen umfassen neben prozessualen Erleichterungen (etwa hinsichtlich Vorortprüfungen sowie Fristen zur Behebung von identifizierten Mängeln) insbesondere auch die an Institute gestellten Kapitalanforderungen. Dabei greifen vorübergehend folgende Mechanismen:

    • Institute dürfen unterhalb des Kapitalniveaus der Eigenmittelzielkennziffer (Pillar 2 Guidance, P2G), des Kapitalerhaltungspuffer (Capital Conservation Buffer (CCB)) sowie der Liquiditätsdeckungsanforderung (Liquidity Coverage Ratio, LCR) operieren
    • Zur Erfüllung der Säule-2 Mindesteigenmittelanforderungen (Pillar 2 Requirements, P2R) dürfen Institute teilweise auch solche Kapitalinstrumente verwenden, die nicht zum harten Kernkapital (Common Equity Tier 1, CET 1) zählen, etwa Instrumente des zusätzlichen Kernkapitals (Additional Tier 1 capital, AT 1) und des Ergänzungskapitals (Tier 2 capital). Zudem sind die nationalen Aufsichtsbehörden angehalten, den antizyklischen Kapitalpuffer (der in Deutschland erst kürzlich auf 0,25% heraufgesetzt wurde) um eine angemessene Quote herabzusetzen und so die Maßnahmen der EZB zu unterstützen

    Als weitere flankierende Maßnahme hat die EBA angekündigt, den europaweiten Banken-Stresstest in das Jahr 2021 zu verschieben, um Banken zu erlauben, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Die BaFin war als nationale Aufsichtsbehörde in die jeweiligen Entscheidungsprozesse der EZB und der EBA eingebunden und wird die beschlossenen Maßnahmen nach eigener Aussage unterstützen sowie in ihrer Aufsicht über die nicht unter direkter EZB-Aufsicht stehenden Institute berücksichtigen.

    Vor diesem Hintergrund sollten Institute jedenfalls die weitere Verbreitung des Coronavirus als Risikofaktor betrachten, dessen Bedeutung für die eigene Geschäfts- und Risikostrategie zu bewerten ist. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, wie sich die Risikotragfähigkeit eines Instituts bei angepassten Stressszenarien entwickelt.

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