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Kontoführung im Insolvenzverfahren

10.04.2019

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 07.02.2019 (Az. IX ZR 47/18) entschieden, dass die Einrichtung eines Anderkontos durch den Insolvenzverwalter unzulässig und pflichtwidrig ist. Vielmehr habe der Insolvenzverwalter ein Insolvenz-Sonderkonto einzurichten. Weiterhin hat der Bundesgerichtshof wichtige Fragen zur Haftung der kontoführenden Bank bei Untreuehandlungen des Insolvenzverwalters geklärt.

1.             Sachverhalt

Der vormalige Insolvenzverwalter eröffnete bei der beklagten Bank ein Rechtsanwalts-Anderkonto. Dieses diente dazu, Gelder der Insolvenzmasse zu sammeln. Im Protokoll der Gläubigerversammlung war festgehalten, dass dieses Rechtsanwalts-Anderkonto als Hinterlegungsstelle (§149 InsO) eingerichtet sei. Die Bank erfuhr hiervon jedoch nichts. Der vormalige Insolvenzverwalter veruntreute das Kontoguthaben, in dem er es auf eigene Konten überwies. Nach dem Austausch des Insolvenzverwalters nahm der neue Insolvenzverwalter die Bank auf Schadensersatz in Höhe der veruntreuten Beträge in Anspruch.

Das Landgericht gab der Klage überwiegend statt. Das Oberlandesgericht bestätigte die Klagestattgabe. Zur Begründung gab die Vorinstanz an, dass die Bank als Hinterlegungsstelle i.S.d. § 149 InsO anzusehen sei. Die Bank habe die Pflichtwidrigkeit der Überweisungen des vormaligen Insolvenzverwalters erkennen können und sei als Hinterlegungsstelle verpflichtet gewesen, diese nicht auszuführen.

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses zurück.

Die wichtigsten Punkte der Entscheidung:

2.             Für den Insolvenzverwalter: Einrichtung eines Anderkontos pflichtwidrig

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die Einrichtung eines Anderkontos durch den Insolvenzverwalter unzulässig und pflichtwidrig ist. Denn bei einem Anderkonto wird der Insolvenzverwalter Vollrechtsinhaber, so dass er Gelder der Insolvenzmasse in sein eigenes Vermögen überleitet. Stattdessen muss der Insolvenzverwalter ein sogenanntes Insolvenz-Sonderkonto als Konto auf seinen Namen mit der zusätzlichen Bezeichnung als Konto für eine bestimmte Insolvenzmasse einrichten. Das Sonderkonto ist dann Bestandteil der Insolvenzmasse.

3.             Für die Bank:
3.1           
Keine besonderen Pflichten der Bank als Hinterlegungsstelle

Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass eine Bank keine besonderen Pflichten zum Schutz der Insolvenzmasse treffen, selbst wenn sie durch Beschluss der Gläubigerversammlung als Hinterlegungsstelle bestimmt wurde. Denn hierfür fehlt eine gesetzliche Grundlage. Damit widerspricht der Bundesgerichtshof einer in der Literatur vertretenen Auffassung.

Weiterhin war die beklagte Bank auch nicht zur Hinterlegungsstelle bestimmt worden. Die bloße Feststellung im Protokoll der Gläubigerversammlung stellt keinen Beschluss der Gläubigerversammlung dar.

3.2           Keine Haftung bei Einrichtung Anderkonto

Richtet der Insolvenzverwalter pflichtwidrig ein Anderkonto statt eines Sonderkontos ein, resultieren hieraus jedoch keine allgemeinen Prüf- und Überwachungspflichten der Bank.

3.3           Jedoch: Haftungsrisiken bei Einrichtung Sonderkonto

Richtet der Insolvenzverwalter ein Sonderkonto ein, bestehen allerdings Haftungsrisiken für die Bank. Ist ein Zahlungsauftrag des Insolvenzverwalters für ein Sonderkonto objektiv evident insolvenzzweckwidrig und muss sich dies der Bank auf Grund der Umstände des Einzelfalls ohne weitere begründete Zweifel aufdrängen, besteht eine Warnpflicht der Bank gegenüber dem Insolvenzgericht und – sofern vorhanden und der Bank bekannt – dem Gläubigerausschuss.

3.4           Jedoch: Deliktische Haftung möglich

Der Bundesgerichtshof hat die Sache zur Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dieses habe zu prüfen, ob ein Anspruch gegen die Bank wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung der Insolvenzmasse gemäß § 826 BGB besteht. Der Bundesgerichthof wies hierzu darauf hin, dass eine Beteiligung der Bank an den Untreuehandlungen des Insolvenzverwalters vorliegen kann. Dies ist der Fall, wenn sie sich der Schädigung durch die Veruntreuung leichtfertig verschlossen hat. Hierzu müssen der Bank erhebliche Umstände positiv bekannt sein, auf deren Grundlage sich eine vorsätzliche Schädigung der Masse aufdrängte.

4.             Fazit

Für die beklagte Bank war die pflichtwidrige Eröffnung eines Anderkontos im Ergebnis günstig. Denn hierdurch schied eine vertragliche Haftung aus und es verblieb nur die Möglichkeit der deliktischen Haftung. Diese hat jedoch höhere Voraussetzungen.

Die Entscheidung führt überraschend aus, dass die Einrichtung eines Anderkontos pflichtwidrig sei. Für Insolvenzverwalter wird sich nunmehr die Notwendigkeit ergeben, etwaige bisherige Anderkonten in Sonderkonten zu überführen. Andernfalls drohen Haftungsrisiken für Insolvenzverwalter. Bei der Eröffnung von Sonderkonten stellen sich praktische und rechtliche Abwicklungsprobleme. So ist beispielsweise klärungsbedürftig, welcher Rechtsträger im Einzelnen Kontoinhaber werden soll (insbesondere bei Nachlassinsolvenzverfahren). Ebenso ist die Übertragbarkeit der Entscheidung auf andere Parteien kraft Amtes zu diskutieren.

Weiterhin hat der Bundesgerichtshof den Streit um die Haftung der Bank bei der Bestimmung als Hinterlegungsstelle entschieden. Eine besondere Haftung besteht nicht. Allerdings bestehen Haftungsrisiken bei der Führung von Sonderkonten. Der BGH hat zwar auch hier (wie bei jedem anderen Girokonto) generelle Überwachungs- und Prüfpflichten der Bank verneint. Jedoch kann im Einzelfall eine Meldepflicht gegenüber dem Insolvenzgericht und ggf. dem Gläubigerausschuss bestehen, so dass den Banken zur Vermeidung der eigenen Haftung eine kritische Prüfung anzuraten ist.

Schließlich stellt sich in Konstellationen wie der vom Bundesgerichtshof entschiedenen die Frage nach der Haftung weiterer Personen (z.B. aus Amtshaftung), weil diese die pflichtwidrige Eröffnung eines Anderkontos zuließen.

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