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Zentrale Regelungsansätze im Referentenentwurf des BMJV zur Urheberrechtsreform

19.11.2020

I. Hintergrund der Reformbemühung

Mit seiner Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt („DSM-RL“) sowie der Online-SatCab-Richtlinie (EU) 2019/789 hat der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten einen umfangreichen Reformauftrag erteilt. Bis 7. Juni 2021 müssen die europarechtlichen Regelungen, die eine Vielzahl urheberrechtlicher Fragen vor dem Hintergrund des technologischen Wandels adressieren, ins nationale Recht überführt werden. Der nun vorgestellte Umsetzungsvorschlag im Referentenentwurf des BMJV trägt diesen Vorgaben Rechnung und sieht zahlreiche bedeutsame Gesetzesänderungen vor. Erwartungsgemäß sind die Regelungsansätze auf ein geteiltes Echo gestoßen. Insbesondere die Interessenverbände von Urhebern und ausübenden Künstlern kritisieren, dass der Entwurf die Position der Rechteinhaber nicht hinreichend stärke. Zentraler Gegenstand der Reform ist die kontrovers diskutierte Haftung sogenannter „Upload-Plattformen“; adressiert werden daneben aber u.a. auch Fragen des Urhebervertragsrechts, der Einführung einer kollektiven Lizenzvergabe sowie Klarstellungen zur technologieneutralen Weitersendung von Programmen.

II. Haftungsregime für Upload-Portale

Im neuen Stammgesetz über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (UrhDaG) berücksichtigt der Entwurf das in Art. 17 DSM-RL niedergelegte Haftungsregime gegenüber Internet-Plattformen, die den Upload und die Wiedergabe urheberrechtlich geschützter Inhalte anbieten. Sofern sie von Nutzern bereitgestelltes Material veröffentlichen, sind sie für die Zugänglichmachung nun urheberrechtlich verantwortlich und im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, Lizenzen für die entsprechenden Inhalte zu erwerben. Andernfalls sind diese von der Plattform zu sperren.

Unter Berücksichtigung der kollidierenden Meinungs-, Kunst- und Kommunikationsfreiheiten sind hiervon jedoch Nutzungen zum Zweck der Karikatur, Parodie oder des Pastiches ausgenommen. Gleiches gilt für die Nutzung knapper Ausschnitte urheberrechtlich geschützter Inhalte. Zulässig bleiben soll etwa die Wiedergabe von Film- und Tonsequenzen von bis zu 20 Sekunden sowie von bis zu 1000 Zeichen eines geschützten Textes. Angesichts der Popularität und Aussagekraft schon von kürzesten Clips und Zusammenfassungen werden die Ausnahmevorschriften teilweise als zu weitgehend kritisiert; insbesondere Verleger und Produzenten sehen ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten beeinträchtigt.

Zugunsten der Urheber und ausübenden Künstler fällt hingegen der geplante Direktvergütungsanspruch aus, der selbst im Falle einer Weiterlizensierung von der Plattform unmittelbar an den Urheber zu gewähren ist. Der Gefahr einer überschießenden Löschung zur Minimierung rechtlicher Inanspruchnahme (sog. Overblocking) wird durch ein besonderes Haftungsprivileg Rechnung getragen: Eine Verantwortlichkeit des Diensteanbieters entfällt demnach bis zum Abschluss eines etwaigen Beschwerdeverfahrens, wenn der Nutzer seinen Upload nicht offensichtlich unzutreffend als rechtmäßig kennzeichnet.

III. Kollektive Lizenzvergabe durch Verwertungsgesellschaften

Weiterer zentraler Regelungsgegenstand der DSM-RL ist die sog. kollektive Lizenzvergabe, die eine Lizensierung von Werknutzungen erleichtern soll. Verwertungsgesellschaften ist es auf Grundlage der geplanten Neufassung von §§ 51 ff. VGG möglich, auch solche Nutzungen zu gestatten, die ihnen von den jeweiligen Rechtsinhabern nicht eingeräumt worden sind. Voraussetzung hierfür ist u.a., dass eine Einholung der Nutzungserlaubnis von allen betroffenen Außenstehenden durch den Nutzer oder die Verwertungsgesellschaft nicht zumutbar ist. Relevant wird dieses Instrument insbesondere bei Massennutzungen im Rahmen digitaler Plattformen und soll gerade auch die neu geschaffene Lizensierungspflicht der Diensteanbieter erleichtern. Die betroffenen Rechteinhaber können dem jederzeit widersprechen, weshalb der Rückgriff der Verwertungsgesellschaften auf die kollektive Lizenzvergabe stets öffentlich kommuniziert werden muss.

IV. Urheberfreundliche Anpassung des „Bestseller“-Paragraphen

Wichtige Änderungen sieht der Entwurf schließlich auch im Urhebervertragsrecht vor. Maßgeblich wirkt sich hier v.a. Art. 20 DSM-RL aus, der die Schwelle für den Nachvergütungsanspruch eines Urhebers im Falle eines besonderen Auswertungserfolges absenkt. Während er nach § 32a UrhG, dem sog. Bestsellerparagraphen, eine Vertragsanpassung bislang erst dann geltend machen kann, wenn die vereinbarte Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Werknutzung steht, soll künftig bereits eine im Verhältnis zum Verwertungserfolg unverhältnismäßig niedrige Vergütung anspruchsbegründend sein.

V. Weitere Regelungsvorhaben

Insbesondere als Reaktion auf den wachsenden Anteil digitaler Presserzeugnisse wird auf Grundlage von Art. 15 DSM-RL zudem ein neues Leistungsschutzrecht des Presseverlegers geschaffen, das die Regelungen in § 87f UrhG vollständig ablöst. Zu den zahlreichen Änderungen zählen u.a. die Erweiterung des Schutzbereiches auf Vervielfältigungshandlungen, die Verlängerung der Schutzdauer auf zwei Jahre sowie die Regelung von Bereichsausnahmen, wie etwa das Setzen von Hyperlinks oder die Nutzung sehr kurzer Auszüge aus der Presseveröffentlichung.

In Umsetzung der Online-SatCab-Richtlinie, die der zunehmenden grenzüberschreitenden Verbreitung von Radio- und Fernsehprogrammen über das Internet Rechnung trägt, sind darüber hinaus umfangreiche Neuregelungen zum Recht der (Kabel-)Weitersendung und der Direkteinspeisung von Programmsignalen geplant. Eingeführt wird außerdem das von der Richtlinie vorgeschriebene „Ursprungslandprinzip“ im Zusammenhang mit der Bereitstellung eines Programms im Live-Stream oder zum nachträglichen Abruf: Um den Rechteerwerb zu vereinfachen, wird künftig fingiert, dass diese Internetangebote ausschließlich in demjenigen Mitgliedstaat erfolgen, in dem das Sendeunternehmen seinen Sitz hat.

Mit der Aufhebung von § 24 UrhG reagiert der Gesetzgeber zudem auf die unlängst ergangene Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-476/17 (Pelham, „Metall auf Metall“), der die Bestimmung als unionsrechtswidrig erachtet hatte. Die bislang hierunter subsumierte gesetzliche Erlaubnis von Karikaturen und Parodien sowie nun auch des Pastiches wird künftig in § 51a UrhG überführt.

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