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Abwehr von Steuer­vermeidung und unfairem Steuer­wettbewerb

24.02.2021

***** Neue Entwicklungen zum Thema finden Sie in unserem Beitrag vom 3.5.2021: Gesetz zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb (StAbwG) - Update *****

 

Am 15.02.2021 hat das BMF den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb veröffentlicht (den Entwurf finden Sie hier). Kern des Gesetzes ist die Einführung eines Steueroasen-Abwehrgesetzes (StAbwG).

Ziel des Gesetzes

Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, Steueroasen auszutrocknen. Nicht kooperative Steuerhoheitsgebiete sollen dazu angehalten werden, Anpassungen in Richtung einer Umsetzung und Beachtung internationaler Standards im Steuerbereich vorzunehmen. Dies trifft insbesondere Geschäftsbeziehungen mit und in Staaten und Gebieten, die auf der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke („schwarze Liste“) stehen. Auf der „schwarzen Liste“ stehen derzeit 12 Staaten, darunter Panama und die Seychellen (sowie außerdem die Amerikanischen Samoa-Inseln, Anguilla, Dominica, Fidschi, Guam, Palau, Samoa, Trinidad und Tobago, US Jungferninseln, Vanuatu). Unter Beobachtung und damit als möglicher künftiger Kandidat für die „schwarze Liste“ wird derzeit die Türkei gehandelt. Doch die EU-Staaten konnten sich in ihrer letzten Sitzung im Februar 2021 nicht einstimmig für die Aufnahme der Türkei auf die „schwarze Liste“ verständigen.

Die neuen Regelungen sollen die im Jahr 2009 durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz eingeführten Regelungen im Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und der Abgabenordnung sowie der Steuerhinterziehungsbekämpfungsverordnung ersetzen.

Definition nicht kooperativer Steuerhoheitsgebiete

Ein Steuerhoheitsgebiet ist danach nicht kooperativ, wenn es auf der sogenannten „schwarzen Liste“ der EU nicht kooperativer Länder und Gebiete für Steuerzwecke in der jeweils aktuellen Fassung aufgeführt ist und dieses Steuerhoheitsgebiet

  • keine hinreichende Transparenz in Steuersachen gewährleistet (§ 4 Abs. 1 StAbwG-E), oder
  • einen unfairen Steuerwettbewerb betreibt, insbesondere durch eine Niedrig- oder Nullbesteuerung selbst ohne tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit oder Präsenz im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet (§ 5 Abs. 1 StAbwG-E), oder
  • keine Verpflichtung zur Umsetzung der Mindeststandards des OECD/G20 BEPS-Projekts gegen Gewinnkürzung und Gewinnverschiebung abgeschlossen hat (§ 6 Abs. 1 StAbwG-E).

Rechtsfolgen und Restriktionen bei Geschäftsbeziehungen in und mit nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten

Unterhält ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen oder Beteiligungsverhältnisse in oder mit Bezug zu einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet, reichen die steuerlichen Restriktionen

  • von Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugsverboten (§ 8 StAbwG-E),
  • einer verschärften Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG-E) bis hin
  • zur Versagung von Quellensteuererstattungen (§ 10 StAbwG-E) sowie
  • der Versagung von Steuerbefreiungen (§ 11 StAbwG-E).

a) Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzugsverbot (§ 8 StAbwG-E)

Aufwendungen aus Geschäftsvorgängen zu natürlichen Personen, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, die in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässig sind, dürfen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden. Dies gilt nur ausnahmsweise nicht, soweit die den Aufwendungen entsprechenden Erträge beim Empfänger der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegen.

b) Verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung (§ 9 StAbwG-E)

Bei der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung gelten Gesellschaften, die in den nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten ansässig sind, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 AStG mit ihren sämtlichen Einkünften als Zwischengesellschaften. Die Art der Einkünfte, die Erfüllung des sog. Motivtests oder das Vorliegen einer Niedrigbesteuerung ist unbeachtlich. Ausgenommen von der verschärften Hinzurechnungsbesteuerung sind nur diejenigen Einkünfte oder Teile von Einkünften, soweit sie aus aktiven Tätigkeiten stammen und die den Erträgen entsprechenden Aufwendungen dem Abzugsverbot nach § 8 StAbwG unterlegen haben.

c) Quellensteuermaßnahmen (§ 10 StAbwG-E)

Zudem soll eine Beschränkung von Entlastungen vom Steuerabzug, beispielsweise aufgrund von Regelungen in DBA, gelten, wenn an dieser Gesellschaft - unmittelbar oder mittelbar - in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässige natürliche Personen mit einem Anteil von insgesamt mehr als 10 Prozent beteiligt sind. Eine Entlastung kann in diesen Fällen nach der Gesetzesbegründung nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen der neu vorgesehenen erweiterten Mitwirkungspflichten des § 12 StAbwG-E vorliegen.

Daneben ist eine Ausweitung der beschränkten Steuerpflicht i.S.d. § 49 EStG für natürliche Personen und Körperschaften vorgesehen, die in nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten ansässig sind. Betroffen davon sind unter anderem Einkünfte aus Finanzierungsbeziehungen (z.B. Darlehensverhältnisse und Finanzierungsleasing), aus Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen, aus der Erbringung von Dienstleistungen (z.B. Rechts- und Beratungsleistungen und Onlinewerbung) und aus dem Handel mit Waren oder Dienstleistungen, soweit die diesen Einkünften entsprechenden Aufwendungen oder Werbungskosten bei einem anderen Steuerpflichtigen im Rahmen einer inländischen Veranlagung zu berücksichtigen wären. Dabei wird der Besteuerung des Einkünftebeziehers Vorrang vor dem Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzugsverbot nach § 8 StAbwG-E eingeräumt.

d) Einschränkung der Steuerfreiheit von Dividenden und Veräußerungsgewinnen (§ 11 StAbwG-E)

Ferner sind Dividenden aus einer in einem nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet ansässigen Körperschaft grundsätzlich weder nach § 8b Abs. 1 KStG noch nach einem DBA-Schachtelprivileg steuerfrei. Gleiches gilt für Veräußerungsgewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften aus nicht kooperativen Steuerhoheitsgebieten, die ebenfalls nicht unter die Steuerfreiheit in § 8b Abs. 2 KStG oder DBA-Steuerbefreiungen fallen sollen. Dagegen gilt die Steuerfreiheit für Ausschüttungen nach § 8b Abs. 1 KStG, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Ausschüttungen aus Beträgen resultieren, die beim Leistenden bereits der Quellenbesteuerung nach § 10 StAbwG-E unterlegen haben oder für die bereits das Abzugsverbot nach § 8 StAbwG-E angewendet worden ist.

Betroffene Steuerarten

Die Regelungen des StAbwG sollen auf alle Steuern und Steuervergütungen anzuwenden sein, die durch Bundes- und Landesbehörden sowie Kommunen verwaltet werden, d.h. insbesondere auf die Körperschaftsteuer, die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer. Keine Anwendung finden die Einschränkungen dagegen für die Umsatzsteuer (einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer sowie Einfuhr- und Ausfuhrabgaben und Verbrauchsteuern, § 2 Abs. 1 StAbwG-E).

Die Regelungen des StAbwG sollen nicht nur den DBA-Vorschriften vorgehen (sog. Treaty Over-ride, § 2 Abs. 2 StAbwG-E), sondern auch den Regelungen in der Abgabenordnung und in anderen Steuergesetzen (§ 2 Abs. 3 StAbwG-E).

Gesteigerte Mitwirkungspflichten

Vorgesehen sind darüber hinaus gesteigerte Mitwirkungspflichten, die über die nach § 90 AO hinausgehen (§ 12 StAbwG-E). Dies betrifft insbesondere eine detaillierte Darstellung und Dokumentation der Geschäftsbeziehungen und Vertragsverhältnisse, der eingesetzten wesentlichen Vermögenswerte, der gewählten Geschäftsstrategien, der Markt- und Wettbewerbsverhältnisse sowie der natürlichen Personen, die unmittelbar oder mittelbar an der Gesellschaft im nicht kooperativen Steuerhoheitsgebiet beteiligt sind. Die Aufzeichnungen sind an die zuständige Finanzbehörde sowie in bestimmten Fällen an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu übermitteln.

Erstmalige Anwendung

Die Regelungen sollen erstmals ab dem 1.1.2022 anzuwenden sein (§ 13 Abs. 1 StAbwG-E).

Weitere Entwicklung

Die Verbände erhalten nun die Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Gesetzentwurf ist möglicherweise auch als ein erster Vorbote des in diesem Jahr anstehenden Bundestagswahlkampfs anzusehen. Fraglich ist daher, ob das Gesetz noch vor dem Ende dieser Legislaturperiode zum Abschluss gebracht werden kann. Zumindest äußern sich bereits erste Finanzpolitiker der CDU/CSU kritisch zum Gesetzentwurf, was dessen Umsetzung vor der Bundestagswahl nicht unbedingt verbessert. Die weitere Entwicklung bleibt damit abzuwarten.

Auswirkungen für die Praxis

Die inhaltlichen Änderungen des Referentenentwurfs werden derzeit auch in anderen EU-Staaten vorangetrieben. Sollten zahlreiche EU-Staaten ähnliche Gesetze umsetzen, müssen Strukturen unter Einbeziehung von Steuerhoheitsgebieten der „schwarzen Liste“ auf ihre Vorteilhaftigkeit hin überprüft werden.

Aber auch politisch würde die Umsetzung dieser Steueränderungen der EU mehr Macht bei Verhandlungen mit den Steueroasen bescheren, da eine Zugehörigkeit zur „schwarzen Liste“ zu erheblichen steuerlichen Nachteilen für den jeweiligen Wirtschaftsstandort führen können.