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Erleichterungen für das IT-Near- und Offshoring – Die Bundes­agentur für Arbeit gibt ihre Auffassung zur globalen Anwendung des AÜG wieder auf

29.10.2025

I. Rolle rückwärts bei der Auslegung des AÜG

Vor gut einem Jahr änderte die Bundesagentur für Arbeit („BA“) ihre Fachlichen Weisungen zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz („FW AÜG“) dahingehend, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) nunmehr bei ortsunabhängigen Leistungen auch dann bereits gelten solle, wenn ein rein virtueller Inlandsbezug vorlag. Irrelevant sollte sein, ob der Leistungserbringer jemals deutschen Boden betritt.

Bis dahin galt, dass die Zusammenarbeit mit IT-Dienstleistern und deren Arbeitnehmern, dann nicht dem Anwendungsbereich des AÜG unterfiel und somit erlaubnisfrei war, wenn die Arbeitnehmer ausschließlich im Ausland tätig wurden und der Vertragspartner ebenfalls im Ausland saß. Dies basierte auf dem sog. Territorialitätsprinzip, wonach das AÜG nur dort anwendbar ist, wo der deutsche Gesetzgeber auch die Hoheitsmacht zur Rechtssetzung hat. Diese beschränkt sich auf das deutsche Hoheitsgebiet.

Nach einer Neubewertung durch die BA im vergangenen Jahr sollte dies jedoch nur noch dann gelten, wenn die Arbeitsleistung eine physische Präsenz an einem bestimmten Ort erfordert. Bei ortsunabhängigen Arbeitsleistungen, wie etwa bei IT-Dienstleistungen, wurde dagegen auch ein virtueller Inlandsbezug als ausreichend erachtet, um eine Anwendbarkeit des AÜG anzunehmen und derartige Zusammenarbeitsformen somit dem Erlaubnisvorbehalt zu unterwerfen. Die physische Präsenz in Deutschland und insbesondere in den Betrieben bzw. dem Unternehmen war daher nicht mehr erforderlich. Diese Abkehr vom physischen Territorialitätsprinzip begründete die BA mit dem vermeintlich erforderlichen Schutz des Teilarbeitsmarkts Arbeitnehmerüberlassung, der nach Auffassung der BA gefährdet wäre, würden in Deutschland ansässige Unternehmen Dienstleister im Ausland statt im Inland beauftragen.

Dies hatte zur Konsequenz, dass – nach der Meinung der BA – auch bei IT-Outsourcings ins Ausland eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erforderlich war, sofern die Arbeitnehmer des ausländischen IT-Dienstleisters jedenfalls virtuell in die Betriebsorganisation des deutschen Auftraggebers eingegliedert sind. Near- und Offshoring-Outsourcings, aber auch Einsätze von Employer of Record, wurden hierdurch massiv gefährdet, was zu erheblicher Verunsicherung bei den Unternehmen führte.

Nach erheblicher Kritik (siehe bereits unseren Beitrag) an dieser Auffassung hat die BA in ihren neuen FW AÜG vom 01.10.2025 eine Rolle rückwärts vollzogen und ihre Auffassung wieder aufgegeben. Dies war auch zwingend erforderlich, denn Dienstleister außerhalb der EU/EWR können nicht einmal eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis beantragen, was zeigt, dass die zwischenzeitliche Auffassung der BA nicht zu Ende gedacht war.

Die BA teilt nun in ihrem Begleitschreiben zu den FW AÜG vom 18.09.2025 mit, dass sie „ihre Rechtsauffassung zum Erlaubnisvorbehalt mit Auslandsbezug dahingehend geändert [hat], dass ein Erlaubnisvorbehalt nicht besteht, wenn Leiharbeitende, die ausschließlich im Ausland remote tätig sind, nach Deutschland überlassen werden.“ Damit kehrt die BA zur Rechtslage vor Oktober 2024 zurück und mitigiert die zwischenzeitlich entstandene erhebliche Rechtsunsicherheit im Bereich Near- und Offshoring. Das Risiko, dass ein Fremdpersonaleinsatz im Rahmen von Near- oder Offshoring-Maßnahmen als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung nach deutschem Recht qualifiziert wird, hat sich damit deutlich reduziert.

II. Fachliche Weisungen zum Arbeitnehmer­überlassungsgesetz

Die Rückkehr zur gebotenen Auslegung des AÜG hinsichtlich dessen Anwendungsbereichs durch die BA ist für die Praxis ein wichtiger Schritt. Denn auch, wenn es sich bei den FW AÜG grundsätzlich nur um behördeninterne Weisungen handelt, kommt diesen eine wichtige Bedeutung zu. Denn neben dem Zoll ist die BA für die Kontrolle des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) zuständig. Die FW AÜG geben Aufschluss darüber, wie die BA zentrale Vorschriften des AÜG auslegt. Dieser Maßstab wird auch bei den Betriebsprüfungen angewendet.

III. Wichtige Grenzen

Allerdings sind auch bei derartigen Remote-Beauftragungen Grenzen zu beachten. Denn sobald Geschäftsreisen nach Deutschland stattfinden oder mobile Arbeit aus Deutschland erfolgt, kann auch in diesen Konstellationen das AÜG wieder zur Anwendung gelangen (vgl. Ziffer 1.2.3 Abs. 2 FW AÜG). Dies kann – je nach Einzelfall – schon dann der Fall sein, wenn der Leistungserbringer zum Onboarding nach Deutschland kommt und Arbeitsleistung erbracht wird. Unternehmen sollten daher derartige Einsätze vorab arbeits- und sozialversicherungsrechtlich prüfen und hierfür strukturierte Prozesse aufsetzen.

Darüber hinaus hat sich die BA ein Hintertürchen offengelassen. Denn ihre neue (alte) Auffassung wird explizit unter den Vorbehalt einer abweichenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Ziffer 1.2.3 Abs. 2 FW AÜG, letzter Satz) gestellt. Die BA hält es somit für möglich, dass es in Zukunft zu höchstrichterlichen Entscheidungen kommen könnte, wonach das AÜG auch auf die geschilderten Auslandskonstellationen Anwendung findet.

Ungeachtet dessen müssen auch die nationalen Vorschriften im Sitzstaat des Dienstleisters und dessen Arbeitnehmern beachtet werden. Denn dort können vergleichbare Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung bestehen, sodass eine länderspezifische Prüfung ratsam ist.

IV. Fazit

Die Rückkehr der BA zu ihrer vorhergehenden Rechtsauffassung ist ausdrücklich zu begrüßen und hilft dabei (jedenfalls vorläufig) Rechtssicherheit wiederherzustellen – insbesondere für das Near- and Offshoring wie auch für Employer of Record. Gleichwohl sollten derartige Beauftragungen gut strukturiert werden, nicht zuletzt auch hinsichtlich der Sicherstellung der Fremdpersonalcompliance sowie begleitender Maßnahmen zum Onboarding, Wissens- und ggf. Mitarbeitertransfer.

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