Foreign Subsidies Regulation: Leitlinien-Entwurf der Europäischen Kommission – mehr Klarheit für betroffene Unternehmen?
Nach einer ersten Konsultation im März veröffentliche die Europäische Kommission („Kommission“) am 18. Juli 2025 den lange erwarteten Leitlinien-Entwurf zur EU-Verordnung über drittstaatliche Subventionen (Foreign Subsidies Regulation, „FSR“). Interessierte Parteien können bis zum 12. September 2025 im Rahmen der Konsultation zu dem Entwurf Stellung nehmen. Die Veröffentlichung der finalen Leitlinien ist für Januar 2026 vorgesehen.
Hintergrund
Subventionen aus EU-Staaten unterliegen, anders als solche aus Nicht-EU-Staaten, der Kontrolle durch das EU-Beihilferecht. Die FSR, welche im Oktober 2023 vollumfänglich in Kraft getreten ist, ermöglicht nun auch die Kontrolle von Subventionen aus Nicht-EU-Staaten und soll damit gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Unternehmen im EU-Binnenmarkt gewährleisten.
Der neue Regelungsrahmen der FSR erhöht die regulatorischen Vorgaben für international agierende Unternehmen und vermischt dabei bekannte Rechtskonzepte aus dem EU-Beihilferecht, dem Vergaberecht, dem Handelsrecht und der EU-Fusionskontrolle mit neuen Rechtskonzepten. Der EU-Gesetzgeber hat erkannt, dass dies zu Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen führt, und der Kommission als zuständigen Behörde daher aufgetragen, die Anwendung der neuen Vorschriften durch den Erlass von Leitlinien zu konkretisieren.
Zwar haben die Leitlinien keinen Gesetzescharakter, das heißt die finale Auslegung der FSR bleibt den europäischen Gerichten und nicht der Kommission vorbehalten. Als sogenanntes soft law stellen die geplanten Leitlinien aber wichtige Leitplanken für die Anwendung der FSR in der Praxis dar.
Inhaltliche Schwerpunkte
Die materielle FSR-Prüfung erfolgt grundsätzlich in einem Dreischritt:
- Feststellung von drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen,
- Feststellung einer Wettbewerbsverzerrung auf dem EU-Binnenmarkt, und
- Feststellung, ob mögliche positive Auswirkungen mit der drittstaatlichen finanziellen Zuwendung einhergehen, die die festgestellte Wettbewerbsverzerrung aufwiegen (sogenannte Abwägungsprüfung).
Die Leitlinien sollen für mehr Klarheit hinsichtlich der Anwendung dieser Kriterien sorgen und klarstellen, wann die Kommission die Anmeldung eines nicht anmeldepflichtigen Zusammenschlusses oder auch die Meldung einer nicht meldepflichtigen drittstaatlichen finanziellen Zuwendung im Rahmen eines öffentlichen Vergabeverfahrens verlangen wird (sogenannte call-in Rechte).
Wettbewerbsverzerrung
Eine Wettbewerbsverzerrung auf dem EU-Binnenmarkt liegt vor, wenn
- die drittstaatliche Subvention geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Unternehmens auf dem EU-Binnenmarkt zu verbessern, und
- die drittstaatliche Subvention dadurch den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt tatsächlich oder potenziell beeinträchtigt.
Hinsichtlich des ersten Kriteriums der Verbesserung der Wettbewerbsposition des Unternehmens auf dem EU-Binnenmarkt unterscheidet der Leitlinien-Entwurf zwischen drei Kategorien von Subventionen. Während Subventionen, die das Unternehmen (i) für seine wirtschaftliche Tätigkeit auf dem EU-Binnenmarkt nutzt oder die (ii) darauf abzielen eine solche zu unterstützen, regelmäßig die Wettbewerbsposition des Unternehmens verbessern, ist dies (iii) auch in anderen Fällen nicht zwingend ausgeschlossen. Die Kommission argumentiert, dass auch Subventionen ohne spezifischen Zweck beziehungsweise solche für Tätigkeiten außerhalb der EU zur Quersubventionierung von wirtschaftlichen Tätigkeiten innerhalb der EU beitragen können, indem sie beispielsweise finanzielle Ressourcen freisetzen, die sonst anderweitig gebunden wären.
Die Kommission geht nach dem Leitlinien-Entwurf davon aus, dass eine Quersubventionierung wahrscheinlich ist, wenn dieser keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen. Solche besonderen Faktoren können sich laut der Kommission beispielsweise aus den Subventionsbedingungen, der Eigentümerstruktur, Verträgen mit Dritten, regulatorischen Vorgaben oder der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens ergeben. Der Leitlinien-Entwurf verkennt insoweit, dass die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der FSR bei der Kommission liegt. Denn Subventionen aus Nicht-EU Staaten bleiben – anders als solche aus EU-Staaten nach dem Prüfungsmaßstab des EU-Beihilferechts – im Grundsatz zulässig.
Der vorgeschlagene Catch-All-Ansatz der Kommission erscheint mit Blick auf das normale Cash Pooling im Konzern praxisfern und unausgewogen. Zwar will die Kommission das Verhalten des Unternehmens beim internen Transfer von Ressourcen betrachten. Gleichzeitig stellt sie aber klar, dass der Umstand, dass solche Transfers in der Vergangenheit nicht stattgefunden haben, nicht entscheidend gegen die Wahrscheinlichkeit von Quersubventionen spricht. Auch gesellschaftsinterne Vorschriften sollen nicht ausreichen, um eine Quersubventionierung zu widerlegen. Der Leitlinien-Entwurf bietet in dieser Form nur wenig Rechtssicherheit für betroffene Unternehmen. Insgesamt bleibt unklar, wie Unternehmen sich aufstellen können, um der Annahme einer Quersubvention durch die Kommission rechtssicher entgegentreten zu können.
Das zweite Kriterium der (tatsächlichen oder potenziellen) Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt durch die drittstaatliche Subvention setzt nach dem Wortlaut der FSR einen Kausalzusammenhang voraus. Der Leitlinien-Entwurf setzt einen sehr niedrigen Standard für den Nachweis durch die Kommission. So soll es genügen, dass die drittstaatliche Subvention potenziell zu einer Wettbewerbsbeeinträchtigung beiträgt, auch wenn es sich nicht um den einzigen oder den hauptsächlichen Grund für die Wettbewerbsverzerrung handelt. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Standard einer rechtlichen Überprüfung standhalten wird. Der Leitlinien-Entwurf enthält zudem eine nicht abschließende Auflistung häufig vorkommender Kategorien von Wettbewerbsverzerrungen (zum Beispiel betreffend Unternehmensakquisitionen, angepasstem Geschäfts- oder Investitionsverhalten oder Auswirkungen auf anderen Ebenen der Wertschöpfungskette wie Geschäftsverlagerungen in Länder außerhalb der EU), hinsichtlich derer die Kommission ihr Vorgehen bei der Bewertung darlegt.
Der Leitlinien-Entwurf sieht weiter vor, dass die Kommission jede gewährte drittstaatliche Subvention einzeln oder im Wege einer Gesamtbetrachtung bewerten kann. Dieser vorgeschlagene Ansatz räumt der Kommission einen sehr weitreichenden Beurteilungsspielraum ein, um eine Umgehung der FSR-Regeln durch eine (künstliche) Aufspaltung drittstaatlicher Subventionen zu verhindern, lässt aber konkrete Leitplanken für die Ausübung dieses Ermessens vermissen.
Die Kommission verwehrt sich auch der Einführung von weiteren Schwellenwerten, bei deren Unterschreitung eine Wettbewerbsverzerrung ausgeschlossen ist (sogenannter safe harbour). Nach der FSR gilt eine Wettbewerbsverzerrung jedenfalls dann als unwahrscheinlich, wenn der Gesamtbetrag einer drittstaatlichen Subvention 4 Millionen Euro bzw. 200.000 Euro pro Drittstaat in einem Zeitraum von drei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren nicht übersteigt.
Abwägungsprüfung
Die Kommission kann überprüfen, ob eine festgestellte Wettbewerbsverzerrung durch die positiven Auswirkungen der drittstaatlichen Subvention (ganz oder teilweise) aufgewogen wird. Hierbei sind die Auswirkungen auf die Entwicklung der betreffenden subventionierten wirtschaftlichen Tätigkeit sowie die umfassenderen positiven Auswirkungen in Bezug auf die einschlägigen politischen Ziele, insbesondere die der EU, zu berücksichtigen.
Die Ausführungen zum konkreten Vorgehen der Kommission bei der Abwägungsprüfung beschränken sich auf allgemeine Grundsätze. Das liegt auch in der Natur der Sache, da die Abwägungsprüfung Einzelfallentscheidungen ermöglichen soll. Weitere Fallpraxis könnte hier als Richtwert für mehr Klarheit sorgen.
Hinsichtlich der positiven Auswirkungen auf die subventionierte wirtschaftliche Tätigkeit rekurriert der Leitlinien-Entwurf auf die bereits aus dem EU-Beihilferecht bekannte Kategorie des Marktversagens. Ein solches liegt vor, wenn ein Markt aus Gründen, die nicht in der Hand des betroffenen Unternehmens liegen, keine effiziente Verteilung der Mittel und Ressourcen hervorbringt, wie beispielsweise nicht wettbewerbsfähige Preise oder geringe Innovation. Wenn eine drittstaatliche Subvention die wirtschaftliche Tätigkeit auf einem solchen Markt ermöglicht, kann dies eine positive Auswirkung sein.
Allgemeine politische Ziele, auf die sich eine drittstaatliche Subvention positiv auswirken kann, lassen sich im EU-Primärrecht (EU-Verträge, Grundrechte-Charta) finden. Der Leitlinien-Entwurf stellt klar, dass es sich aber auch um politische Ziele, die in anderen nicht bindenden EU-Regelungen enthalten sind, handeln kann, insbesondere den Mitteilungen und Leitlinien der Kommission im Bereich des EU-Beihilferechts. Sogar politische Ziele, die nicht solche der EU sind, aber für diese relevant sind, können als positive Auswirkungen einer drittstaatlichen Subvention berücksichtigt werden.
Die positiven Auswirkungen müssen nach dem Leitlinien-Entwurf spezifisch durch die drittstaatliche Subvention hervorgerufen und der Kausalzusammenhang mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Die Beweislast sieht die Kommission bei den Mitgliedstaaten und betroffenen Unternehmen, da die Abwägungsprüfung nach der FSR „auf der Grundlage der erhaltenen Informationen“ durchzuführen ist.
Die Abwägung der einzelnen Auswirkungen – ob positiv oder negativ – richtet sich nach deren Natur, Wahrscheinlichkeit und Intensität. Die Kommission behält sich in Ausnahmefällen wiederum eine Gesamtbetrachtung aller gewährten Subventionen vor. Während sich die Natur der negativen Auswirkungen aus der Art der Subvention (etwa eine unbegrenzte Garantie) ergibt, bleibt die Gewichtung der positiven Auswirkungen offen. Die Durchführung der Abwägungsprüfung kann für betroffene Unternehmen aber nicht zu einem nachteiligen Ergebnis führen.
Call-in Rechte
Die FSR sieht Anmeldepflichten für Unternehmenszusammenschlüsse sowie die Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren vor, wenn bestimmte Schwellenwerte erreicht werden. Ob eine Anmeldepflicht besteht, lässt sich mit dem Noerr FSR-Checker überprüfen. Vermutet die Kommission, dass die beteiligten Unternehmen in den drei vorausgehenden Jahren drittstaatliche Subventionen erhalten haben, kann sie nach der FSR aber auch dann die Notifizierung verlangen, wenn die Schwellenwerte nicht erreicht sind.
Der Leitlinien-Entwurf kündigt an, dass die Kommission eine Abwägung zwischen dem effektiven Schutz des EU-Binnenmarkts und den bürokratischen Belastungen für Unternehmen vornehmen wird. Relevant sei insbesondere, ob
- der Umsatz des Zielunternehmens dessen tatsächliche oder künftige wirtschaftliche Bedeutung angemessen widerspiegelt,
- eine Marktposition durch zahlreiche M&A-Transaktionen unterhalb der Schwellenwerte für eine Anmeldepflicht aufgebaut wird (sogenannte roll-up Konstellationen),
- strategische Sektoren oder Technologien betroffen sind, oder
- die in Art. 5 FSR genannten Kategorien drittstaatlicher Subventionen betroffen sind, bei denen mit größter Wahrscheinlichkeit eine Wettbewerbsverzerrung stattfindet.
Zu kritisieren ist, dass der Leitlinien-Entwurf damit lediglich Anhaltpunkte für Situationen liefert, in denen die Einberufung einer Transaktion wahrscheinlicher ist, aber das weite Ermessen der Kommission nicht näher eingrenzt. Insbesondere wird das call-in Recht nicht an das Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung im Sinne der FSR geknüpft, obwohl nach deren Erwägungsgründen auf die Auswirkungen in der EU abzustellen ist.
Kommentar
Der Leitlinien-Entwurf ist vor dem Hintergrund der durch die FSR hervorgerufenen Rechtsunsicherheit für Unternehmen zu begrüßen, bleibt aber insgesamt noch zu vage, um den gewünschten Mehrwert in der Praxis zu liefern. Zwar ist der Kommission zugute zu halten, dass der eigene Erfahrungsschatz mit der FSR noch begrenzt ist und insbesondere gerichtliche Entscheidungspraxis zum spezifischen Umgang mit der FSR fehlt. Die Kommission operiert mit der FSR aber nicht im luftleeren Raum. Viele der Rechtskonzepte der FSR sind aus dem EU-Beihilferecht, dem Vergaberecht, dem Handelsrecht und der EU-Fusionskontrolle bekannt und bereits durch Entscheidungspraxis konkretisiert worden. Der Leitlinien-Entwurf lässt solche Bezüge weitgehend vermissen, vermutlich auch deshalb, weil die Kommission sich mit Blick auf ihren weiten Beurteilungsspielraum hiervon bewusst lossagen möchte.
Falls Ihr Unternehmen sich bis zum 12. September 2025 noch mit einer eigenen Stellungnahme an der Konsultation beteiligen möchte, unterstützt unser Noerr Kompetenzteam Sie gerne.
Unser Noerr Kompetenzteam besteht aus erfahrenen Expertinnen und Experten auf dem Gebiet der FSR, des EU-Beihilferechts sowie der Fusionskontrolle und steht für Rückfragen und bei Unterstützungsbedarf gerne zur Verfügung. Melden Sie sich auch gerne hier an, um alle unsere News Alerts zur FSR zu erhalten oder klicken Sie hier , um zu unserem neuen FSR-Checker zu gelangen und herauszufinden, ob Ihre M&A-Transaktion anmeldepflichtig ist.
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