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Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie in Ungarn

27.04.2023

Kurz nach Ostern, am 11. April 2023, verabschiedete das ungarische Parlament sein lang erwartetes Gesetz („Hinweisgeberschutzgesetz“) zur Umsetzung der EU-Richtlinie Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, nachstehend die „Richtlinie“). Die Richtlinie zielt darauf ab, den Schutz von Hinweisgebern („Whistleblower“) in ganz Europa zu verbessern, unter anderem durch die Verpflichtung von Unternehmen, interne Meldewege einzurichten.

Das Hinweisgeberschutzgesetz setzt die Bestimmungen der Richtlinie größtenteils um, weicht aber in einigen Punkten von der Richtlinie ab oder geht über sie hinaus.

Diese Zusammenfassung konzentriert sich auf die wichtigsten Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes in der Unternehmenspraxis.

Anzahl der Mitarbeiter oder Geschäftsfeld ist das entscheidende Kriterium

Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet folgende Unternehmen, interne Meldewege einzurichten:

  • Arbeitgeber mit mindestens 50 Beschäftigten. Auf der Grundlage des Hinweisgeberschutzgesetzes sind auch natürliche Personen, die eine Tätigkeit gegen Entgelt und auf Anweisung des Unternehmens ausüben (z. B. Auszubildende, Leiharbeiter, Auftragnehmer), als Arbeitnehmer zu betrachten.
  • Unternehmen in besonderen Bereichen, unabhängig von der Zahl ihrer Beschäftigten. Dazu gehören Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen, Wirtschaftsprüfer, Buchhalter, Steuerberater, Anwaltskanzleien, Unternehmen, die eine Tätigkeit im Zusammenhang mit Immobilientransaktionen ausüben, Unternehmen im Öl- und Gassektor und Betreiber schwimmender Anlagen auf ungarischem Staatsgebiet.

Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten können über einen gemeinsamen internen Meldeweg (Hotline) Ressourcen gemeinsam nutzen.

Auch Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern sollten die freiwillige Einrichtung von Whistleblower-Strukturen in Erwägung ziehen, um rufschädigende externe Indiskretionen zu vermeiden (die ebenfalls durch das Hinweisgeberschutzgesetz geschützt sind).

Hinweisgeber und Whistleblowing-Themen

Eine Hinweisgeber-Meldung kann erfolgen durch (i) künftige, derzeitige oder frühere Arbeitnehmer, (ii) künftige, derzeitige oder frühere Selbständige, die in einer Beziehung zum Unternehmen stehen, (iii) künftige, derzeitige oder frühere Gesellschafter und Personen, die dem Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Unternehmens angehören, (iv) künftige, derzeitige oder frühere Praktikanten oder Freiwillige und (v) Auftragnehmer, Unterauftragnehmer oder Lieferanten, die in einer vertraglichen Beziehung zum Unternehmen stehen. Die Unternehmen sind nicht verpflichtet, anonyme Hinweise zuzulassen, d.h. ihnen nachzugehen.

Die internen Meldewege (Hotlines) müssen für alle rechtswidrigen oder mutmaßlich rechtswidrigen Handlungen, Unterlassungen oder sonstigen Informationen im Zusammenhang mit einem Missstand zur Verfügung stehen.

Die meldende Person darf keine nachteiligen Maßnahmen (z. B. Kündigung des Arbeitsverhältnisses, Diskriminierung oder sonstige nachteilige rechtliche Folgen) aufgrund der Meldung erleiden.

Organisatorische Anforderungen

Die Whistleblowing-Hotline muss von einer unabhängigen und zuständigen Person oder Dienststelle betrieben werden. Das Hinweisgeberschutzgesetz verbietet nicht die Wahrnehmung anderer Aufgaben, d.h. der Betrieb der Whistleblowing-Hotline kann eine von mehreren Aufgaben der zuständigen Person oder Dienststelle sein.

Die Auslagerung des internen Hinweisgeberkanals an Vertrauensanwälten oder an dritte Organisationen ist zulässig. Der Betrieb der Hotline und die notwendigen Folgemaßnahmen dürfen jedoch nicht vollständig an Dritte ausgelagert werden (keine Übertragung der Verantwortung auf Dritte). Die originäre Verantwortung für die Wahrung der Vertraulichkeit bei der Bearbeitung der Whistleblowing-Meldung und für die Beseitigung des Verstoßes verbleibt immer beim verpflichteten Arbeitgeber. Es bedarf daher einer engen Abstimmung zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten, z.B. im Hinblick auf interne Ermittlungen und Maßnahmen zur Beseitigung des Missstandes.

Anforderungen an die Berichtswege

Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält mehrere verbindliche Verfahrensvorschriften für den Betrieb interner Meldewege. Unter anderem sind die Unternehmen verpflichtet,

  • die Möglichkeit zu bieten, Hinweise schriftlich oder mündlich zu erteilen,
  • die Sachdienlichkeit der Meldung und die Stichhaltigkeit der erhobenen Vorwürfe zu prüfen, mit dem Hinweisgeber Kontakt aufzunehmen und erforderlichenfalls weitere Informationen anzufordern,
  • die Vertraulichkeit des Hinweisgebers und der von der Meldung betroffenen Person(en) zu wahren,
  • der Dokumentationspflicht nachzukommen, d. h. den Inhalt der mündlichen Meldungen schriftlich festzuhalten und den Erhalt der Meldung innerhalb von sieben Tagen zu bestätigen,
  • Folgemaßnahmen zu ergreifen (z. B. interne Untersuchung, Einstellung der Untersuchung, Weiterleitung von Informationen an Behörden),
  • den Hinweisgebern innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Meldung eine Rückmeldung über das Ergebnis der Untersuchung, die geplanten und bereits eingeleiteten Folgemaßnahmen sowie die Gründe dafür zu geben,
  • Informationen über die Funktionsweise des eigenen Meldekanals, das entsprechende Verfahren und die wichtigsten Bestimmungen des Hinweisgeberschutzgesetzes in leicht zugänglicher Form bereitzustellen. In der Praxis bedeutet dies, dass eine Richtlinie über die Funktionsweise des internen Meldewegs ausgearbeitet und per E-Mail oder auf der Website des Unternehmens kommuniziert werden muss.

Datenschutzrechtliche Anforderungen

Der Betrieb des internen Meldewegs (Hotline) beinhaltet die Verarbeitung personenbezogener Daten sowohl der meldenden Person als auch der vom Whistleblowing betroffenen Person. Das Unternehmen, das den internen Meldeweg betreibt, muss als für die Datenverarbeitung Verantwortlicher einen Datenschutzhinweis über die Datenverarbeitung im Zusammenhang mit dem Betrieb des Meldesystems erstellen und ihn den betroffenen Personen (meldende Personen, vom Whistleblowing betroffene Personen) mitteilen. Diese Datenverarbeitungstätigkeit muss auch in das Register der Datenverarbeitungstätigkeiten des Unternehmens aufgenommen werden.

Das Hinweisgeberschutzgesetz regelt streng die zulässigen Verarbeitungszwecke, die Empfänger, an die die personenbezogenen Daten übermittelt werden können, und die Löschungspflichten des Verantwortlichen. Für die Übermittlung der personenbezogenen Daten in Nicht-EU-Länder gelten besondere Regeln.

Wirkung des Hinweisgeberschutzgesetzes

Das Hinweisgeberschutzgesetz tritt 60 Tage nach seiner Veröffentlichung (die noch nicht erfolgt ist) in Kraft. Derzeit gehen wir davon aus, dass die Hinweisgebersysteme bis Anfang Juli 2023 in Betrieb sein müssen.

Das Hinweisgeberschutzgesetz enthält eine Schonfrist für Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern, die verpflichtet sind, den internen Meldeweg aufgrund der Anzahl ihrer Mitarbeiter und nicht ihrer besonderen Tätigkeiten zu betreiben. Für sie gilt die Verpflichtung zur Einrichtung eines Meldewegs erst ab dem 17. Dezember 2023.

Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der Bestimmungen des Hinweisgeberschutzgesetzes

Das Versäumnis, eine interne Whistleblowing-Hotline einzurichten, führt nicht direkt zu einem Bußgeld. Die zuständige Arbeitsaufsichtsbehörde ist zwar berechtigt zu prüfen, ob die Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes erfüllt werden, kann aber im Falle der Nichteinhaltung die Unternehmen lediglich dazu verpflichten, die einschlägigen Vorschriften über die Behandlung von Hinweisgebern einzuhalten.

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