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BFH: Rück­wirken­der Entfall der Einkommen­steuer bei Irrtum über steuer­liche Folgen einer Güter­stands­schaukel

30.09.2025

Hintergrund

Beim Abschluss von Verträgen haben die beteiligten Parteien regelmäßig eine konkrete Vorstellung über die steuerlichen Folgen ihres Handelns. Ergibt sich später eine unerwartet hohe steuerliche Belastung, besteht oft ein Interesse an einer rückwirkenden Beseitigung oder Abmilderung der Steuerfolgen. Zivilrechtlich ist eine Rückabwicklung von Rechtsgeschäften zwar bei Einvernehmen der Vertragsparteien in aller Regel unproblematisch. Eine entstandene Steuer bleibt aber grundsätzlich bestehen. Ohne gesetzliche Ausnahmeregelung (z.B. § 6 Abs. 3 AStG, § 16 GrEStG, § 29 ErbStG) beseitigt die Rückgangmachung tatsächlicher oder rechtlicher Vorgänge eine Steuer regelmäßig nicht.

In einem kürzlich veröffentlichten Urteil (v. 9. Mai 2025, Az. IX R 4/23) hatte der BFH über die Voraussetzungen für eine rückwirkende Beseitigung der Einkommensteuer auf den Gewinn aus der Veräußerung einer GmbH-Beteiligung zu entscheiden.

Urteil des BFH vom 9. Mai 2025 – IX R 4/23

Dem Urteilsfall lag eine sog. Güterstandsschaukel zugrunde. Die zusammenveranlagten Ehegatten hatten nach einer steuerlichen Beratung eine Vereinbarung über den Wechsel vom gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft in den Güterstand der Gütertrennung abgeschlossen. Der hierdurch begründete Zugewinnausgleichsanspruch ist von der Schenkungsteuer befreit (§ 1378 BGB, § 5 Abs. 2 ErbStG). Im Grundsatz kann auf diese Weise Vermögen ohne schenkungsteuerliche Belastung von einem Ehegatten auf den anderen Ehegatten übertragen werden.

Zur Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs einigten sich die Ehegatten auf eine Übertragung von GmbH-Anteilen und entschieden sich damit gegen die ansonsten häufig gewählte Variante einer Anspruchserfüllung durch Geldzahlung oder Übereignung von mehr als zehn Jahren im Privatvermögen gehaltenen Grundstücken. Nach Angabe der klagenden Ehegatten geschah die Anteilsübertragung im Vertrauen auf die Einschätzung des steuerlichen Beraters, der zufolge durch die Übertragung der GmbH-Anteile zur Erfüllung des Zugewinnausgleichsanspruchs keine Steuerbelastung (d.h. weder Schenkung- noch Einkommensteuer) entstehen werde.

Das Finanzamt unterwarf die Anteilsübertragung jedoch entgegen der Erwartung der Ehegatten gemäß § 17 EStG der Einkommensteuer, da kein unentgeltlicher Vorgang, sondern ein tauschähnliches Geschäft gegeben gewesen sei. Im laufenden Einspruchsverfahren vereinbarten die Ehegatten daraufhin die Rückübertragung der abgetretenen GmbH-Anteile. Das Finanzamt sah in dieser Rückabwicklung allerdings kein rückwirkendes Ereignis iSv. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und hielt daher an der Einkommensteuerfestsetzung fest. Die hiergegen erhobene Klage des Ehepaars vor dem Finanzgericht Niedersachsen hatte Erfolg, weshalb das Finanzamt anschließend Revision einlegte.

Der BFH gelangte mit dem Finanzgericht Niedersachsen zu dem Ergebnis, dass mit der Anteilsübertragung zwar der Tatbestand des § 17 Abs. 1 EStG erfüllt worden und zunächst ein Veräußerungsgewinn entstanden sei. Der Veräußerungsgewinn entfiele allerdings mit steuerlicher Wirkung für die Vergangenheit, weil die Rückübertragung der GmbH-Anteile ein steuerlich anzuerkennendes rückwirkendes Ereignis ist.

Nach Auffassung des BFH kann der Wegfall einer Geschäftsgrundlage im Sinne des § 313 BGB ein steuerlich anzuerkennendes rückwirkendes Ereignis darstellen. Zu den Tatsachen oder rechtlichen Bewertungen, die einen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen können, zählten auch steuerrechtliche Folgen. Einschränkend führte der BFH aus, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage aufgrund einer Fehlvorstellung über steuerliche Folgen nur dann erfolgreich geltend gemacht werden könne, wenn insbesondere (i) die unerwarteten steuerlichen Folgen nicht ausschließlich in den Risikobereich einer Partei fallen und (ii) die Vertragserfüllung trotz geänderter Umstände nicht zumutbar ist. Zudem sei erforderlich, dass der Grund für den Wegfall der Geschäftsgrundlage bereits im ursprünglichen Rechtsgeschäft „angelegt“ ist. Dabei müsse von den Vertragsparteien vor oder beim Abschluss des gestörten Rechtsgeschäfts ein Umstand erörtert worden sein, dessen Eintritt nach der gemeinsamen Vorstellung der Vertragspartner derart evident ist, dass mit ihm der Vollzug des Rechtsgeschäfts „steht und fällt“. Den Steuerpflichtigen treffe hierfür die Darlegungs- und Beweislast.

Bei Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 17 EStG fällt die steuerliche Belastung grundsätzlich nur einer Partei zur Last, sodass der Anwendungsbereich für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage im Regelfall nicht eröffnet ist. Die Besonderheit des Urteilsfalls lag darin, dass beide Ehegatten als zusammenveranlagte Personen gemäß § 44 AO Gesamtschuldner der Einkommensteuer sind. Im Ergebnis konnten daher die engen Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage aufgrund irrtümlicher Vorstellung über die steuerlichen Folgen ausnahmsweise dargelegt und bewiesen werden.

Praxisfolgen

Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen und sorgt für Rechtssicherheit. Der BFH hat erneut bestätigt, dass Vorstellungen von Vertragsparteien über die steuerliche Behandlung eines Rechtsgeschäfts gemeinsame Geschäftsgrundlage sein können. Die Voraussetzungen für die rückwirkende Beseitigung einer Steuer wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage dürften jedoch nur in Ausnahmefällen gegeben sein. In Betracht kommen insbesondere Vorgänge, bei denen die Parteien Gesamtschuldner der in Frage stehenden Steuer sind (z.B. zusammenveranlagte Ehegatten oder die Parteien einer Schenkung). Irrtümer über die steuerlichen Folgen eines Geschäfts auf Seiten nur einer Vertragspartei reichen für eine gemeinsame Geschäftsgrundlage regelmäßig nicht aus.

Für die Praxis eröffnet sich unter engen Voraussetzungen die Möglichkeit, unerwartete steuerliche Folgen rückwirkend zu beseitigen. Gerade im Rahmen eines anhängigen Steuerstreits sollte sorgfältig geprüft werden, ob die Voraussetzungen für den Wegfall einer Geschäftsgrundlage vorliegen und eine Berufung auf die Rechtsauffassung des BFH zweckmäßig ist. Bei Gestaltung einer Güterstandsschaukel empfiehlt es sich zudem, neben den schenkungsteuerlichen stets auch die ertragsteuerlichen Folgen zu berücksichtigen. Dazu zählt insbesondere die Art der Erfüllung eines schenkungsteuerfrei begründeten Zugewinnausgleichsanspruchs.

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