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Raffiniert: Investitions­kontrolle gerichtlich geprüft

17.01.2024

Erstmals in der deutschen Investitionskontrolle – bekannt unter der englischen Abkürzung FDI für Foreign Direct Investment – hat das Verwaltungsgericht Berlin 2023 zwei Entscheidungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) aufgehoben.

Die erste Entscheidung betraf den Erwerb einer Beteiligung an der PCK Raffinerie GmbH in Schwedt. Das Unternehmen betreibt die wichtigste Erdölraffinerie in Ostdeutschland, die Berlin und Brandenburg zu 95 Prozent mit Kraftstoffen versorgt. Die österreichische Erwerberin Alcmene GmbH, deren Muttergesellschaft in Guernsey ansässig ist, hatte die Transaktion dem BMWK zum Zweck der Investitionsprüfung gemeldet. Zwischen der Erwerberin und der Veräußerin kam es jedoch zum Streit über die Wirksamkeit des Kaufvertrags. Das BMWK stellte daraufhin das Verfahren per „Bescheid“ ein, weil der Anteilskaufvertrag gemäß dem Vortrag der Veräußerin unwirksam geworden sei. Mangels Rechtsgeschäfts habe sich das Verfahren „erledigt“. Hiergegen klagte Alcmene.

Mit Urteil vom 07.11.2023 (Az. VG 4 K 536/22) entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass das BMWK das Verfahren nicht gegen den Willen von Alcmene hätte einstellen dürfen. Ein Investitionsprüfverfahren, das durch die Meldung eines Erwerbers eingeleitet wird, darf grundsätzlich nur mit dessen Zustimmung eingestellt werden. Im Gesetz gibt es keine Grundlage für einen „Einstellungsbescheid“ zu Lasten des Anmelders. Außerdem entschied das Gericht, dass der Kaufvertrag infolge des Ablaufs der gesetzlichen Prüffrist als genehmigt gilt. Auch wenn die Wirksamkeit des Vertrags unter den Parteien streitig ist, hindert dies die Fiktion der Genehmigung nicht. Anderes kann gelten, wenn ein Erwerb offenkundig nicht mehr verwirklicht werden kann. Dies ließ sich jedoch vorliegend nicht sagen.

In der zweiten Entscheidung ging es um den bereits 2019 vollzogenen Erwerb der Heyer Medical AG, eines deutschen Herstellers von Anästhesie- und Beatmungsgeräten, durch die chinesische Aeonmed-Gruppe. Von dem Erwerb erfuhr das BMWK im April 2020. Es kontaktierte daraufhin die beteiligten Unternehmen, was den Erwerber veranlasste, beim BMWK eine Unbedenklichkeitsbescheinigung zu beantragen. Das BMWK leitete daraufhin im August 2020 ein Prüfverfahren ein und untersagte die Transaktion im Jahr 2022. Es begründete dies mit der Bedeutung der Beatmungstechnik in der Corona-Pandemie.

Mit Urteil vom 15.11.2023 (Az. VG 4 K 253/22) hob das Verwaltungsgericht Berlin die Untersagung auf. Erstens hatte es das BMWK versäumt, den Erwerber ordnungsgemäß zu den zahlreichen Tatsachen anzuhören, mit denen das BMWK die Untersagung begründete. Zweitens hatte das BMWK das Prüfverfahren zu spät eröffnet. Denn zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung war die damals geltende Untersagungsfrist bereits abgelaufen. Der Antrag auf Unbedenklichkeitsbescheinigung konnte die Frist nicht erneut in Gang setzen.

Mit diesen Urteilen werden die Verfahrensrechte der Unternehmen in der Investitionsprüfung spürbar gestärkt. Insbesondere dürfte das Erfordernis der Anhörung die Transparenz und Vorhersehbarkeit der Verfahren erhöhen.

Noerr hat die Alcmene GmbH im Verfahren der Investitionsprüfung und vor dem Verwaltungsgericht Berlin vertreten.

 

Dieser Artikel ist Teil des Competition Outlook 2024. Alle Artikel des Competition Outlooks finden Sie hier.

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