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LkSG-Update: BAFA ermittelt wegen möglicher Verstöße gegen das LkSG

20.10.2023

Wie das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mitteilte, ermittelt es gegen 58 deutsche Unternehmen wegen möglicher Verstöße gegen das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Es handelt sich, soweit ersichtlich, um den ersten Fall dieser Art. Dieser wirft komplexe und bislang noch gerichtlich ungeklärte Fragen auf.

Öffentliche Streiks gegen ein polnisches Unternehmen als Auslöser

Im Frühjahr und Sommer 2023 streikten Fahrer eines polnischen Transportunternehmens auf einer deutschen Autobahnraststätte über mehrere Monate. Die Fahrer beklagten menschenunwürdige Arbeitsbedingungen bei ihrem Arbeitgeber und nicht gezahlte Löhne. Über beide Streiks berichteten mehrere deutsche Medien. Als die Fahrer im Sommer in den Hungerstreik gingen, wirkte Bundesarbeitsminister Heil auf eine Sonderprüfung durch das BAFA auf Grundlage des LkSG hin. Denn die Lastwagen hatten unter anderem Waren deutscher Unternehmen geladen. Im September 2023 sprachen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BAFA mit den Fahrern, stellten vor Ort zu Beweiszwecken zahlreiche Frachtbriefe sicher und werteten diese aus. Wie sich herausstellte, sind 58 deutsche Unternehmen, die die Dienste des Transportunternehmens in Anspruch nahmen, nach dem LkSG verpflichtet.

LkSG als Einfallstor für Ermittlungsmaßnahmen gegen deutsche Unternehmen

Der Fall ist ein Novum und zeigt, dass das erst jüngst in Kraft getretene LkSG bereits als Einfallstor für behördliche Ermittlungsmaßnahmen fungiert – einschließlich möglicher Geldbußen. Auf den ersten Blick bemerkenswert ist, dass die betroffenen Unternehmen „durch die Hintertür“ in den Fokus der Aufsichtsbehörde rückten. Ausgangspunkte der Streiks waren nämlich die angeprangerten prekären Arbeitsbedingungen, die bei dem polnischen Transportunternehmen herrschen sollen, nicht hingegen die Arbeitssituation bei den deutschen Unternehmen. Der Vorwurf aus Sicht des LkSG ist ein anderer: Nach dem LkSG verpflichtete Unternehmen müssen ihre direkten Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen auf menschenrechtliche sowie umweltbezogene Risiken bzw. Verletzungen prüfen und ggf. angemessene Maßnahmen ergreifen. Aufgrund der Streiks im Frühjahr und der damit verbundenen medialen Berichterstattung seien den Unternehmen die Bedingungen der Fahrer bekannt gewesen.

Ungeklärte Fragen

Sogenannte mittelbare Zulieferer, wie z.B. Subunternehmen, die oft im Transportgewerbe eingesetzt werden, sind nicht von vornherein von den Sorgfaltspflichten des LkSG erfasst. Nur wenn dem Unternehmen tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die eine Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen, muss das Unternehmen handeln (§ 9 Abs. 3 Satz 1 LkSG). Stimmen in der rechtswissenschaftlichen Literatur zweifeln daran, ob die Vorschrift verfassungsrechtlich bestimmt genug für den Erlass von Geldbußen ist. Daneben gehen mit der Vorschrift trotz der Auslegungshinweise in den FAQ und Handreichungen des BAFA komplexe und bislang nicht gerichtlich geklärte Fragen einher:

  • Welche Anforderungen sind an die Qualität und den Detailgrad der Anhaltspunkte zu stellen, sodass eine Verletzung möglich erscheint? Muss z.B. ein konkretes Unternehmen genannt sein?
  • Reichen Veröffentlichungen im Internet oder Ausstrahlungen im Fernsehen aus? Dies kann zumindest bezweifelt werden, weil das LkSG davon spricht, dass die Informationen dem Unternehmen vorliegen müssen. Dies dürfte nur der Fall sein, wenn eine relevante Person innerhalb des Unternehmens die Informationen kennt oder zumindest kennen muss, z.B. über eine Meldung im obligatorischen Beschwerdekanal.
  • Wann liegt eine Wiederholungsgefahr vor und welche Anforderungen sind an angemessene und wirksame Abhilfemaßnahmen zu stellen? Schließlich muss ein Unternehmen nur unter engen Voraussetzungen und als ultima ratio die Geschäftsbeziehung mit dem betroffenen Unternehmen abbrechen (§ 7 Abs. 3 LkSG).

Fazit und Ausblick

Das LkSG wirft weiterhin zahlreiche und komplexe Fragen auf. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass das Gesetz zukünftig verstärkt als Einfallstor für Ermittlungsmaßnahmen der Aufsichtsbehörde dienen wird. Verpflichtete Unternehmen sollten sich hierauf einstellen und die notwendigen Maßnahmen ergreifen sowie nachvollziehbar dokumentieren. Zudem ist absehbar, dass Unternehmen verstärkt darauf achten müssen, Risiken oder etwaige Verletzungen ordnungsgemäß aufzuklären und ggf. die adäquaten Maßnahmen zu ergreifen.

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