News

Neuer Referenten­entwurf des Bundes­ministeriums der Finanzen könnte Beteiligung von Finanz­investoren an Steuer­beratungs­gesell­schaften erschweren

22.08.2025

Mit dem aktuellen Referentenentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) mit Bearbeitungsstand vom 7. August 2025 könnte bald eine bislang gängige Gestaltung des Fremdbesitz- und Fremdbeteiligungsverbots an Steuerberatungskanzleien unmöglich werden: die Beteiligung an deutschen Steuerberatungsgesellschaften über mehrstöckige Strukturen unter Einbindung ausländischer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.

Hintergrund dieser in den vergangenen Jahren vermehrt nachgefragten Gestaltungen ist das für Steuerberatungsgesellschaften in § 55a Abs. 3 StBerG statuierte Fremdbesitz- und Fremdbeteiligungsverbot, wonach berufsfremde Dritte nicht zum Kreis zulässiger Gesellschafter einer Steuerberatungsgesellschaft gehören und Anteile auch nicht für solche berufsfremden Dritten gehalten werden dürfen.

Bislang können Finanzinvestoren gleichwohl mittelbar in deutsche Steuerberatungsgesellschaften investieren. Kernelement dieser Beteiligungsmodelle war eine ausländische EU-Abschlussprüfungsgesellschaft, die als Gesellschafterin einer deutschen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft fungierte; letztere hielt sodann Anteile an der Steuerberatungsgesellschaft. Da § 55a StBerG derzeit nur an die unmittelbar beteiligte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft anknüpft, war eine mittelbare Beteiligung von Finanzinvestoren auf der Ebene ihrer Gesellschafter in solchen Jurisdiktionen möglich, die kein dem StBerG ähnliches Fremdbesitz- und Fremdbeteiligungsverbot vorsehen. Vermehrt wurden solche Strukturen zuletzt unter Einbindung von in Luxemburg anerkannten EU-Abschlussprüfungsgesellschaften errichtet, denn das Luxemburger Recht sieht kein Verbot der Beteiligung berufsfremder Gesellschaften vor.

Wesentliche Änderungen durch den Referentenentwurf

Die für derartige Gestaltungen maßgebliche Änderung des nunmehr kürzlich veröffentlichten Referentenentwurfes dürfte eine geringfügige – aber folgenschwere – Ergänzung des § 55a Abs. 1 Satz 2 StBerG sein. § 55a StBerG regelt die Gesellschafter- und Kapitalstruktur von Berufsausübungsgesellschaften von Steuerberatern. Gesellschafter einer Berufsausübungsgesellschaft von Steuerberatern können demnach unter anderem anerkannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (§ 55a Abs. 1 Nr. 3 StBerG) und anerkannte Buchprüfungsgesellschaften (§ 55a Abs. 1 Nr. 4 StBerG) sein.

Der Entwurf sieht vor, dass nach § 55a Abs 1. S. 2 StBerG Folgendes eingefügt wird: „In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 und 4 muss die beteiligte Gesellschaft die Anerkennungsvoraussetzung des § 53 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 erfüllen.“

§ 53 StBerG regelt die Anerkennung von Steuerberatungsgesellschaften durch die Steuerberaterkammern. § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StBerG lautet: „Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn 1. die Berufsausübungsgesellschaft, ihre Gesellschafter und die Mitglieder der Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgane die Voraussetzungen der §§ 49, 50, des § 51 Absatz 5, der §§ 55a und 55b erfüllen. (…)“.

Diese Änderung bringt erhebliche Konsequenzen mit sich. Künftig sollen an einer steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaft beteiligte Wirtschaftsprüfungs- oder Buchprüfungsgesellschaften also nur dann zulässig sein, wenn sie ihrerseits die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 53 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StBerG erfüllen. Dies bedeutet:

Bei mehrstöckigen Strukturen muss eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die sich an einer Steuerberatungsgesellschaft beteiligt, selbst die Anforderungen der in Bezug genommenen Vorschriften erfüllen, insbesondere über die Kapital- und Gesellschafterstruktur des § 55a StBerG verfügen.

Auch die Gesellschafter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die sich an der Steuerberatungsgesellschaft beteiligt, müssen die Anforderungen des § 55a StBerG erfüllen.

Das können auch EU-Abschlussgesellschaften sein. Denn eine Einschränkung, dass sich diese Maßgabe nur auf in Deutschland errichtete mehrstöckige Strukturen beziehen soll, enthalten weder der Wortlaut der Änderung noch die Begründung des Entwurfes.

Auswirkungen auf bisher zulässige Beteiligungsmodelle

Durch die Neuregelung wäre die eingangs skizzierte Beteiligungskette künftig unzulässig, wenn die EU-Abschlussprüfungsgesellschaft nicht selbst die Anforderungen der in Bezug genommen Vorschriften erfüllt – was regelmäßig nicht der Fall ist, da es in verschiedenen Jurisdiktionen keine dem § 55a StBerG vergleichbare Begrenzung des zulässigen Gesellschafterkreises und insbesondere kein Fremdbesitz- und Fremdbesitz- und Fremdbeteiligungsverbot gibt. Die geplante Regelung würde eine aktuell mögliche und berufsrechtlich zulässige Gestaltung faktisch unterbinden.

Ziel der Änderung: Verschärfung der Anforderungen an mehrstöckige Beteiligungen

Ziel ist laut Begründung des Referentenentwurfs eine „Präzisierung“ der geltenden Vorschriften – faktisch jedoch handelt es sich um eine erhebliche Erweiterung der Anforderungen für mehrstöckige Beteiligungsstrukturen.

Laut der Begründung des Entwurfs bestünden in der Praxis „Unklarheiten hinsichtlich der Auslegung des § 55a Absatz 1 Satz 2 StBerG, wonach es bei gesetzlichen Voraussetzungen, die in der Person der Gesellschafter oder der Mitglieder der Geschäftsführung erfüllt sein müssen, auf die Gesellschafter und die Geschäftsführung der beteiligten Gesellschaft ankommt. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob die Gesellschafter einer an einer steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaft beteiligten Wirtschaftsprüfungs- oder Buchprüfungsgesellschaft beziehungsweise im Fall einer mehrstöckigen Gesellschaft die Gesellschafter der wiederum an dieser Gesellschaft beteiligten Gesellschaften ihrerseits die Voraussetzungen erfüllen müssen, die an eine steuerberatende Berufsausübungsgesellschaft gestellt werden. Die Beteiligung einer Gesellschaft an einer steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaft soll zur Wahrung der Unabhängigkeit nur in engen Grenzen möglich sein. Es sollen nur solche Gesellschaften eine Gesellschafterposition innehaben dürfen, die selbst die grundlegenden Anforderungen erfüllen, die an steuerberatende Berufsausübungsgesellschaften gestellt werden. Durch die Änderung des § 55a Absatz 1 Satz 1 StBerG soll ausdrücklich klargestellt werden, dass die Anforderungen, die an steuerberatende Berufsausübungsgesellschaften gestellt werden, auch von beteiligten anerkannten Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften eingehalten werden müssen.“ (vgl. S. 99 des Entwurfes)

Der Widerstand der Bundessteuerberaterkammer gegen die skizzierten Transaktionsstrukturen und das Bestreben, diese zeitnah zu unterbinden, dürfte der Impetus hinter diesem Entwurf sein – mehr als es vermeintlich einer Präzisierung oder Klarstellung berufsrechtlicher Vorgaben bedarf, denn die Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes und der Wirtschaftsprüferordnung lassen mehrstöckige Beteiligungsstrukturen ausdrücklich zu. Gerade diese nimmt der Entwurf ausweislich der zitierten Begründung aber vornehmlich in den Blick.

Erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben

Das erklärt, warum der Entwurf offenbar mit heißer Nadel gestrickt wurde. In der derzeitigen Fassung bestehen erhebliche Bedenken, ob dieser mit europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist.

Der Entwurf lässt offen, ob sich die neue Vorschrift auch auf EU-Abschlussprüfungsgesellschaften erstrecken soll (siehe oben). Sollte dies der Fall sein, wird die Änderung mit dem Herkunftslandprinzip der Abschlussprüferrichtlinie nicht vereinbar sein.

Die Richtlinie sieht vor, dass die Gesellschafter- und Kapitalstruktur von EU-Abschlussprüfungsgesellschaften allein dem Recht des Herkunftsstaates unterliegt, diese aber dennoch hier anerkannt werden. Das wäre aber nicht länger der Fall, wenn EU-Abschlussgesellschaften nunmehr die strengeren Anforderungen der Berufsrechts der Steuerberater nach dem StBerG erfüllen müssten. Eine mittelbare „Nachschaltung“ der Anforderungen des deutschen Berufsrechts an ausländische Gesellschaften würde dazu führen, dass das StBerG Anforderungen an die Gesellschafterstruktur ausländischer Gesellschaften stellt, die dem jeweiligen nationalen Recht unterliegen. Dies ist mit dem Europarecht nicht vereinbar.

Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen vor dem Hintergrund des Vertrauensschutzes. Die neuen Anforderungen würden ab Inkrafttreten des Gesetzes gelten. Bereits errichtete Strukturen dürften damit derzeit noch Bestandsschutz genießen, das heißt, bereits errichtete Strukturen werden noch nach der alten Rechtslage beurteilt und wären damit noch zulässig. Denn aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen Rechtswirkungen von Normen frühestens mit der Verkündung der Norm eintreten. Ansonsten liegt grundsätzlich ein Verstoß gegen das sog. Rückwirkungsverbot vor. Eine sogenannte echte Rückwirkung kann aber zulässig sein, wenn kein Vertrauensschutz besteht. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann der Fall, wenn derjenige, der Vertrauen hat, zu dem Zeitpunkt, auf den sich ein rückwirkendes Gesetz bezieht, mit einer Neuregelung rechnen musste. Hierfür knüpft die Rechtsprechung grundsätzlich an den Gesetzesbeschluss des Bundestags an. Ausnahmsweise kann aber auch auf den Beschluss des Bundeskabinetts abgestellt werden. Letzteres soll zulässig sein, um Ankündigungs- und Mitnahmeeffekte zu vermeiden, welche die Wirksamkeit einer Neuregelung unterlaufen könnten.

Der Entwurf sieht keine Ausnahmen oder Übergangsvorschriften für bereits errichtete Strukturen vor. Selbst für bestandsgeschützte Strukturen bedeutet das, sobald schon errichtete Strukturen im Nachhinein wieder angetastet würden, könnte die Steuerberaterkammer diese auf Vereinbarkeit mit der neuen Rechtslage prüfen. Entsprechen diese nicht den verschärften Anforderungen, könnte bereits anerkannten Berufsausübungsgesellschaften gem. § 55 Abs. 3 Nr. 1 StBerG die Anerkennung widerrufen werden. Nach dem derzeitigen Entwurf dürfte das selbst dann gelten, wenn die eigentliche Beteiligungskette von EU-Abschlussprüfungsgesellschaft zu inländischer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Steuerberatungsgesellschaft unverändert bestehen bleibt, etwa aber einfache Gesellschafterwechsel vorgenommen werden, die Mitteilungspflichten an die Kammern auslösen und dann wiederum eine Prüfung der Kammer nach sich ziehen können.

Fazit und Ausblick

Wenngleich es sich bislang nur um einen Referentenentwurf handelt, gegen den sich bereits mächtiger Widerstand formiert, zeigt der Vorstoß deutlich, dass das BMF der Kritik der Bundessteuerberaterkammer Gehör schenkt und mehrstöckige Gestaltungen unter Beteiligung berufsfremder Investoren künftig wohl verhindern wollen wird. Ob und in welcher Form der Entwurf tatsächlich verabschiedet wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch: Das Zeitfenster zur Umsetzung entsprechender Strukturen könnte sich deutlich verkleinern. Zumal der Entwurf laut Website des BMF zwar ohne die relevante Änderung des § 55a StBerG „größtenteils die Inhalte des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung beschränkter und unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Recht der steuerberatenden Berufe (BT-Drs. 20/‌8669) auf[greift], der mit dem Ende der letzten Legislaturperiode der Diskontinuität unterfallen ist“, könnte die Ressortabstimmung zügig nachfolgen. Beteiligungsstrukturen unter Einbeziehung ausländischer Holdinggesellschaften sollten daher auf mögliche Risiken im Lichte des geplanten Gesetzes überprüft werden, neue Strukturen zügig umgesetzt werden.

Denkbar ist bereits jetzt, dass Steuerberatungsleistungen nicht mehr von Steuerberatungsgesellschaften erbracht werden, sondern von Wirtschaftsprüfern bzw. Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, denen gemäß § 3 StBerG unter den Voraussetzungen des § 44b Abs. 1 WPO selbst die unbeschränkte Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen zusteht.

Bestens
informiert

Jetzt unseren Newsletter abonnieren, um zu aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben.

Jetzt anmelden