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Strafrecht­liche Risiken bei der Vergütung von Betriebsrats­mitgliedern

23.05.2023

Mitglieder von Betriebsräten und Personalvertretungen dürfen wegen ihrer Tätigkeit weder benachteiligt noch begünstigt werden (§ 78 S. 2 Hs. 1 BetrVG, § 10 BPersVG). Sowohl die Benachteiligung als auch die Bevorzugung eines Betriebsratsmitglieds ist nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sogar strafbar. Während Fragen der Benachteiligung vielfach gerichtlich geklärt werden konnten, sind in Bezug auf die Bevorzugung von Mitgliedern von Betriebsräten und Personalvertretungen viele Fragen offen. Im Zentrum stehen neben Beförderungen vor allem Betriebsratsmitglieder betreffende Vergütungsentscheidungen.

Nach § 37 Abs. 4 S. 1 BetrVG ist das einem Betriebsrat zu zahlende Arbeitsentgelt nach der Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung zu bemessen. Während dies bei nebenberuflich oder neu gewählten Betriebsratsmitgliedern unschwer zu bestimmten ist, kann bei seit mehreren Jahren freigestellten, hauptamtlich tätigen Betriebsratsmitgliedern die betriebsübliche Vergütung nur mit Schwierigkeiten zu ermitteln sein. Maßgebend ist die hypothetische Karriereentwicklung des jeweiligen Betriebsratsmitglieds. Welche Anforderungen aber daran zu stellen sind, war bislang strafrechtlich noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 10.01.2023 – 6 StR 133/22) bei der Gewährung einer – nach seiner Bewertung: überhöhten – Vergütung an Betriebsratsmitglieder eine Untreuestrafbarkeit (§ 266 StGB) angenommen. (Über eine Strafbarkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hatte er nur inzident entschieden, wohl weil der für eine Strafverfolgung nach § 119 Abs. 2 BetrVG erforderliche Strafantrag des Betriebsrats, des Unternehmens oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft gefehlt hat.) Dabei hat der Bundesgerichtshof Folgendes ausgeführt:

Unwirksamkeit der Vergütungsabrede

Wird einem Betriebsrat eine überhöhte Vergütung gewährt, sei eine entsprechende Gehaltsabrede nach § 134 BGB nichtig.

Objektives Vorliegen einer Untreue

Die Bewilligung einer überhöhten Vergütung und deren Auszahlung stelle stets eine pflichtwidrige Handlung dar, ohne dass weitere Umstände hinzukommen müssen.

Wegen des Begünstigungsverbots sei es auch unerheblich, ob die Gesellschafter oder Vermögensinhaber in die Zahlung eingewilligt haben. Anders als in sonstigen Fällen schließe daher eine Zustimmung der Vermögensinhaber mit einem bestimmten Verhalten von Geschäftsleitung oder Mitarbeitern eine Pflichtverletzung nicht aus.

Daher liege in der Bewilligung und Zahlung einer überhöhten Vergütung auch stets ein Vermögensschaden. Ein solcher könne nicht dadurch kompensiert werden, dass das Betriebsratsmitglied durch die Zahlung zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zum Wohle des Unternehmens bewegt werden solle.

Bedeutung der Betriebsratstätigkeit

Zur Bedeutung der Betriebsratstätigkeit selbst nimmt der BGH – abweichend von einer verbreitet vertretenen Gegenansicht – eindeutig Stellung:

Die Betriebsratstätigkeit selbst dürfe für Vergütungszwecke nicht berücksichtigt werden. Nach Auffassung des BGH dürfen auch im Betriebsratsamt erworbene Qualifikationen nicht berücksichtigt werden, soweit sie nicht im Zusammenhang mit der bisherigen Arbeitstätigkeit stehen. Aus dem Gesetz ergibt sich diese Einschränkung nicht. Denn auch bei anderen Arbeitnehmern ist es nicht unüblich, dass im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit oder privat erworbene zusätzliche Kenntnisse und Qualifikationen für die weitere Karriereentwicklung eine wesentliche Rolle spielen.

Trotzdem geht der BGH davon aus, dass eine Karriereentwicklung des Betriebsratsmitglieds nur dann betriebsüblich sei, wenn die Mehrzahl vergleichbarer Arbeitnehmer eine solche nehme. Damit erteilt der BGH der Maßgeblichkeit einer „Sonderkarriere“ von Betriebsratsmitgliedern eine Absage. Geboten sei vielmehr eine Prüfung des Gehaltes anhand des Maßstabs vergleichbar qualifizierter Mitarbeiter. Die damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten nimmt der BGH in Kauf.

Subjektives Vorliegen einer Untreue

Für die Frage des Vorsatzes und des Irrtums hat der BGH betont, dass eine zur Strafbarkeit ausreichende Unrechtseinsicht schon dann vorliege, wenn mit der Möglichkeit einer überhöhten Vergütung gerechnet werde, insbesondere wenn der Handelnde weiß, dass er sich in einem rechtlichen Grenzbereich bewegt. Angesichts der in der juristischen Literatur geführten Diskussion über die Bemessung der Betriebsratsvergütung liege eine Unvermeidbarkeit jedenfalls nicht auf der Hand.

Handlungspflichten von Unternehmen

Unternehmen sind angesichts dieser strengen Rechtsprechung gut beraten, die Vergütung ihrer Mitglieder von Betriebs- und Personalräten zu hinterfragen, zu prüfen und die für die Vergütungsregelung maßgeblichen Erwägungen (Qualifikation der Betriebsratsmitglieder, Bestimmung der Vergleichsgruppe, Karriereentwicklung der Vergleichsgruppe) zu dokumentieren.

Dies nicht nur, um eine Strafbarkeit nach § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bzw. § 266 StGB bei künftigen Zahlungen zu verhindern. Im Falle überhöhter Vergütung in der Vergangenheit wird besonders zu prüfen sein, ob nicht überhöhte Vergütungsteile innerhalb der zivilrechtlichen Verjährungsfristen zurückgefordert werden müssen.

Der überhöhte Teil einer Betriebsratsvergütung darf darüber hinaus nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG auch nicht als Betriebsausgabe in Abzug gebracht werden. Wird nachträglich erkannt, dass die bezahlte und als Betriebsausgabe geltend gemachten Vergütungen überhöht gewesen waren und hierdurch gegen das Abzugsverbot verstoßen wurde, besteht nach § 153 AO regelmäßig eine Pflicht, die Finanzbehörden hiervon unverzüglich in Kenntnis zu setzen und den Betriebsausgabenabzug zu korrigieren. Unterbleibt dies, kann dies wiederum als Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO strafbar sein.

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