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Das Corona­virus und Versicherungs­schutz wegen Betriebs­unterbrechung

12.03.2020

***** Update vom 12.03.2020: Anforderungen an die Letalitätsrate des Erregers *****

Am 11.03.2020 hat die WHO Covid-19 offiziell als Pandemie eingestuft. Wir erwarten, dass sich das Robert Koch Institut dieser Einschätzung ebenfalls anschließen wird. Deswegen ist der Deckungsausschluss für Versicherungsfälle nach dem 11.03.2020 wahrscheinlich ausgelöst.

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Mit der Verbreitung von SARS-CoV-2/Covid-19 werden seuchenbedingte Betriebsschließungen wahrscheinlicher. Versicherungsschutz kann Ertragsausfälle von Unternehmen im Zusammenhang mit Infektionsschutzmaßnahmen kompensieren. Deswegen haben Unternehmen und Versicherer Anlass, präventiv ihre Deckungskonzepte für den Fall von Betriebsunterbrechungen beim Versicherten aufgrund von Covid-19-Infektionen zu prüfen.

Der Umfang des Versicherungsschutzes für Betriebsausfälle wegen epidemischer Ereignisse ist abhängig von der Ausgestaltung des Versicherungsprogramms im Einzelfall. Mit diesem Beitrag möchten wir aber vorbeugend und auf allgemeiner Ebene das Bewusstsein der entscheidenden Funktionsträger in Unternehmen und Versicherungen für die relevanten Themen schärfen.

1. Überblick über die relevanten Versicherungsprodukte

Betriebsunterbrechungspolicen auf Grundlage der FBUB 2010 oder AMBUB 2011, der Musterbedingungen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, decken seuchenbedingte Betriebsschließungen im Grunddeckungsbaustein regelmäßig nicht. Gemäß den Bestimmungen dieser Bedingungswerke tritt der Versicherungsfall ein, wenn der Betrieb infolge eines Sachschadens unterbrochen wird. Letzterer dürfte bei Betriebsunterbrechungen infolge von Infektionsschutzmaßnahmen häufig fehlen. Präventive Verfügungen der Gesundheitsbehörde verbieten es der Belegschaft (unter anderem) die Betriebsstätte aufzusuchen. Sie greifen nicht in die sachliche Integrität des Betriebs ein. Bricht Covid-19 im Betrieb aus, schädigt der Erreger unmittelbar die Belegschaft. Die Sachsubstanz der Produktionsmittel wird durch das Virus ebenfalls nicht beeinträchtigt.

Wurden sogenannte Extended Coverage Bausteine oder All-Risk Policen vereinbart, reicht der Versicherungsschutz weiter. Ob Covid-19-bedingte Betriebsschließungen versichert sind, hängt bei diesen Versicherungen von der Risikobeschreibung des konkreten Vertrags ab. Setzt der Versicherungsfall bedingungsgemäß keine Beeinträchtigung der Sachsubstanz voraus, ist die Deckung einer Covid-19 Infektion möglich. Versicherungsschutz kommt insbesondere in Betracht, wenn

  • Seuchen und/oder Infektionskrankheiten ausdrücklich als versichertes Risiko benannt werden oder
  • Allgefahrendeckung besteht.

Der Einschluss sogenannter Rückwirkungsschäden dehnt den Versicherungsschutz auf Betriebsunterbrechungen wegen Ereignissen im Sinne der Risikobeschreibung bei Zulieferern und/oder Abnehmern aus. Beispiele liefern dazu die Verbandsempfehlungen SK 8403 und SK 8404. Letztere setzen allerdings ebenfalls einen Sachschaden in der Lieferkette voraus.

Lebensmittelverarbeitende Betriebe haben häufig selbstständige Betriebsschließungsversicherungen vereinbart. Diese Versicherungsprodukte kompensieren Ertragsausfallschäden, wenn die zuständige Behörde aufgrund von Maßnahmen nach dem IfSG in den versicherten Betrieb oder die versicherte Betriebsstätte eingreift. Das IfSG ermächtigt zu Maßnahmen der Eingriffsverwaltung, welche der Prävention und Eindämmung bestimmter meldepflichtiger Krankheiten im Sinne der §§ 6 und 7 IfSG dienen. § 30 IfSG erlaubt insbesondere die Verhängung der (Zwangs-)Quarantäne über betroffene Personen. SARS-CoV-2/Covid-19 wird im Katalog der §§ 6 und 7 IfSG nicht genannt. Stattdessen hat das Bundesministerium für Gesundheit den Anwendungsbereich des IfSG mit der CoronaVMeldeV vom 30.01.2020 auf diesen Erreger ausgedehnt. Deswegen sind auf Grundlage des IfSG Betriebsschließungen wegen einer Covid-19 Infektion denkbar. Mit Blick auf die Deckung dieses Ereignisses durch die Betriebsschließungsversicherung ist im Einzelfall die Formulierung der jeweiligen Risikobeschreibung entscheidend. Einige Bedingungswerke nennen im Vertragstext einen Katalog von Krankheiten, für die Versicherungsschutz besteht. Dieser Katalog ist regelmäßig derjenigen (Alt-)Fassung des IfSG entnommen, welche bei Abschluss der Police gültig gewesen ist. Deswegen ist es unwahrscheinlich, dass die Risikobeschreibung einen ausdrücklichen Hinweis auf das Coronavirus enthält. Stattdessen kommt es für die Deckung von behördlichen Maßnahmen aufgrund von SARS-CoV-2/Covid-19 darauf an, inwieweit die jeweilige Police Fortentwicklungen des IfSG sprachlich berücksichtigt. 

Treten Verdachtsfälle von SARS-CoV-2/Covid-19 im Betrieb auf, sollte das versicherte Unternehmen alle Schritte engmaschig mit dem Betriebsschließungsversicherer abstimmen. Das ist insbesondere erforderlich, wenn die Unternehmensleitung aus eigenem Antrieb die zeitweilige Unterbrechung des Betriebs erwägt, bevor eine Ordnungsbehörde tätig geworden ist. Letzteres kann unter Umständen aus Gründen des Arbeitsschutzes geboten sein. Ohne das Einschreiten der öffentlichen Hand ist der Versicherungsfall in den meisten Betriebsschließungsbedingungen nicht ausgelöst. Es droht aus Sicht des Unternehmens eine Deckungslücke. Vor dem Hintergrund, dass frühzeitige Quarantänemaßnahmen dem Zweck der Schadensminderung im Unternehmen dienen, werden in diesem Szenario unter Umständen kooperative Lösungen im Zusammenwirken mit dem Versicherer möglich sein.

Unternehmen, deren Geschäft von Schlüsselpersonen oder bestimmten Veranstaltungen abhängt, haben deren Ausfall möglicherweise in besonderen Ausfallversicherungen beziehungsweise dread disease-Versicherungen gedeckt. Covid-19 Infektionen sind im Grundsatz geeignet, den Versicherungsfall dieser Verträge auszulösen. 

Für die Deckung unter allen vorstehend besprochenen Versicherungsprodukten ist relevant, ob das Bedingungswerk einen Pandemie-Risikoausschluss enthält. Die Grenzen des Pandemie-Begriffs sind unscharf. Jedenfalls dürfte in diesem Zusammenhang erforderlich sein, dass 

  • sich der Erreger weltweit verbreitet und
  • die einzelnen Epidemie Herde selbstständig bestandfähig sind. 

Ob zusätzlich Anforderungen an die Letalitätsrate des Erregers zu stellen sind, ist bislang durch die Rechtsprechung nicht endgültig geklärt. Ein Indiz wäre die Sprachregelung der relevanten Gesundheitsorganisationen. Die WHO hat den Pandemie-Fall bislang nicht im Zusammenhang mit SARS-CoV-2/Covid-19 ausgerufen. Repräsentanten der Organisation sprechen aber von einer „gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite“. Das Robert Koch Institut prognostiziert, dass es im Zusammenhang mit dem Erreger zu einer Pandemie „kommen kann“ (Stand: 03.03.2020). Im Deckungsstreit trägt der Versicherer wegen der Voraussetzungen eines Deckungsausschlusses die Darlegungs- und Beweislast. Will ein Versicherer die Deckung wegen der Pandemie-Klausel verweigern, müsste er deswegen darlegen und beweisen, dass im Zeitpunkt des Versicherungsfalls SARS-CoV-2/Covid-19 nach dem ex ante Stand der Forschung als Pandemie zu qualifizieren war. Versicherungsnehmer und Versicherungsunternehmen sollten aus diesem Grund die Lageberichte von WHO und RKI aufmerksam beobachten. 

2. Empfohlene Maßnahmen zur Sicherung des Versicherungsschutzes 

Unternehmen haben die Möglichkeit, für etwaige Versicherungsfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus vorzusorgen. Dazu sollten sie die relevanten Policen frühzeitig auswerten. 

  • Regelmäßig enthalten die Bedingungswerke Anzeige- und Mitwirkungsobliegenheiten des Versicherungsnehmers. Es ist zweckmäßig die Erfüllung dieser Voraussetzungen in die allgemeinen Notfallpläne des Unternehmens im Zusammenhang mit einer möglichen Corona-Infektion einzubeziehen.
  • Sofern die Bedingungen die gesetzlichen Regelungen der Gefahrerhöhung (§§ 23 ff. VVG) nicht abbedingen, sollte das Unternehmen mögliche Meldepflichten prüfen. Hervorzuheben ist, dass auch eine wesentliche Vergrößerung des Betriebs seit Abschluss der Police unter gewissen Voraussetzungen als Gefahrerhöhung qualifiziert werden kann. Letzteres ist insbesondere für junge Unternehmen ein Thema.
  • In der Betriebsschließungsversicherung wird regelmäßig die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften im Zusammenhang mit dem Versicherungsfall und die Kooperation des Unternehmens mit der verfügenden Ordnungsbehörde als Obliegenheit vereinbart. Zum Schutz der Deckung ist es deswegen wichtig, dass das Unternehmen diese Maßnahmen sorgfältig dokumentiert und mit dem Versicherer im Versicherungsfall engmaschig zusammenarbeitet.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen sieht § 56 IfSG Entschädigungsansprüche des Betroffenen gegen die öffentliche Hand vor. Diese Ansprüche können gemäß § 56 Abs. 5 IfSG auf den Arbeitgeber übergehen. In Konsequenz ist der einstandspflichtige Versicherer an den Forderungen im Versicherungsfall gemäß § 86 VVG berechtigt. Sofern der Versicherungsvertrag Sicherungsobliegenheiten des Versicherungsnehmers für Regressansprüche regelt, muss das Unternehmen den Schutz dieser Ansprüche sicherstellen und dokumentieren.

Zusammengefasst bietet der deutsche Versicherungsmarkt derzeit nur wenige Möglichkeiten, die Störungen von Lieferketten durch das Coronavirus ausdrücklich und umfassend zu adressieren. Ein Schwerpunkt unserer Beratung von Unternehmen hierzu liegt deswegen auf der Identifikation passender Deckungsanteile innerhalb bestehender Programme. Ultima Ratio ist die Liquidation von Schäden über die Kreditausfallversicherung, nachdem sich der Forderungsausfall in einer Geschäftsbeziehung endgültig realisiert hat. 

Sprechen Sie uns gerne frühzeitig an, um Ihre Programme entsprechend zu prüfen. 

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