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Noerr und Wittener Institut für Familienunternehmen veranstalten virtuellen Roundtable zur Reform des Personengesellschaftsrechts

30.06.2020

Mit Blick auf die bevorstehende Reform des Personengesellschaftsrechts hat die Kanzlei Noerr in Kooperation mit dem Wittener Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke (WIFU) sowie mit Justiziaren und Vertretern bedeutender Familienunternehmen den Gesetzesentwurf im Rahmen eines virtuellen Roundtables diskutiert und Reformbedarf hinsichtlich Nachfolge und Ausscheiden, Gesellschafter-Beschlussfassungen und Konfliktprävention sowie Transparenz identifiziert.

Der „Mauracher Entwurf“ für ein Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) ist am 20. April 2020 von einer vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzten Expertenkommission vorgelegt worden. Er geht auf den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD zurück.

Familienunternehmen sind von der geplanten Reform besonders betroffen, weil 85 % der Personengesellschaften im Eigentum von Familien stehen. Gleichwohl wurden die Belange der generationsübergreifend ausgerichteten Familienunternehmen noch nicht hinreichend berücksichtigt. 

Die wesentlichen Erkenntnisse des Roundtables sind: 

  • Für die Nachfolge in Familienunternehmen durch Vererbung besteht Nachjustierungsbedarf. Die Fortsetzung der Gesellschaft bei Ausscheiden des Verstorbenen als künftig einheitlicher Grundsatz wird zwar begrüßt. Da aber das ersatzlose Ausscheiden des Verstorbenen das Unternehmen mit Abfindungsansprüchen der Erben belasten würde, ist ein reibungsloser Anteilsübergang wichtig. Dafür sollte u.a. die Testamentsvollstreckung für Kommanditisten gesetzlich zugelassen und Einschränkungen etwa zur Person des Testamentsvollstreckers dem Gesellschaftsvertrag vorbehalten werden. Diskutiert wurden auch Klarstellungen zu qualifizierten Nachfolgeklauseln, u.a. mit Blick auf die Tendenz zur Unzulässigkeit von Differenzierungen nach dem Geschlecht in Gesellschaftsverträgen.

  • Abfindungsbeschränkungen für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters sind zur Liquiditäts- und Bestandssicherung für Familienunternehmen besonders relevant. Bei der Vertragsgestaltung besteht derzeit jedoch ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit und das Risiko der Unwirksamkeit. Dies bedeutet einen erheblichen Eingriff in die Vertragsfreiheit als dem wesentlichen Grundprinzip des Personengesellschaftsrechts. Abfindungsbeschränkungen sollten daher zulässig sein und Grenzen nur bei Rechtsmissbrauch gesetzt werden.

  • Bewertungsabschläge für Anteile an Familienunternehmen rechtfertigen sich insbesondere aus anteilsbezogenen Faktoren wie der eingeschränkten Handelbarkeit und Entnahmebeschränkungen. Der geplante Grundsatz, den Anteil direkt zu bewerten, statt ihn wie bisher quotal vom Unternehmenswert abzuleiten, wird daher von Familienunternehmen begrüßt. Bei der Bewertung von Anteilen besteht zudem ein praktisches Bedürfnis für die Harmonisierung von Gesellschafts- und Steuerrecht.

  • Die Anerkennung allgemeiner Mehrheitsklauseln für Gesellschafterbeschlüsse und die damit einhergehende Erleichterung von Entscheidungsprozessen wird von Familienunternehmen befürwortet. Aus praktischer Sicht verbleibt jedoch Unsicherheit, welche Rechte zum Kernbereich der Mitgliedschaft gehören und trotz Mehrheitsklausel nicht ohne Zustimmung eines Gesellschafters entzogen werden können. Konflikten könnte vorgebeugt werden, indem das Gesetz bzw. die Gesetzesbegründung diesen Kernbereich anhand von Regelbeispielen konkretisiert.

  • Das geplante Anfechtungsmodell für Gesellschafterbeschlüsse nach dem Vorbild des Aktiengesetzes einschließlich Anfechtungsfristen ist zu begrüßen. Denn so können die derzeit mangels Klagebefristung bestehenden Schwebezustände bei Gesellschafterbeschlüssen vermieden werden. Damit künftig der Ablauf der Anfechtungsfrist die Gesellschafter nicht zur Klage zwingt, sollte der Fokus auf alternative Mechanismen zur Konfliktvermeidung gelegt werden.

  • Durch die geplante Einführung eines GbR-Gesellschaftsregisters als zusätzliches Register neben Handelsregister und Transparenzregister befürchten Familienunternehmen erhöhten administrativen Aufwand. Wünschenswert wäre deshalb eine Registerzusammenführung mit nur einmaliger Datenerfassung (sog. „Once Only“-Prinzip). Zudem sorgen sich Unternehmerfamilien vor einer Offenlegung der Familieninterna bei Vermögensverwaltungsgesellschaften und Familien-Pools. Sie befürworten daher eine Eintragung in das GbR-Register auf ausschließlich freiwilliger Basis.

Noerr und das WIFU werden die Erkenntnisse des virtuellen Roundtables in einer gemeinsamen Veröffentlichung aufbereiten und ihre Expertise mit Blick auf die praktischen Bedürfnisse von Familienunternehmen im Austausch mit deren Rechtsexperten im Reformprozess fortlaufend einbringen.

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