News

Reform der Grund­erwerb­steuer auf der Ziel­geraden

03.05.2021

Nachdem das Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Grunderwerbsteuer im Herbst 2019 ins Stocken geraten war, hat die Bundesregierung den Ball vor einigen Wochen relativ überraschend für die Praxis wieder aufgenommen. Nun soll es schnell gehen: Am 21.04.2021 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf der Bundesregierung unter Berücksichtigung der Beschlussempfehlungen des Finanzausschusses verabschiedet. Es steht nun nur noch die Zustimmung des Bundesrats aus, die am 7.5.2021 erwartet wird. Am 1.7.2021 soll die GrESt-Reform dann in Kraft treten (zu den Anwendungsregelungen im Einzelnen siehe unten).

Kern des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes sind die Verschärfungen bei sogenannten Share Deals. Dies sind Immobilientransaktionen, bei denen nicht die Immobilie selbst, sondern Anteile an einer immobilienhaltenden Gesellschaft veräußert werden. Dabei geht es im Wesentlichen um eine Neuregelung bei Grundstücks-Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG-E). Aber auch die bestehenden Regelungen der § 1 Abs. 2a, § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 3a GrEStG werden erheblich verschärft.

Die geplanten Änderungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Absenkung der Beteiligungsgrenze auf 90% für neue Gesellschafter bei Grundstücks-Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) und Verlängerung des Zeitraums von 5 auf 10 Jahre

Nach aktueller Rechtslage löst der Übergang von 95% oder mehr an der Anteile am Vermögen einer grundstückshaltenden Personengesellschaft auf neue Gesellschafter innerhalb eines Zeitraums von 5 Jahren Grunderwerbsteuer aus. Soll bei einer entsprechenden Transaktion Grunderwerbsteuer vermieden werden, bedeutet dies, dass der Erwerber in einem ersten Schritt nur 94,9% der Anteile erwerben kann. Die restlichen 5,1% müssen beim Veräußerer verbleiben und können erst nach 5 Jahren nachgezogen werden (in diesem Fall fällt auf die 5,1% Grunderwerbsteuer an).

Mit der Grunderwerbsteuerreform soll die Beteiligungsschwelle von 95% auf 90% abgesenkt und der Beobachtungszeitraum von 5 Jahren auf 10 Jahre verlängert werden.

Die Neuerung gilt zwar grundsätzlich erst für Anteilserwerbe ab dem 1.7.2021, wobei es auf das dingliche Rechtsgeschäft (Closing) ankommt (§ 23 Abs. 17 GrEStG-E). Zu beachten sind jedoch die zahlreichen und komplexen Übergangsregelungen. So gelten einerseits Gesellschafter, deren 5-jährige Haltefrist vor dem 1.7.2021 abläuft, trotz der auf 10 Jahre verlängerten Frist auch künftig als Alt-Gesellschafter („Alt-Gesellschafter bleibt Alt-Gesellschafter“, § 23 Abs. 18 Satz 1 GrEStG-E). Anteilserwerbe durch Alt-Gesellschafter werden bei der Prüfung des Überschreitens der 90%-Grenze ab dem 1.7.2021 also nicht mit einbezogen. Ist andererseits für einen Gesellschafter die 5-Jahresfrist am 1.7.2021 noch nicht abgelaufen, gilt dieser nun bis zum Ablauf der 10-jährigen Frist als Neu-Gesellschafter. Diese Erwerbe werden demnach bei der Prüfung der 90%-Grenze mit einbezogen. Verschärfend kommt hinzu, dass bei der Prüfung des Status als Alt-Gesellschafter in den Fällen mittelbarer Änderungen des Gesellschafterbestands die neue 90%-Grenze auch rückwirkend angewandt wird (§ 23 Abs. 18 Satz 2 GrEStG-E). Der Grundsatz „Alt-Gesellschafter bleibt Alt-Gesellschafter“ gilt hier nicht. Ein weiterer Fallstrick bei mittelbaren Gesellschafterwechseln ist, dass die 10-Jahres-Frist nicht gilt, sondern sämtliche Verschiebungen in den Beteiligungsverhältnissen zu prüfen sind. Der Bundesrat hatte schon im Herbst 2019 die Anwendung der 10-Jahres-Frist auch auf die mittelbaren Gesellschafterwechsel angeregt. Dies hat bislang jedoch nicht Eingang in den Gesetzesentwurf gefunden.

Damit es durch die Absenkung der Beteiligungsschwelle nicht zu Besteuerungslücken kommt, gilt die aktuelle Rechtslage für bestimmte Konstellationen subsidiär weiter (§ 23 Abs. 19 Satz 1 GrEStG-E). Betroffen sind sog. Aufstockungsfälle, bei denen noch unter der aktuellen Rechtslage mind. 90% der Anteile übertragen werden und unter Geltung des neuen Rechts die (dann eigentlich nicht mehr geltende) 95%-Schwelle erreicht bzw. überschritten wird. Die subsidiäre Anwendung des alten Rechts (95% in 5 Jahren) ist bis zum 30.6.2026 zu beachten, da bei Anteilsübertragungen nach diesem Zeitpunkt auch nach aktueller Rechtslage keine Grunderwerbsteuer mehr ausgelöst worden wäre, wenn der erste Anteilseignerwechsel am 30.6.2021 stattgefunden hätte. Zu beachten ist, dass die Alt-Regelung nur nachrangig gilt, wenn der Rechtsvorgang keine GrESt-Pflicht nach den anderen Neuregelungen in § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG n.F. auslöst.

Einführung einer GrESt-Pflicht für Gesellschafterwechsel bei Grundstücks-Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 2b GrEStG-E)

Kern der GrESt-Reform ist die Einführung eines neuen Ergänzungstatbestands in § 1 Abs. 2b GrEStG-E. Danach wird Grunderwerbsteuer ausgelöst, wenn innerhalb von 10 Jahren mindestens 90% der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen. Die Regelung entspricht im Wesentlichen dem § 1 Abs. 2a GrEStG für grundbesitzende Personengesellschaften. Ebenso wie bei dieser Vorschrift  werden auch unmittelbare und mittelbare Erwerbe mit einbezogen. Es ist somit künftig nicht mehr möglich, im Rahmen einer Transaktion 100% der Anteile (aufgeteilt auf zwei Erwerber) zu übertragen.

Auf Empfehlung des Finanzausschusses (ebenso bereits der Bundesrat im Herbst 2019) wurde eine sog. Börsenklausel in den Gesetzesentwurf mit aufgenommen. Danach gilt die Neuregelung nicht für Kapitalgesellschaften, deren Anteile an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG in der EU/EWR oder an einem Drittlandhandelsplatz, der von der EU-Kommission als gleichwertig erklärt wurde,  zugelassen sind, soweit der Anteilsübergang auf Grund eines Geschäfts an diesem Markt oder Drittlandhandelsplatz oder einem multilateralen Handelssystem im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 erfolgt. Die Börsenklausel soll auch bei der Prüfung hinsichtlich des Vorliegens eines neuen Gesellschafters von zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft für den Anteilseignerwechsel bei grundstücksbesitzenden Personengesellschaften nach § 1 Abs. 2a GrEStG gelten.

Steuerschuldnerin der GrESt soll in den Fällen des § 1 Abs. 2b GrEStG die grundbesitzende Kapitalgesellschaft sein, an der sich innerhalb von 10 Jahren zu mindestens 90 Prozent unmittelbar oder mittelbar neue Gesellschafter beteiligt haben (§ 13 Nr. 7 GrEStG-E).

Anders als bei der GrESt-Pflicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG sollen die personenbezogenen Steuerbefreiungstatbestände in § 3 GrEStG und die Befreiungsvorschriften in den §§ 5, 6 GrEStG (gelten für grundstücksbesitzende Personengesellschaften) nicht angewendet werden. Dies führt u.a. dazu, dass bei Kapitalgesellschaften selbst nach Ablauf der 10-Jahres-Frist die volle Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, wenn die restlichen 10,1% übertragen werden. 

Zuständig für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ist das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Kapitalgesellschaft befindet. Dies gilt auch, wenn ein außerhalb des Bezirks dieser Finanzämter liegendes Grundstück oder ein auf das Gebiet eines anderen Landes sich erstreckender Teil eines im Bezirk dieser Finanzämter liegenden Grundstücks betroffen ist (§ 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG-E).

Anzeigepflichtig beim zuständigen Finanzamt ist bei Verwirklichung des neuen Erwerbstatbestands in § 1 Abs. 2b GrEStG die Kapitalgesellschaft als Steuerschuldnerin (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3b GrEStG-E).

Die Neuregelung gilt erst für Erwerbe, die ab dem 1.7.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 17 GrEStG-E). Übergänge von Anteilen vor dem 1.7.2021 stellen für Zwecke der 10-Jahres-Frist keine sog. Zählerwerbe dar, bleiben also unberücksichtigt (§ 23 Abs. 23 GrEStG-E). Maßgeblich in diesem Zusammenhang ist wie bei § 1 Abs. 2a GrEStG-E der dingliche Übergang der Anteile (Closing). Auf Basis dieser Regelungen wäre es z.B. unschädlich, wenn vor dem 1.7.2021 ein Minderheitsanteil von 10,1% an einer grundbesitzhaltenden Kapitalgesellschaft an einen Erwerber veräußert wird und die 89,9% ab dem 1.7.2021 an einen (unverbundenen) weiteren Erwerber.

Absenkung der Beteiligungsgrenzen bei Anteilsvereinigungen nach § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 3a GrEStG von 95% auf 90%

Auch bei der zivilrechtlichen Anteilsvereinigung bzw. -übertragung in § 1 Abs. 3 GrEStG und der wirtschaftlichen Anteilsvereinigung in § 1 Abs. 3a GrEStG werden die Beteiligungsgrenzen von derzeit 95% auf 90% herabgesetzt.

Die neuen Beteiligungsgrenzen gelten grundsätzlich für Erwerbe, die ab dem 1.7.2021 verwirklicht werden (§ 23 Abs. 17 GrEStG-E). Sofern allerdings ein Rechtsträger am 30.6.2021 zu mindestens 90% und zu weniger als 95% an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft beteiligt ist, gelten die Altregelungen subsidiär weiter (Aufstockungsfälle). Diese Übergangsregelung gilt für unmittelbare oder mittelbare oder teils unmittelbare, teils mittelbare Beteiligungen. Zudem gilt diese Übergangsregelung sowohl für zivilrechtliche Anteilsvereinigungen bzw. -übertragungen (§ 23 Abs. 20 GrEStG-E) als auch für wirtschaftliche Anteilsvereinigungen (§ 23 Abs. 21 GrEStG-E).

Zu einer GrESt-Pflicht nach den alten Vorschriften kommt es nur dann nicht, wenn der Vorgang bereits unter die Neuregelungen in § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 2b, Abs. 3 und 3a GrEStG-E fällt. Eine zeitliche Begrenzung enthält die Anwendungsvorschrift nicht, da diese Tatbestände lt. Gesetzesbegründung nur stichtagsbezogen zu prüfen sind. Somit gelten die Alt-Regelungen unbegrenzt weiter. Im Ergebnis löst eine Aufstockung der Beteiligung auf 95% oder mehr auch künftig Grunderwerbsteuer nach §§ 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG in der aktuellen Fassung aus.

Verlängerung der Behaltensfristen bei §§ 5, 6 GrEStG von 5 auf 10 bzw. auf 15 Jahre

In Fällen mit Gesamthandsgemeinschaften sehen die §§ 5 und 6 GrEStG unter bestimmten Voraussetzungen Steuerbefreiungen vor, die unter anderem auch die Einhaltung von Vor- und Nachbehaltensfristen voraussetzen. Aus Gründen der Missbrauchsabwehr werden die bisherigen Fristen von 5 Jahren in § 5 Abs. 3 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG auf 10 Jahre verlängert. Die Verlängerung der Fristen steht laut Gesetzesbegründung im Zusammenhang mit den in den Ergänzungstatbeständen abgesenkten Beteiligungsgrenzen und der in § 1 Abs. 2a GrEStG verlängerten Frist (siehe oben).

Darüber hinaus ist eine Erweiterung des Katalogs der Vorbehaltensfristen in § 6 Abs. 4 GrEStG um einen neuen Tatbestand vorgesehen (§ 6 Abs. 4 Nr. 3 GrEStG-E), der sogar eine Vorbehaltensfrist von 15 Jahren normiert. Dadurch sollen Gestaltungen erheblich erschwert werden, die durch einen zeitlich gestreckten Erwerb von Anteilen am Vermögen einer Grundstücks-Personengesellschaft die Erzielung von Steuervergünstigungen zum Ziel haben. Konkret betroffen sind Fälle, in denen die GrESt-Pflicht nach § 1 Abs. 2a GrEStG (a.F. oder n.F.) nicht greift, weil weniger als 90 % bzw. 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft auf neue Gesellschafter innerhalb von fünf bzw. zehn Jahren übergegangen sind und nach Ablauf dieser Frist eine grunderwerbsteuerbare Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 oder Abs. 3a GrEStG erfolgt. Die hier grundsätzlich anwendbare Steuerbefreiung in § 6 GrEStG n.F. soll in diesen Fällen nur greifen, wenn die Anteilsvereinigung 15 Jahre nach dem Anteilserwerb an der Personengesellschaft durch Rechtsgeschäft unter Lebenden stattfindet.

Grunderwerbsteuerliche Konzernklausel unverändert (§ 6a GrEStG)

Die Regelungen zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel in § 6a GrEStG werden im Rahmen der Grunderwerbsteuerreform nicht geändert. Hier bleibt es sowohl bei der Grenze von 95% als auch bei der Vor- und Nachbehaltensfrist von 5 Jahren.

Ansatz des erbschaftsteuerlichen Grundstückswerts bei Veräußerungen im umwandlungsteuerrechtlichen Rückwirkungszeitraum

Änderungen stehen auch bei der Bemessungsgrundlage bei Grundstücksverkäufen im umwandlungsteuerlichen Rückwirkungszeitraum bevor. Grundsätzlich kommt bei Grundstücksverkäufen der vereinbarte Kaufpreis als Bemessungsgrundlage zur Anwendung. Dies gilt selbst dann, wenn dieser deutlich unterhalb des Verkehrswertes liegt (Ausnahme: Vereinbarung eines „symbolischen Kaufpreises“). Im Rahmen von Umstrukturierungen konnte dies unter der geltenden Rechtslage in gewissen Grenzen zur Verminderung der Grunderwerbsteuer genutzt werden.

Künftig soll der nach den erbschaftsteuerlichen Grundstücksbewertungsverfahren ermittelte Grundstückswert als Mindest-Bemessungsgrundlage angesetzt werden müssen (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 GrEStG-E). Dies gilt in den Fällen, in denen zwischen den an einer Umwandlung beteiligten Rechtsträgern innerhalb des Rückwirkungszeitraumes im Sinne der §§ 2, 20 Abs. 6 oder § 24 Abs. 4 UmwStG ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht wird, die dabei vereinbarte Gegenleistung unter dem erbschaftsteuerlichen Wert liegt und die Umwandlung ohne diesen Erwerbsvorgang eine Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG ausgelöst hätte.