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Urheberrechtsreform: Plattformhaftung und Uploadfilter

25.03.2021

Jetzt wird’s ernst: Nach intensiven Diskussionen hat das Bundeskabinett am 3. Februar 2021 einen Gesetzesentwurf zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes beschlossen. Damit soll das deutsche Recht an die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt vom 17. April 2019 („DSM-RL“) angepasst werden (zu den Hintergründen „Zentrale Regelungsansätze im Referentenentwurf des BMJV zur Urheberrechtsreform“). Ein zentraler Inhalt des Entwurfs ist das neue Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz („UrhDaG-E“), das Regelungen zur Plattformhaftung und zum Einsatz von Uploadfiltern enthält und damit Art. 17 DSM-RL umsetzen soll.

Umsetzung der DSM-RL

Harsche Kritik kam bereits im Vorfeld der im April 2019 vom Unionsgesetzgeber verabschiedeten DSM-RL auf. Erinnert sei nur an die EU-weiten Demonstrationen gegen Uploadfilter, deren Einsatz als Folge der Regelung zur Plattformhaftung (Art. 13 im Richtlinien-Entwurf) befürchtet wurde. Die Gegner des Entwurfs äußerten Bedenken, dass Plattformen zur Reduzierung ihres Haftungsrisikos im Zweifel mehr Inhalte mittels Filter am Upload hindern würden als rechtlich erforderlich (zum „Overblocking“ im Rahmen des NetzDG „'Online Hate Speech' und Plattformregulierung: Update zum NetzDG“). Mit Blick auf die Verbreitung von Zitaten, Parodien und Memes warnten Gegner des Entwurfs zudem vor der Fehleranfälligkeit algorithmenbasierter Filter.

Aus diesen Gründen wandte sich im Mai 2019 Polen vor dem EuGH mit einer Nichtigkeitsklage gegen Art. 17 DSM-RL. Der Einsatz von Uploadfiltern sei nicht mit der Meinungsäußerungs- und Informationsfreiheit vereinbar, sodass Art. 17 DSM-RL gegen EU-Recht verstoße. Sollte der EuGH die Vorschrift für nichtig erklären, wird dies weitreichende Folgen haben, nicht zuletzt für das UrhDaG-E. Das Verfahren ist derzeit noch anhängig. Berichte über die Verhandlungen von November 2020 legen jedenfalls nahe, dass der EuGH die Klage sehr ernst nimmt.

Urheberrechtliche Verantwortlichkeit für nutzergenerierte Inhalte

Der Gesetzesentwurf verschärft die Verantwortlichkeit von Plattformen (z.B. YouTube) für die bei ihnen abrufbaren Inhalte. Die Plattformen sollen nur dann nicht haften, wenn sie sich zum einen „bestmöglich“ um den Erwerb von urheberrechtlichen Lizenzen bemühen (§ 4 Abs. 1 UrhDaG-E) und zum anderen die Vorgaben zur Verhinderung unerlaubter Nutzungen erfüllen (§§ 7–11 UrhDaG-E). Dies soll laut UrhDaG „nach Maßgabe hoher branchenüblicher Standards“ und in verhältnismäßiger Weise erfolgen (§ 1 Abs. 2 UrhDaG-E). Plattformen können sich also nicht mehr auf das Haftungsprivileg für Host Provider berufen (§ 1 Abs. 3 UrhDaG-E).

Pre-Check-Verfahren und Uploadfilter

Möchte der Nutzer einer vom Entwurf erfassten Plattform (Diensteanbieter nach §§ 2, 3 UrhDaG-E) einen Inhalt hochladen, muss die Plattform zunächst einen Pre-Check durchführen:

    • Hierbei prüft sie, ob ein Sperrverlangen und die dafür erforderlichen Informationen (z.B. als Referenzdatei) zum Abgleich vorliegen (§ 7 Abs. 1 UrhDaG-E) oder ob sie bereits eine Lizenz erworben hat.

    • Besteht ein hinreichendes Sperrverlangen und liegt keine Lizenz vor, prüft die Plattform weiter, ob der Upload aus anderen Gründen zunächst erlaubt ist (dazu sogleich).

Diese Pre-Checks werden voraussichtlich automatisiert erfolgen, da das UrhDaG-E Plattformen erfassen soll, die eine „große Menge“ nutzergenerierter Inhalte bereitstellen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhDaG-E). So laden etwa die Nutzer von YouTube pro Minute mehrere hundert Stunden Videomaterial hoch. Beim Einsatz solcher automatisierter Verfahren – also von Uploadfiltern – gelten zusätzlich die §§ 9–11 UrhDaG-E (§ 7 Abs. 2 UrhDaG-E).

Mutmaßlich erlaubte Nutzungen

Um Overblocking durch Uploadfilter vorzubeugen, soll ein „mutmaßlich erlaubter“ Upload zunächst auf der Plattform verbleiben (§ 9 Abs. 1 UrhDaG-E). Dies betrifft insbesondere Zitate, Karikaturen, Parodien und sog. Pastiche sowie sonstige gesetzlich erlaubte Nutzungen nach dem UrhG (§ 5 UrhDaG-E), deren Vorliegen unter drei Voraussetzungen widerleglich vermutet wird (§ 9 Abs. 2 UrhDaG-E). Zum einen muss der Inhalt weniger als die Hälfte eines fremden Werks enthalten und diese Werkteile mit anderem Inhalt kombinieren. Zum anderen muss es sich entweder um eine geringfügige Nutzung handeln oder der Uploader muss den Inhalt als erlaubt kennzeichnen:

    • Eine geringfügige Nutzung liegt vor, wenn das urheberrechtlich geschützte Werk weniger als die Hälfte des Inhalts ausmacht und es sich um eine Film- oder Tonspur von weniger als 15 Sekunden Länge, einen Text mit bis zu 160 Zeichen oder ein bis zu 125 Kilobyte großes Bild handelt (§ 10 UrhDaG-E). Zudem darf die Nutzung keine kommerziellen Zwecken dienen. Urheber sehen darin eine unzulässige Schranke ihres geistigen Eigentums. Sie verweisen darauf, dass gerade kurze Nutzungen (z.B. auf TikTok) immer wichtiger werden und in die kommerzielle Verwertung der Rechte eingreifen.

    • Liegt keine geringfügige Nutzung vor, kann der Nutzer den Upload durch die Plattform als „gesetzlich erlaubt“ kennzeichnen (Pre-Flagging, § 11 Abs. 1 UrhDaG-E) – allerdings nur, wenn der Inhalt nach dem Pre-Check blockiert werden soll. Soll ein nach dem Pre-Check zunächst nicht blockierter und bereits hochgeladener Inhalt erst nachträglich gesperrt werden, kann der Uploader den Inhalt auch erst nachträglich innerhalb von 48 Stunden nach Benachrichtigung als „gesetzlich erlaubt“ kennzeichnen (Post-Flagging, Art. 11 Abs. 2 UrhDaG-E).

Internes Beschwerdeverfahren

Gegen den auf dieses Verfahren folgenden Upload oder Nichtupload steht Nutzern und Rechteinhabern ein Beschwerdeverfahren offen (§ 14 ff. UrhDaG-E). Danach muss die Plattform den Inhalt innerhalb von einer Woche prüfen und entscheiden.

Besonders privilegiert sind dabei „vertrauenswürdige Rechteinhaber“. Sie können die sofortige Blockierung eines beanstandeten Inhalts erzwingen („red button“). Dafür müssen sie erklären, dass der Upload nicht mutmaßlich erlaubt sei und die fortlaufende öffentliche Wiedergabe die wirtschaftliche Verwertung des Werkes erheblich beeinträchtige (§ 14 Abs. 4 UrhDaG-E). Wer als „vertrauenswürdig“ gilt, entscheiden die Plattformen selbst.

Ausblick

Ende März soll die erste Lesung im Bundestag erfolgen. Die Vorgaben der DSM-RL und der (mittlerweile) gestiegene Zeitdruck lassen jedoch nicht erwarten, dass der Entwurf noch wesentlich geändert wird. Schließlich soll das Gesetz noch vor der Sommerpause in Kraft treten. Nur wenn der EuGH Art. 17 DSM-RL für nichtig erklären sollte, dürften auch die Regelungen zum UrhDaG-E hinfällig werden.

Aktuell steht aber fest: Die Nutzer großer Plattformen müssen sich aller Voraussicht künftig auf ein engmaschiges Gefüge aus automatisierten Prüfungen und anschließenden Beschwerdeverfahren einstellen. Viele Einzelheiten wird die Rechtsprechung klären müssen. 

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