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Urlaubsgewährung bei außerordentlicher fristloser Kündigung

14.01.2021

Erhebt der Mitarbeiter Kündigungsschutzklage gegen eine außerordentliche Kündigung, trägt der Arbeitgeber in der Regel ein doppeltes wirtschaftliches Risiko: Zum einen müsste er im Falle einer unwirksamen Kündigung Annahmeverzugslohn leisten, zum anderen behält der Mitarbeiter seine Urlaubsansprüche, die je nach Verfahrensdauer erheblich angewachsen sein können. Zumindest dem Risiko fortbestehender und ggf. anwachsender Urlaubsansprüche kann der Arbeitgeber nach einer neueren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25.08.2020 (Az.: 9 AZR 612/19) auch bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung durch vorsorgliche Urlaubsgewährung entgegenwirken, wenn bestimmte Spielregeln eingehalten werden.

Urlaubsgewährung im entschiedenen Fall

Im entschiedenen Fall war das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich, gekündigt worden. Der Arbeitgeber traf in dem Kündigungsschreiben folgende Regelung dazu, wie mit den zum Zeitpunkt der Kündigung noch bestehenden Urlaubsansprüchen des Mitarbeiters verfahren wird:

„Für den Fall der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung gelte ich Ihren bis zum Kündigungszeitpunkt nicht genommenen Urlaub ab. Für den Fall der nicht anzunehmenden Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung habe ich Ihnen hilfsweise ordentlich gekündigt. In diesem Fall gilt Folgendes:

Sie werden Ihren sämtlichen noch nicht genommenen Urlaub direkt im Anschluss an den Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung in der Zeit vom 19.9.2017 bis 11.10.2017 nehmen. Die gezahlte Abgeltung ist dann als Zahlung des Urlaubsentgelts für den betreffenden Zeitraum zu verstehen. In jedem Fall sage ich Ihnen für die Zeit Ihres Urlaubs die Urlaubsvergütung vorbehaltlos zu.“

Urlaubsgewährung trotz Ungewissheit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses

Obwohl zum Zeitpunkt der Urlaubsgewährung noch ungewiss war, ob die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam ist oder ob das Arbeitsverhältnis über den Zeitpunkt des Zugangs der außerordentlichen Kündigung noch Bestand haben wird, war der Arbeitgeber berechtigt, für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vorsorglich Urlaub zu gewähren. Voraussetzung hierfür ist nach der Rechtsprechung des BAG, dass der Arbeitgeber

  • eindeutig zum Ausdruck bringt, dass der Mitarbeiter zur Erfüllung seines Urlaubsanspruchs endgültig von der Arbeitspflicht befreit wird und
  • das Urlaubsentgelt entweder vor Urlaubsantritt zahlt oder dessen Zahlung vorbehaltslos zusagt.

Mitwirkungspflichten gegenüber der Agentur für Arbeit für Urlaubsgewährung unbeachtlich

Sozialversicherungsrechtliche Pflichten des Mitarbeiters, die infolge der ausgesprochenen Kündigung in die Zeit des Urlaubs fallen, stehen einer wirksamen Urlaubsgewährung nach der zutreffenden Rechtsprechung des BAG nicht entgegen: Im Falle einer außerordentlichen Kündigung muss sich der Mitarbeiter innerhalb von 3 Tagen nach Zugang der Kündigung bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Dadurch werde - so das BAG - zwar der gewährte Urlaub beeinträchtigt. Dass eine versicherungsrechtliche Handlungsobliegenheit in den Urlaub falle, sei aber dem persönlichen Lebensbereich des Mitarbeiters zuzuordnen und stehe der Erfüllung des Urlaubsanspruchs deshalb nicht entgegen. Daraus lässt sich ableiten, dass sämtliche Umstände, die dem Lebensbereich des Mitarbeiters zuzuordnen sind und den Urlaub beeinträchtigen können, für die Urlaubsgewährung grundsätzlich unbeachtlich sind.

Vorteile für den Arbeitgeber

Stellt das Arbeitsgericht nach Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens fest, dass die außerordentliche Kündigung wirksam ist, sind dem Arbeitgeber durch die vorsorgliche Urlaubsgewährung keine Nachteile entstanden, da anderenfalls der bis zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung bestehende (gesetzliche) Urlaubsanspruch abzugelten gewesen wäre. Ist die außerordentliche Kündigung hingegen unwirksam, ist zumindest der Urlaubsanspruch des Mitarbeiters durch die vorsorgliche Urlaubsgewährung erloschen.  

Endet das Kündigungsschutzverfahren durch einen gerichtlichen Vergleich, wie in der überwiegenden Anzahl von Fällen, bietet die vorsorgliche Urlaubsgewährung ebenfalls einen Vorteil: Der Urlaubsanspruch wurde durch den Arbeitgeber bereits erfüllt und ist daher nicht mehr Gegenstand der „Verhandlungsmasse“ zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter. Dadurch wird dem Mitarbeiter das Argument genommen, der Urlaub sei gesondert abzugelten oder zumindest bei der Höhe einer Abfindung zu berücksichtigen.

Fazit

Gerade bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung übersehen Arbeitgeber manchmal, dass bei sofortiger Beendigung des Arbeitsverhältnis bestehende (gesetzliche) Urlaubsansprüche abzugelten sind. Die Urlaubsabgeltung kann je nach Verdienst und offenen Urlaubstagen des Mitarbeiters einen fünfstelligen Betrag ausmachen, sodass die Urlaubsabgeltung kein zu vernachlässigender wirtschaftlicher Posten ist. Daher sollte in entsprechenden Fällen zugleich vorsorglich Urlaub gewährt werden.

Arbeitsrecht

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