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Änderung des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes: Bundes­rechtliche Regelungen gegen Missbrauch von Lachgas und KO-Tropfen

07.07.2025

A. Einleitung

Am 2. Juli 2025 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes („NpSG“) beschlossen. Der aus dem Bundesgesundheitsministerium stammende Vorschlag zielt darauf ab, den zunehmenden Missbrauch von Distickstoffmonoxid („Lachgas“), Gamma-Butyrolacton („GBL“) und 1,4-Butandiol („BDO“) einzuschränken. Erwartet wird, dass der Gesetzentwurf zeitnah in das parlamentarische Verfahren eingebracht und sodann durch den Deutsche Bundestag beschlossen wird. Geplant ist, dass das Gesetz drei Monate nach der Verkündung in Kraft tritt.

Der Gesetzentwurf hat eine längere Vorgeschichte: So identifizierte bereits die Vorgängerregierung entsprechenden Handlungsbedarf in dem nun von dem Gesetzentwurf in den Blick genommenen Bereich und plante im vergangenen Jahr ein bundesweites spezifisches Abgabe-, Erwerbs- und Besitzverbot, um die missbräuchliche Verwendung von Lachgas als Rauschmittel sowie von GBL und BDO zu unterbinden. Dieses Vorhaben wurde jedoch aufgrund der im Februar 2025 vorgezogenen Neuwahlen in der Folge nicht mehr umgesetzt. In der Zwischenzeit sahen sich verschiedene Kommunen veranlasst, auf kommunaler Ebene ordnungsbehördliche Verordnungen zu erlassen, um die Abgabe und Weitergabe von Lachgas zu unterbinden. So ging etwa Dortmund in Nordrhein-Westfalen mit einem lokalen Verbot voran (hierzu bereits unser Noerr Insight vom 14.02.2025).

Im Koalitionsvertrag vereinbarten CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode, eine Regelung zur Abgabe von Lachgas sowie GHB/GBL (den sog. KO-Tropfen) vorzulegen (Koalitionsvertrag: Verantwortung für Deutschland, Seite 112, Zeile 3589). Dieser Ankündigung kommt die Regierung nun nach.

B. Regelungsbedarf: Missbrauch von Lachgas, GBL und BDO mit erheblichen gesundheitlichen Risiken

Lachgas wird in Deutschland nicht nur zu gewerblichen und medizinischen Zwecken genutzt, sondern zunehmend auch als Rauschmittel – vor allem unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Der Konsum hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen: Laut einer Studie der Goethe-Universität Frankfurt hatten im Jahr 2022 rund 17 % der 15- bis 18-jährigen Befragten bereits einmal Lachgas konsumiert; 6 % gaben an, dies innerhalb der letzten 30 Tage getan zu haben. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 lagen diese Werte noch bei 7 % bzw. 0,3 %. Der missbräuchliche Konsum von Lachgas ist mit schwer einschätzbaren und potenziell gravierenden Gesundheitsrisiken verbunden. Auf diese Gefahren weist auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer aktuellen Stellungnahme hin.

Rechtlich ist bisher nur das Inverkehrbringen und die Anwendung von medizinischem Lachgas, welches als Arzneimittel dem Arzneimittelgesetz („AMG“) unterfällt, nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 AMG verboten und unterliegt gemäß §§ 54 ff. AMG gewissen Qualitätsanforderungen. Für technisches Lachgas – das regelmäßig, als Rauschmittel konsumiert wird – gelten die Regelungen des AMG nicht und es bestehen auch darüber hinaus keine vergleichbaren spezifischen Regelungen. Technisches Lachgas wird in vielen Bereichen als Industriechemikalie eingesetzt und daher in entsprechend großem Mengen industriell gehandelt. Insbesondere findet sich technisches Lachgas als Treibstoff in Gegenständen des täglichen Lebens, so zum Beispiel in Sprühsahnedosen.

Auch die Substanzen GBL und BDO, bekannt als sog. KO-Tropfen, unterliegen bislang weder dem Betäubungsmittelgesetz („BtMG“) noch dem NpSG oder dem AMG. Ihre freie Verfügbarkeit ist besonders problematisch, da sie – neben dem Missbrauch zu Zwecken der Selbstberauschung – gezielt zur Begehung von Straftaten – insbesondere gegen die sexuelle Selbstbestimmung – eingesetzt werden. Auch diese Substanzen werden als Chemikalie von der Industrie – insbesondere als Lösungsmittel – in einem breiten Anwendungsfeld eingesetzt und dementsprechend in großen Mengen gehandelt. So finden sich diese in Produkten des täglichen Bedarfes wie Nagellackentfernen und Fassadenreinigern.

C. Regelungsziel: Einschränkung des Missbrauchs von Lachgas, GBL und BDO bei gleichzeitiger Ermöglichung anerkannter Verwendungen

Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, das NpSG zu adaptieren, um die missbräuchliche Verwendung von Lachgas, GBL und BDO zu Rauschzwecken oder zur Ausnutzung ihrer bewusstseinsverändernden Wirkung wirksam einzuschränken und bestehende Strafbarkeitslücken zu schließen. Hiermit soll den aus dem Konsum folgenden schwerwiegenden Gesundheitsgefahren begegnet werden und – insbesondere durch die Eindämmung der omnipräsenten Verfügbarkeit dieser Substanzen – mittels Abgabe-, Überlassungs-, Erwerbs-, und Besitzverbote an und für Minderjährige der Schutz von Kindern und Jugendlichen herausgehoben gewährleistet werden.

Gleichzeitig soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es sich bei diesen Stoffen um in der Industrie technisch nicht ersetzbare Massenchemikalien handelt. So sollen nur die Darreichungsformen, Konzentrationen und Vertriebswege von den Beschränkungen erfasst werden, die besonders gefahrgeneigt für eine missbräuchliche Verwendung sind. Aus diesem Grund ist auch eine Regelung im Rahmen des NpSG – und nicht etwa im BtMG – vorgesehen. Eine Unterstellung dieser Stoffe unter das BtMG hätte weitreichende Folgen, insbesondere durch die dann geltenden Erlaubnis- und umfangreichen Meldepflichten, was den wirtschaftlich zweckgemäßen Verkehr mit diesen Stoffen erheblich beeinträchtigen würde.

D. Was wird konkret geändert?

Die Fortentwicklung des NpSG sieht vielschichtige Änderungen vor, um die unter C. dargestellten Zielsetzungen normativ abzubilden. Hierzu im Einzelnen:

Erweiterung des NpSG um eine Anlage 2 mit Einzelstoffen

Die bisherige Anlage zum NpSG nennt ausschließlich Stoffgruppen. Aus einer der dort bezeichneten Stoffgruppen wiederum muss der Stoff oder eine Zubereitung eines Stoffes stammen, um dem Begriff des „neuen psychoaktiven Stoffes“ zu unterfallen. Lachgas, GBL und BDO können diesen Stoffgruppen indes auf Grund ihrer chemischen Struktur nicht zugeordnet werden. Sie unterliegen daher bislang nicht dem NpSG. Um diese Regelungslücke zu schließen, soll das NpSG um eine Anlage 2 als Positivliste entsprechend der Systematik des BtMG ergänzt werden, in welche Einzelstoffe aufgenommen werden, die auf Grund ihrer chemischen Struktur nicht eine der Stoffgruppen in Anlage 1 zugeordnet werden können. Mit dem Gesetzentwurf sollen Lachgas, GBL und BDO in die neue Anlage 2 aufgenommen und so den Regelungen des NpSG unterstellt werden.

Ergänzung der Ausnahmen vom Anwendungsbereich des NpSG

Der Gesetzentwurf sieht vor, in § 1 Abs. 2 Nr. 4 NpSG-E Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika einschließlich deren Zubehör ausdrücklich vom Anwendungsbereich des NpSG auszunehmen. So können beide Produktgruppen Stoffe enthalten, die entweder einer der in Anlage 1 genannten Stoffgruppen zugeordnet werden können oder in Anlage 2 genannt sind. Auch für die Herstellung, Anwendung, Entwicklung, Testung oder Prüfung jener Produkte können diese Stoffe notwendig sein. Indes seien beide Produktgruppen für die Sicherstellung der Gesundheitsversorgung notwendig.

Anpassung der Begriffsbestimmung des „neuen psychoaktiven Stoffes“

Um den Anwendungsbereich des Gesetzes auf Lachgas, GBL und BDO zu erstrecken, ist es neben der Schaffung der Anlage 2 zudem notwendig, auch die Legaldefinition des „neuen psychoaktiven Stoffes“ anzupassen. Hierzu wird § 2 Nr. 1 NpSG geändert. Nach dem Gesetzentwurf soll die Legaldefinition eines neuen psychoaktiven Stoffs sowohl – wie bereits bisher – Stoffe und deren Zubereitungen umfassen, die einer der in Anlage 1 gelisteten Stoffgruppen (z. B. sog. Designerdrogen, Research Chemicals, Legal Highs) zugeordnet werden können (§ 2 Nr. 1 lit. a) NpSG-E), als auch künftig die in der neu hinzugefügten Anlage 2 gelisteten Einzelstoffe und deren Zubereitungen, soweit jener Stoff oder die Zubereitung die in Anlage 2 Spalte 2 genannten Eigenschaften aufweist (§ 2 Nr. 1 lit. b) NpSG-E).

Zu beachten ist dabei, dass § 2 Nr. 1 lit. b) NpSG-E ausdrücklich auf Spalte 2 der Anlage verweist. In dieser Spalte werden bestimmte Konzentrationswerte für die jeweiligen Stoffe festgelegt (20 %). Dadurch soll im Hinblick auf die vielfältigen legalen Verwendungen, bei denen diese psychoaktiven Stoffe als Produkte des täglichen Lebens gehandelt werden (bspw. GBL-haltige Nagellackentferner), die die genannten Stoffe nur in geringen Konzentrationen enthalten und nicht als Rauschmittel eingesetzt werden können, sichergestellt werden, dass solche nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Dies korrespondiert mit den unter C. dargestellten Zielen des Gesetzentwurfs, allein die Verwendung zu Rauschzwecken zu verhindern, nicht aber eine breit anerkannte Nutzung zu anderen Zwecken zu beschränken.

Gleichzeitig trägt der Entwurf der Schnelllebigkeit und der Dynamik des Rauschmittelmarktes und der damit verbundenen Gefährdung der Gesundheit Rechnung. Unter den Voraussetzungen des § 7 NpSG soll das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt werden, im Wege der Verordnung die Anlage 2 zu erweitern oder zu verändern, soweit dies nach wissenschaftlichen Erkenntnissen erforderlich ist.

Erstreckung des verwaltungsrechtlichen Verbots auf Stoffe der Anlage 2 und deutliche Erweiterung verbotener Formen des Umgangs

Der Entwurf sieht schließlich vor, das verwaltungsrechtliche Verbot des Umgangs mit neuen psychoaktiven Stoffen aus § 3 Abs. 1 NpSG auf die Stoffe aus Anlage 2 (also Lachgas, GBL und BDO) zu erstrecken und die verbotenen Formen des Umgangs erheblich zu erweitern. Verboten werden soll zunächst nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 NpSG-E der Handel, das Inverkehrbringen, das Herstellen, das Verbringen außerhalb des Geltungsbereiches des NpSG, der Erwerb, der Besitz sowie die Verabreichung von einem in § 2 Nr. 1 lit. a) oder lit. b) NpSG-E genannten Stoff an einen anderen.

Für Lachgas ist hierbei zu beachten, dass § 3 Abs. 1 Nr. 1 NpSG-E ausschließlich auf Stoffe verweist, die die in Anlage 2 Spalte 3 genannten Eigenschaften haben. Die Eigenschaft des neuen psychoaktiven Stoffes im Falle von Lachgas gemäß Anlage 2 Spalte 3 setzt voraus, dass sich dieses verpackt in einem Behälter mit einer Füllmenge von mehr als acht Gramm befindet. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass erst Lachgaskapseln mit einem Inhalt von mehr als acht Gramm dem verwaltungsrechtlichen Umgangsverbot nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 NpSG-E unterliegen, da erst ab dieser Füllmenge davon ausgegangen wird, dass diese originär im privaten Kontext zu Rauschzwecken verwendet werden.

Verbot des Versand- und Automatenhandels

Um dem missbräuchlichen Konsum zu Rauschzwecken aber auch in kleinen Mengen entgegenzuwirken und insbesondere Kinder und Jugendliche besser vor den gesundheitlichen Gefahren – insbesondere durch den schnellen und anonymen Zugang – zu schützen, sieht der Gesetzentwurf in § 3 Abs. 1 Nr. 2 NpSG-E vor, dass auch solche neuen psychoaktiven Stoffe, die nicht die in Anlage 2 Spalte 3 genannten Eigenschaften erfüllen, weder über den Versandhandel noch zur Selbstbedienung über Automaten gehandelt, in Verkehr oder in den Geltungsbereich des NpSG gebracht oder erworben werden dürfen. Der Begriff des Versandhandels umfasst dabei namentlich auch den Online-Handel.

Verbot der Abgabe- und Überlassung an sowie des Erwerbs- und Besitzes für Minderjährige

Zudem sind in § 3 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 4 NpSG-E umfassende Abgabe-, Überlassungs-, Erwerbs- und Besitzverbot an und für Personen unter 18 Jahren – unabhängig davon, auf welchem Weg die Stoffe vertrieben werden – vorgesehen. Diese sollen mit dem Verbot des Versand- und Automatenhandels zusammenwirken, um die omnipräsente Verfügbarkeit im Interesse des Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutzes zu verringern und zu unterbinden, dass Minderjährige diese Vertriebswege nutzen, um eine Altersbeschränkung zu umgehen

Ausnahme von diesen Verboten im Falle einer aufwendigen Extraktion

Die Verbote aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 NpSG-E sollen indes nicht ausnahmslos gelten. Die bisher bestehenden Ausnahmen in § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 NpSG sollen vollumfänglich erhalten bleiben. Ergänzt werden sollen diese durch § 3 Abs. 2 Nr. 3 NpSG-E, welcher für die Umgangsverbote des § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 NpSG-E eine Ausnahme dann vorsieht, wenn die dort unter das verwaltungsrechtliche Verbot gestellten Handlungen in einer Form erfolgen, die eine Extraktion des jeweiligen neuen psychoaktiven Stoffes nur unter unverhältnismäßigem Aufwand zulassen.

Entscheidend ist hierfür, dass der jeweilige Stoff in einer Form (Behältnis, Zubereitung, etc.) vorliegt, die einen unverhältnismäßig hohen Aufwand zur Extraktion erfordert. Dies betrifft etwa Produkte, bei denen der psychoaktive Stoff fest verbaut ist und nur in geringer Menge vorliegt, wie z. B. bei Lachgas in Treibgas-Behältnissen zum Aufschäumen. Da eine missbräuchliche Nutzung in solchen Fällen kaum möglich ist, wären pauschale Verbote – insbesondere vor dem Hintergrund der häufigen Verwendung dieser Produkte im Alltag – unverhältnismäßig. Anders verhält es sich jedoch bei leicht zugänglichen Formen wie Sprühsahnedosen, bei denen die Lachgaskapseln aufgeschraubt werden können und auf diese Weise Lachgas mit geringem Aufwand entnommen werden kann.

Unangetastet lässt der Gesetzentwurf die schon bestehenden Ausnahmen nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 und 2 NpSG. Das führt dazu, dass die anerkannte industrielle, gewerbliche oder wissenschaftliche Nutzung von Lachgas, GBL und BDO – unabhängig von der Konzentrations- oder Füllmenge – erlaubt bleibt, da sie nicht dem Konsum und der Erzielung einer psychoaktiven Wirkung dienen. Diese Ausnahmeregelung aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 NpSG ist weit auszulegen und umfasst alle in § 3 Abs. 1 NpSG genannten Handlungen einschließlich des Erwerbs und des Besitzes.

Präzisierung der Strafvorschriften

Der Gesetzentwurf sieht – abgesehen von einer Präzisierung aus Bestimmheitsgründen – keine Änderungen der Strafvorschriften vor. So sollen die Strafvorschriften in § 4 Abs. 1 NpSG die Verbote aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 NpSG-E abbilden. Das bedeutet im Einklang mit der bisherigen Systematik des NpSG, dass nicht jeder Verstoß gegen das verwaltungsrechtliche Verbot des § 3 Abs. 1 NpSG automatisch strafbar ist. Die Strafvorschriften in § 4 NpSG sind enger gefasst und erfassen insbesondere keine Verstöße gegen die Verbote des § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 NpSG-E. Eine Strafbarkeit besteht nur bei bestimmten Handlungen wie dem Handeltreiben, dem Inverkehrbringen, dem Verabreichen an andere (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 NpSG-E) oder der Herstellung bzw. dem Verbringen in den Geltungsbereich des Gesetzes zum Zweck des Inverkehrbringens (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 NpSG-E). Ein Verstoß gegen die verwaltungsrechtlichen Verbote der Abgabe oder Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch eines in § 2 Nr. 1 lit. b) NpSG-E genannten neuen psychoaktiven Stoffes an Minderjährige (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 NpSG-E) sowie des Erwerbs oder Besitzes eines in § 2 Nr. 1 lit. b) NpSG-E genannten neuen psychoaktiven Stoffes als Minderjähriger (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 NpSG-E) sind demnach nicht strafbewehrt.

E. Verhältnis zu den kommunalen ordnungsbehördlichen Verordnungen

Im Hinblick auf die geplante umfassende bundesgesetzliche Neuregelung stellt sich zwangsläufig die Frage, wie das Verhältnis einer solchen Bundesregelung zu den bereits erlassenen ordnungsbehördlichen Verordnungen ist, die den Verkauf und die Ab- und Weitergabe von Lachgas an Minderjährige untersagen. Zahlreiche Gemeinden haben seit Ende 2024 auf den Umstand reagiert, dass in der letzten Legislaturperiode die geplante Gesetzesänderung des NpSG nicht mehr umgesetzt wurde und im Wege von ordnungsbehördlichen Verordnungen umfassende Verkaufs-, Ab- und Weitergabeverbote von Lachgas an Minderjährige erlassen.

Zunächst ist zu klären, ob solche Verordnungen überhaupt rechtmäßig erlassen werden durften. Dabei geht es nicht nur um die Frage der Gesetzgebungskompetenz (hierzu bereits unser Noerr Insight vom 14.02.2025), sondern auch um materiell verfassungsrechtliche Aspekte.

Insbesondere ist zu beachten, dass sich die in den Verordnungen geregelten Verbote sowie die angedrohten Bußgelder in einem grundrechtssensiblen Bereich bewegen. Es besteht daher die Möglichkeit, dass die vom Bundesverfassungsgericht („BVerfG“) betonte Wesentlichkeitsschwelle überschritten wurde. Nach dieser vom BVerfG entwickelten und in ständiger Rechtsprechung ausgeprägten Wesentlichkeitslehre muss der Gesetzgeber staatliches Handeln in grundlegenden Bereichen durch ein förmliches Gesetz legitimieren und alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 28.10.1975, 2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 2 BvR 497/74, 2 BvR 526/74). Im Ergebnis folgen daraus ein Verbot der Delegation wesentlicher Entscheidungen an die Exekutive und eine Pflicht des parlamentarischen Gesetzgebers, solche Entscheidungen selbst zu treffen. Ist dies der Fall, wären die betreffenden ordnungsbehördlichen Verordnungen von Anfang an unwirksam, da nur der parlamentarische Gesetzgeber zur Regelung befugt ist.

Sollten die kommunalen Regelungen nicht gegen den Wesentlichkeitsgrundsatz verstoßen, blieben die Verordnungen – zumindest bis zum Inkrafttreten des geplanten NpSG-E – weiterhin gültig. Mit dessen Inkrafttreten käme diesem als Bundesgesetz – schon aufgrund des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Vorrangs des Gesetzes – im Falle von Kollisionen jedoch der Vorrang zu. Ordnungsbehördliche Verordnungen dürfen nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Verstößt eine solche von der Gemeinde beschlossene ordnungsbehördliche Verordnung gegen das NpSG-E (dessen ordnungsgemäße Beschlussfassung, Verkündung und In-Kraft-Treten vorausgesetzt), so ist diese nichtig. Nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob eine Behörde eine für nichtig erachtete ordnungsbehördliche Verordnung ohne Weiteres außer Acht lassen darf.

Zahlreiche der von den Gemeinden erlassenen ordnungsbehördlichen Verordnungen sind auf wenige Jahre befristet. Das jeweilige Landesrecht sieht zudem regelmäßig eine maximale Geltungsdauer vor. In Nordrhein-Westfalen ist diese für ordnungsbehördliche Verordnungen gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 des Ordnungsbehördengesetzes auf maximal 20 Jahre festgelegt.

F. Resümee und Ausblick: Worauf sollten sich betroffene Unternehmen einstellen?

Die Bundesregierung plant, den Gesetzentwurf prioritär in das parlamentarische Verfahren einzubringen. Zur Verkürzung des parlamentarischen Verfahrens hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf für besonders eilbedürftig i.S.d. Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG erklärt. Hierdurch kann sie den Gesetzentwurf bereits drei Wochen nach Zuleitung an den Bundesrat dem Deutschen Bundestag zuleiten. Zudem handelt es sich bei diesem Gesetzentwurf um den gesetzlichen Normalfall eines Einspruchsgesetzes. Eine Zustimmung des Bundesrates ist insoweit nicht erforderlich. Ein Einspruch des Bundesrates dürfte indes vor dem Hintergrund der parteiübergreifenden Einigkeit im Hinblick auf das Regelungsbedürfnis nicht zu erwarten sein und kann zudem durch den Deutschen Bundestag nach Maßgabe von Art. 77 Abs. 4 GG überstimmt werden, sodass der Gesetzentwurf auch in diesem Falle beschlossen werden kann.

Komplexe Regelungssystematik

Für die betroffenen Akteure der Wirtschaft besteht – sollte das NpSG-E in Kraft treten – ein erhöhter Erfüllungsaufwand, da sie die zuvor dargelegten Maßgaben des NpSG-E innerhalb der komplexen Regelungssystematik zu beachten haben, wobei sich hier für die Unternehmen im Einzelfall viele rechtliche Fragen auftun, die erhebliche Konsequenzen für die weitere Bewertung der zu erfüllenden Anforderungen haben.

Hierbei sollte bereits auf Ebene der Produktion berücksichtigt werden, ob die Produkte dem NpSG unterfallen oder einen Ausnahmetatbestand erfüllen und ob die Produkte, sofern sie dem NpSG unterfallen, gemäß Anlage 2 Spalten 2 und 3 so ausgestaltet sind, dass die Verbote zu beachten sind. Im Falle von GBL und BDO unterläge jeder Stoff den Verboten des § 3 Abs. 1 NpSG-E, sofern das NpSG anwendbar ist und es sich bei dem Produkt um einen neuen psychoaktiven Stoff i.S.d. § 2 Nr. 1 NpSG-E handelt. Nur bei Lachgas besteht die Möglichkeit durch eine Anpassung der Füllmenge auf maximal acht Gramm gemäß Anlage 2 Spalte 3 nicht dem Verbot des § 3 Abs. 1 Nr. 1 NpSG-E zu unterfallen. Die übrigen Verbote in § 3 Abs. 1 Nr. 2 – 4 NpSG-E würden indes auch in diesem Fall gelten.

Eine besonders zentrale Weichenstellung ist dabei für die betroffenen Unternehmen, ob ein Ausnahmetatbestand von diesen Verboten i.S.d. des § 3 Abs. 2 NpSG-E greift, insbesondere, ob es sich um eine anerkannte Verwendung handelt. Diese Frage ist regelmäßig streng einzelfallbezogen zu beachten und für die Unternehmen mit erheblichen Risiken verbunden, sollte es hier zu einer unzutreffenden Bewertung kommen. Insbesondere droht bei Verstößen dann auch eine strafrechtliche Verfolgung über die Straftatbestände des § 4 Abs. 1 NpSG-E.

Versand- und Onlinehandel

Insbesondere Unternehmen aus dem Bereich des Versand- und Onlinehandels sowie Aufsteller von Automaten zur Selbstbedienung sollten eingehend prüfen, ob sie mit solchen Stoffen Handel treiben, die dem Verbot des § 3 Abs. 1 Nr. 2 NpSG-E unterfallen.

Ist dies der Fall, sollte der Handel umgehend eingestellt bzw. angepasst werden, sodass er mit den Maßgaben von § 3 NpSG-E konform ist. Ein Verstoß gegen dieses Handelsverbot aus § 3 Abs. 1 Nr. 2 NpSG-E ist unter den Maßgaben von § 4 Abs. 1 NpSG-E ein Straftatbestand, welcher grundsätzlich mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann. Dabei ist bereits der Versuch strafbar. Im Falle der Gewerbsmäßigkeit kann nach Maßgabe von § 4 Abs. 3 NpSG auf Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren entschieden werden.

Auch hier wird die Frage von essentieller Bedeutung sein, ob ein Ausnahmetatbestand von diesen Verboten i.S.d. des § 3 Abs. 2 NpSG-E greift, insbesondere, ob eine anerkannte Verwendung vorliegt.

Kontrollpflichten

Im Hinblick auf die Abgabe-, Überlassungs- und Erwerbsverbote an Minderjährige aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 NpSG-E ergeben sich für sämtliche Verkaufsstellen – Drogerien, Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte, Kioske u.a. – streng einzuhaltende Prüf- und Kontrollpflichten. Sofern Zweifel an der Volljährigkeit von Kunden besteht, ist hier das Verlangen eines Ausweisdokumentes zur Feststellung des Alters und Überprüfung der Volljährigkeit des Kunden zwingend.

In-Kraft-Treten des NpSG-E drei Monate nach Verkündung

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das NpSG-E drei Monate nach Verkündung in Kraft treten wird. Der hieraus resultierende Übergangszeitraum zwischen Verkündung und Inkrafttreten soll insbesondere Abgabestellen ausreichend Zeit einräumen, die zur Umsetzung des Verbots des Versand- und Automatenhandels notwendigen organisatorischen und technischen Anpassungen vorzunehmen. Gleiches gilt für die Einführung der Prüfung der Altersbeschränkungen.

Betroffene Unternehmen sind daher gut beraten, sich mit den komplexen Anforderungen des NpSG-E rechtzeitig vertraut zu machen und sich auf daraus resultierenden Anpassungsbedarf vorzubereiten.

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