Build-Operate-Transform-Transfer (BOTT): Rechtssicher vom Outsourcing zur Eigenständigkeit
Outsourcing liegt derzeit vor dem Hintergrund der starken Einsparbemühungen bei Unternehmen hoch im Trend. Hinsichtlich der Vertragsinhalte zeichnet sich derzeit ein deutlicher Trend hin zu sogenannten Build-Operate-Transform-Transfer-Modellen (BOTT) ab. Dabei handelt es sich um eine Form der Zusammenarbeit, bei der ein externer Dienstleister für den Auftraggeber zunächst eine operative Einheit aufbaut und betreibt – häufig in einem internationalen Zielmarkt –, bevor diese nach einer definierten Betriebsphase in die eigene Unternehmensstruktur des Auftraggebers überführt wird. Die Rolle des Auftragnehmers geht dabei weit über reine Unterstützungsleistungen hinaus: Er bringt spezifische Marktkenntnis, lokales Netzwerk, regulatorische Erfahrung sowie qualifizierte Human Resources in das Projekt ein.
Unternehmen verfolgen mit dieser Struktur häufig das Ziel, spezialisierte Kompetenzzentren aufzubauen, um bestimmte Geschäftsbereiche gezielt zu professionalisieren und langfristig in die eigene Wertschöpfungskette zu integrieren – etwa im Hinblick auf AI Readiness, Cloud-Infrastruktur oder Cybersecurity-Optimierung. Ein weiterer zentraler Vorteil solcher BOTT-Modelle liegt für Unternehmen in der Möglichkeit, auf internationale Talentpools zuzugreifen und dabei die unterschiedlichen Kostenstrukturen strategisch zu nutzen. In vielen Fällen werden die Einheiten bewusst in Nearshore- (etwa Osteuropa) oder Offshore-Standorten (wie Indien) errichtet, um Zugang zu hochqualifizierten Fachkräften zu erlangen und diese Expertise – etwa in Softwareentwicklung, Data Engineering oder KI-getriebenen Prozessen – mit dem Vorteil geringerer Arbeitskosten im Vergleich zu Deutschland zu verbinden. Damit erreichen Unternehmen nicht nur Effizienzgewinne, sondern auch den Aufbau spezifischen Know-how, ohne auf die operative Steuerung und die langfristige Kontrolle über die aufgebauten Strukturen zu verzichten.
Vor diesem Hintergrund erlebt insbesondere der Aufbau von IT- und technologiebezogenen Geschäftsbereichen über BOTT-Strukturen – und das Offshoring insgesamt – einen spürbaren Aufschwung. Das BOTT-Modell erlaubt es Unternehmen, ausländische Einheiten zu errichten, die zunächst unter der operativen Leitung lokaler, erfahrener Auftragnehmer stehen und anschließend als eigene Einheiten in das Unternehmen integriert werden – ein Ansatz, der operative Kontrolle, Kosteneffizienz und Wissenstransfer vereint.
Vertragliche Umsetzung der BOTT-Ziele
Die Errichtung einer solchen captive operation in einer fremden Jurisdiktion stellt Unternehmen regelmäßig vor erhebliche praktische und rechtliche Herausforderungen. Damit ein solches Projekt auch den gewünschten Erfolg hat, bedarf es eines stabilen vertraglichen Rahmens, der als strategisches Steuerungsinstrument die langfristigen Unternehmensziele ebenso im Blick hat wie die rechtlichen Risiken, die sich insbesondere auch aus dem Zusammenspiel verschiedener Rechtsordnungen ergeben können.
Wesentliche Themen, die sowohl bei der Vertragsgestaltung als auch bei der Auswahl geeigneter Vertragspartner eine Rolle spielen, sind der Aufbau von Teams vor Ort, also die Anstellung und das Training qualifizierter Mitarbeiter/-innen, die dem Auftraggeber auch langfristig erhalten bleiben. Zudem ist der Dienstleister mit der Anmietung und dem laufenden Betrieb von Betriebsstätten zu beauftragen, einschließlich eines effizienten Office- und Asset-Managements, wobei Letzteres insbesondere die Verwaltung und Instandhaltung des IT-Equipments und sonstiger technischer Arbeitsmittel umfasst. Ferner spielen die Service Commitments des Outsourcing-Dienstleisters eine erhebliche Rolle, also die Frage, inwieweit der Anbieter zu verbindlichen Zusagen hinsichtlich des erfolgreichen Aufbaus der Leistungserbringung und zur Einhaltung von Qualitätsmerkmalen, z. B. Service Levels, im operativen Betrieb bereit ist.
Rechtliche Schlüsselfragen in den einzelnen Phasen des BOTT-Modells
Je nach Phase des BOTT-Modells treten unterschiedliche rechtliche und organisatorische Risiken zutage. In der Build-Phase, also der Aufbauphase, liegt der Schwerpunkt auf der sorgfältigen Planung und strukturierten Umsetzung des Projekts. In dieser Phase entscheidet sich, ob die nachfolgende Betriebs- und Transferphase auf einem belastbaren Fundament steht – oder ob langfristige Unternehmensziele späteren rechtlichen und operativen Reibungen zum Opfer fallen.
Aus Sicht des Auftraggebers ist entscheidend, dass BOTT-Verträge so weit wie möglich werkvertraglichen Charakter haben. Ziel ist nicht lediglich die Erbringung laufender Unterstützungsleistungen, sondern die Erreichung konkreter, messbarer Projektergebnisse, die innerhalb der einzelnen Phasen sowie am Ende des Projekts einer förmlichen Abnahme durch den Auftraggeber unterliegen. Dies umfasst definierte Meilensteine, Leistungskennzahlen und Abnahmekriterien, an denen der Fortschritt objektiv überprüft werden kann.
Zentrale Aufgabe in der Build-Phase ist die Erstellung eines detaillierten Transitions- und Implementierungsplans, der in engster Abstimmung zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber zu entwickeln ist. Dieser Plan definiert sämtliche organisatorischen, rechtlichen und technischen Schritte, um den Aufbau einer voll funktionsfähigen Betriebseinheit im Zielland zu gewährleisten. Die Herausforderung besteht darin, Infrastruktur und Governance so zu errichten, dass sie in der Lage ist, in der sich anschließenden Operate-Phase den laufenden Geschäftsbetrieb des beauftragenden Unternehmens für den relevanten Bereich stabil und stetig zu führen. Arbeitsrechtliche Aspekte sind in dieser ersten Phase essenziell: Nicht nur die technische und organisatorische Betriebsbereitschaft muss sichergestellt werden, sondern es müssen auch frühzeitige Planungen für einen etwaigen Mitarbeitertransfer – der in ausländischen Jurisdiktionen unterschiedliche Voraussetzungen hat – einschließlich der Abstimmung mit bestehenden Arbeitnehmervertretungen oder Betriebsräten, erfolgen. Der Fortschritt der Transition ist anhand vom Auftraggeber freizugebender Meilensteine zu überprüfen. Am Ende der Transition sollte eine Gesamtabnahme stehen.
Die Operate-Phase umfasst den operativen Betrieb durch den Auftragnehmer und erstreckt sich typischerweise über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren. Ähnlich wie bei klassischen IT-Outsourcings stehen in dieser Phase KPIs und konkrete Service Levels im Mittelpunkt, deren Ziel die uneingeschränkte Aufrechterhaltung und Optimierung der Geschäftsprozesse – etwa in Form von Effizienzsteigerungen – ist. Im Vergleich zu herkömmlichen Outsourcing-Modellen gestaltet sich jedoch die Verantwortungsabgrenzung als besonders anspruchsvoll. Während im klassischen Outsourcing der Auftragnehmer typischerweise die Verantwortung für ganze Bereiche übernimmt, ist die Zusammenarbeit im BOTT-Modell wesentlich enger verknüpft: Es handelt sich nicht nur um eine „Auslagerung“, sondern ggf. um eine Form der arbeitsteiligen Kooperation und Beteiligung von Mitarbeiter/-innen sowohl des Auftraggebers als auch der externen Einheit, bei der die Trennlinie zwischen Verantwortlichkeiten und technischen Schnittstellen rechtlich und organisatorisch präzise gezogen werden muss. Hierbei gilt es auch darauf zu achten, dass keine Gemeinschaftsbetriebe zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer entstehen.
Der zugrunde liegende Vertrag sollte zu diesem Zeitpunkt bereits klare Regelungen zur Entstehung und Zuordnung von geistigem Eigentum, zu Abnahmeprozessen sowie zu Haftungsmechanismen enthalten. Nur so lässt sich vermeiden, dass operative Störungen in unklaren Haftungskonstellationen münden.
Der eigentlichen Transfer-Phase geht im zeitlichen Ablauf eine Transform-Phase voraus. Diese dient nicht lediglich der Vorbereitung des Übergangs, sondern verfolgt das Ziel, die während der Operate-Phase etablierten Strukturen und Prozesse gezielt zu optimieren und an die strategischen Zielvorgaben des Auftraggebers (KPIs) anzupassen. Im Mittelpunkt steht dabei die Transformation von einer durch den Auftragnehmer gesteuerten Betriebsorganisation hin zu einer eigenständigen, integrierten oder integrierbaren Unternehmenseinheit des Auftraggebers.
Ein besonderer Fokus in dieser Phase liegt auf der Neustrukturierung der Mitarbeiterorganisation – also der Anpassung von Rollenprofilen, Verantwortlichkeiten und Berichtslinien an die interne Governance des Auftraggebers. Die Transform-Phase erfordert ggf. die rechtzeitige Einbindung und Beteiligung von Arbeitnehmervertretungen. Parallel dazu erfolgt oftmals eine Optimierung der Prozesse und die technologische Weiterentwicklung der eingesetzten Systeme, insbesondere durch die Integration moderner Automatisierungs- und KI-Lösungen in bestehende Workflows. Diese Maßnahmen sollen gewährleisten, dass die übernommene Einheit nicht nur operativ funktioniert, sondern einen nachhaltigen Mehrwert im Sinne von Effizienz, Innovationsfähigkeit und technologischer Resilienz schafft.
Die Transfer-Phase bildet den entscheidenden Abschluss eines BOTT-Projekts – und zugleich seine risikoreichste Etappe. In diesem Stadium sind bereits erhebliche Investitionen in Infrastruktur, Personal und Know-how geflossen und der wirtschaftliche Erfolg des gesamten Modells hängt nun davon ab, ob der Übergang der aufgebauten Einheit rechtlich und organisatorisch reibungslos gelingt. Gerade in dieser letzten Phase zeigt sich der werkvertragliche Charakter des BOTT-Modells besonders deutlich: Der Auftragnehmer schuldet nicht nur eine ordnungsgemäße Vorbereitung des Transfers, sondern den tatsächlichen Projekterfolg. Damit dieser Anspruch rechtlich durchsetzbar bleibt, ist es unerlässlich, klare und messbare Erfolgskriterien im Vertrag zu definieren, anhand derer der Projektfortschritt objektiv bewertet werden kann. Nur so lassen sich abstrakte Leistungsversprechen – etwa zu Effizienzsteigerungen, Prozessstabilität oder Qualitätsverbesserungen – in konkrete, abnahmefähige Ergebnisse übersetzen.
Während die Übernahme von Geschäftsprozessen zu Beginn eines BOTT-Projekts noch wesentliche Parallelen zur Auslagerung im Rahmen klassischer Outsourcing-Projekte aufweist, unterscheidet sich die abschließende Übergabe fundamental: Das BOTT-Modell geht weit über das hinaus, was man im klassischen IT-Outsourcing als „Exit Management“ kennt. Es handelt sich nicht um den geordneten Rückzug eines Providers, sondern um die Überführung und Integration einer speziell geschaffenen, produktiven Einheit mit auf den Auftraggeber zugeschnittenen Prozessen, Mitarbeiter/-innen und geistigem Eigentum in die Unternehmensstruktur des Auftraggebers. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an die vertragliche Begleitung dieses Schritts.
Auch der Aspekt des geistigen Eigentums nimmt eine besonders hervorzuhebende Rolle ein. Für den Auftraggeber ist es geschäftskritisch, die in mehreren Jahren Zusammenarbeit entstandenen Arbeitsergebnisse vollumfänglich und dauerhaft zu sichern – und zwar über die Vertragslaufzeit hinaus. Dafür bedarf es einer umfassenden Einräumung von Immaterialgüterrechten und einer sauberen Darstellung der Nutzungsbefugnisse, die schon während der Operate-Phase die Verwendung der Software, Daten und Dokumentationen klar regelt.
Darüber hinaus gilt es, auch das weniger greifbare, aber geschäftskritische betriebliche Know-how zu sichern, das im Verlauf der Kooperation entsteht. Um dem Verlust vorzubeugen, ist es essenziell, die Schlüsselpositionen aus der BOTT-Einheit erfolgreich an das Zielunternehmen zu binden. Wenig überraschend spielen erneut arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen in diesem Abschnitt eine entscheidende Rolle, da die in fremden Organisationsstrukturen geschaffenen Geschäftsbereiche nunmehr beim Auftraggeber einzubinden und ggf. mit bestehenden Strukturen zu harmonisieren sind. Bestehende Arbeitsverträge müssen ggf. aufgehoben und neue abgeschlossen (Personnel-Transfer-Agreement) oder ein Betriebsübergang gestaltet werden. Ergänzend kann auf einen Know-how-Transfer etwa im Wege von Transfer-Workshops hingewirkt werden. Darüber hinaus sind Vertragsklauseln zur Geheimhaltung unerlässlich, um sicherzustellen, dass die aus dem Projekt gewonnenen Erkenntnisse nicht – sei es durch Mitarbeiterwechsel oder Anschlussprojekte – in die Hände von Wettbewerbern gelangen. Passend eingesetzte nachvertragliche Wettbewerbsverbote können bei Leistungsträgern zusätzlich eine Know-how-sichernde Wirkung haben.
Nicht zuletzt ergeben sich aus den lokalen Gegebenheiten von BOTT-Projekten zusätzliche rechtliche Risiken. Damit ist nicht nur das Ineinandergreifen von verschiedenen zur Anwendung gelangenden Rechtsordnungen gemeint, sondern etwa auch die Einhaltung arbeitsrechtlicher oder branchenspezifischer Regulierungen, die steuerliche Strukturierung von Betriebsstätten und grenzüberschreitenden Sachverhalten sowie die gerichtlichen Zuständigkeiten.
Fazit
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass es sich bei BOTT-Modellen um hochkomplexe Strukturen handelt, deren Erfolg maßgeblich von der vertraglichen Gestaltung abhängt. Zwar lassen sich bei der Gestaltung von BOTT-Projekten wertvolle Erfahrungen aus klassischen IT-Outsourcings nutzen, doch ist es entscheidend, die spezifischen rechtlichen und organisatorischen Besonderheiten des BOTT-Modells zusätzlich zu kennen und zu verstehen, was Weitsicht und einschlägige Erfahrung in der Umsetzung unternehmens- und grenzübergreifender Projektarchitekturen voraussetzt.
Gern unterstützen wir Sie dabei, die wirtschaftlichen und strategischen Potenziale eines solchen Modells optimal zu nutzen – mit einer Beratung, die rechtliche Präzision mit praktischem Verständnis für operative und kommerzielle Zusammenhänge verbindet. Wir beraten interdisziplinär an der Schnittstelle von Digital Business, Arbeitsrecht, Unternehmens- und Steuerrecht, um Ihnen ein konsistentes, praxistaugliches und zukunftssicheres Vertrags- und Implementierungskonzept an die Hand zu geben. So schaffen wir die rechtlichen Voraussetzungen für das, was BOTT-Modelle im Kern versprechen: Nachhaltige Wertschöpfung durch Optimierung von Betriebsteilen und den strukturierten Transfer von Wissen und Technologie.
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