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Gesetz­geberische Nachlässig­keit erschwert Unternehmens­nachfolge mit Immobilien

28.03.2024

Verwaltungsvermögen im Erb- oder Schenkungsfall

Die Abgrenzung zwischen dem „produktiven“ Unternehmensvermögen und dem „passiven“ Verwaltungsvermögen ist ein zentraler Bestandteil der Planung von Unternehmensnachfolgen. Denn Verwaltungsvermögen profitiert grundsätzlich nicht von den Verschonungsregeln für unternehmerisches Vermögen im Erb- oder Schenkungsfall. Beruht der Gesamtwert des Unternehmens zu weitgehend auf Verwaltungsvermögen, kommen die Verschonungsregeln für unternehmerisches Vermögen insgesamt – das heißt auch für das „produktive“ Unternehmensvermögen – nicht zur Anwendung (siehe dazu unseren Beitrag vom 27.12.2023 zum sog. „90-% Einstiegstest“).

Überlassene Immobilien als Verwaltungsvermögen

Zum Verwaltungsvermögen gehören zum Beispiel Kassenbestände, Bankguthaben, Forderungen, Wertpapiere, Edelmetalle und an Dritte zur Nutzung überlassene Grundstücke. Auch wenn der Wortlaut des Gesetzes etwas anderes vermuten lassen könnte, sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch Grundstücksüberlassungen an verbundene Unternehmen bzw. innerhalb desselben Konzerns als Grundstücksüberlassungen an Dritte anzusehen. Dies ist deshalb relevant, weil innerhalb derselben Unternehmensgruppe zur Nutzung überlassene Grundstücke nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen nicht zum Verwaltungsvermögen gehören (Rückausnahme). Da die Bündelung von Immobilienbesitz in einzelnen Grundbesitzgesellschaften und dessen gruppenweite Überlassung eine gängige Praxis in vielen Familienunternehmen darstellt, kommt vor allem der Rückausnahme für Nutzungsüberlassungen im Konzern, wie sie derzeit in § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c ErbStG vorgesehen ist, eine erhebliche Bedeutung zu. Dabei gilt der Konzernbegriff im Sinne der sog. Zinsschranke (§ 4h EStG).

Verflechtung zwischen Einkommen- und Erbschaft- bzw. Schenkungsteuerrecht

Aufgrund des in § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c ErbStG enthaltenen dynamischen Verweises auf einen „Konzern im Sinne des § 4h des Einkommensteuergesetzes“, wirken sich durch den Gesetzgeber oder die Rechtsprechung veranlasste Entwicklungen bei der Zinsschranke zugleich mittelbar im Bereich der Erbschaft- und Schenkungsteuer aus. Dies gilt auch für die Streichung des erweiterten Konzernbegriffs (§ 4h Abs. 3 Satz 6 EStG a.F.) mit Wirkung zum 01.01.2024 durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 22.12.2023 (BGBl. I 2023, Nr. 411), die den Anwendungsbereich der Rückausnahme aus § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c ErbStG deutlich reduziert.

Unter Geltung des bisherigen Konzernbegriffs aus § 4h EStG a.F. gehörten Betriebe auch dann einem Konzern an, wenn deren Finanz- und Geschäftspolitik einheitlich bestimmt werden kann (sog. Gleichordnungskonzern). Dies ermöglichte die Inanspruchnahme der Konzernausnahme auch natürlichen Personen, die Beteiligungen an beherrschten Gesellschaften im Privatvermögen hielten. Diese Möglichkeit ist nunmehr entfallen, weil ein Betrieb nur noch dann zu einem Konzern im Sinne der Zinsschranke gehört, wenn er nach nationalen oder internationalen Rechnungslegungsstandards mit einem oder mehreren anderen Betrieben konsolidiert wird (§ 4h Abs. 3 Satz 4 EStG). Natürliche Personen mit Beteiligungen im Privatvermögen scheiden damit künftig als Konzernspitze aus, da sie nicht in einen Konsolidierungskreis integriert werden können. Sofern nicht eine der übrigen Rückausnahmen für überlassene Grundstücke aus § 13b Abs. 4 Nr. 1 EStG einschlägig ist, etwa für Sonderbetriebsvermögen oder Wohnungsunternehmen, stellt der innerhalb derselben Unternehmensgruppe zur Nutzung überlassene Grundbesitz nunmehr Verwaltungsvermögen dar. Diese Auswirkungen verdeutlicht das nachfolgende Beispiel:

Eine natürliche Person hält alle Geschäftsanteile an einer Holding GmbH und einer grundbesitzenden GmbH („Grundbesitz GmbH“). Die Holding GmbH hält alle Geschäftsanteile an einer operativ tätigen GmbH („Operative GmbH“). Die Grundbesitz GmbH überlässt der Operative GmbH ein Grundstück, das die diese für ihren eigenen operativen Betrieb nutzt.

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Lösung:

Nach § 4h EStG a.F. läge eine Überlassung im Konzern vor, weil die natürliche Person sowohl in der Holding GmbH und in der Operativen GmbH als auch in der Grundbesitz GmbH die Finanz- und Geschäftspolitik einheitlich bestimmen kann. Das überlassene Grundstück der Grundbesitz GmbH wäre daher kein Verwaltungsvermögen i.S.d. § 13b Abs. 4 ErbStG. Seit dem 1.1.2024 können zwar die Holding GmbH und die Operative GmbH konsolidiert und damit in einen Konzern im Sinne der Zinsschranke integriert werden, nicht aber die Grundbesitz GmbH. Aus Sicht der Grundbesitz GmbH erfolgt somit eine Nutzungsüberlassung an einen Dritten, die Konzernausnahme aus § 13b Abs. 4 Nr. 1 Buchst. c ErbStG greift nicht mehr. Die weitere Rückausnahme aufgrund einer kapitalistischen Betriebsaufspaltung würde nach Auffassung der Finanzverwaltung schon daran scheitern, dass die natürliche Person ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar durchsetzen kann (sog. Durchgriffsverbot, siehe BMF v. 21.11.22, BStBl. I 2022, 1515). Im Ergebnis sollte das überlassene Grundstück der Grundbesitz GmbH nach Ansicht der Finanzverwaltung nunmehr (schädliches) Verwaltungsvermögen darstellen.

Beweggründe des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber sah sich gezwungen, den Konzernbegriff für Zwecke der Zinsschranke an europarechtliche Mindeststandards zur Bekämpfung der Steuervermeidung aus der Anti Tax Avoidance Directive (ATAD) der Europäischen Union anzupassen. Aus der Begründung zum Kreditzweitmarktförderungsgesetz geht nicht hervor, dass der Gesetzgeber zugleich den Verwaltungsvermögensbegriff für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer verschärfen wollte. Es scheint, dass der Gesetzgeber die Folgewirkungen für das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht übersehen hat.

Praxisfolgen und Ausblick

Unternehmensnachfolgen mit gruppenweit überlassenen Immobilien werden deutlich erschwert. Insbesondere vor einer Schenkung durch natürliche Personen ist zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der – nunmehr verschärften – Konzernausnahme durch Umstrukturierungen eröffnet werden kann, um die Quote des Verwaltungsvermögens zu senken.

Eine (erneute) Änderung der geltenden Gesetzeslage ist derzeit nicht in Sicht. Dem Vernehmen nach existierten zwar Bemühungen, die entstandene Verschärfung beim Verwaltungsvermögensbegriff durch das Wachstumschancengesetz abzumildern. Jedoch ist in das verabschiedete Wachstumschancengesetz letztlich keine solche Änderung aufgenommen worden.

Allgemein ist der dynamische Verweis auf den Konzernbegriff der Zinsschranke im Erb- und Schenkungsteuerrecht zu überdenken. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das ErbStG mit der Verbundvermögenaufstellung bereits eine „eigene Konzernbetrachtung“ kennt. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber diese Thematik angeht und in der Zwischenzeit die Finanzverwaltung zumindest im Erlassweg für Abhilfe sorgt.

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