Handelsabkommen zwischen der EU und den USA: eine gemeinsame Erklärung, zwei Legislativvorschläge und viele offene Fragen
A. Einleitung
Fast einen Monat, nachdem US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf höchster politischer Ebene eine Einigung erzielt hatten, um die transatlantischen Handelsbeziehungen neu zu gestalten und die Einführung umfassender US-Importzölle zu verhindern, veröffentlichten die EU-Kommission und die USA am 21. August 2025 eine Gemeinsame Erklärung über den Rahmen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten für ein Abkommen über einen auf Gegenseitigkeit beruhenden, gerechten und ausgewogenen Handel („Gemeinsame Erklärung“), auf die nun die zwei EU-Legislativvorschläge COM(2025)471 und COM(2025)472 („Legislativvorschläge“) gefolgt sind, die hauptsächlich der Umsetzung von Zugeständnissen dienen.
Diese Veröffentlichungen geben Einblick in die laufenden Verhandlungen und verdeutlichen schrittweise die Richtung der Diskussionen und wie ein mögliches Handelsabkommen zwischen der EU und den USA aussehen könnte. Die rasche Vorlage der Legislativvorschläge wurde in der Gemeinsamen Erklärung als Voraussetzung für das Inkrafttreten bestimmter Zugeständnisse der USA geregelt. Es bleibt ungewiss, ob – und in welcher Form – diese potenziell umstrittenen Vorschläge den Gesetzgebungsprozess der EU durchlaufen werden, der die Zustimmung sowohl des Europäischen Parlaments als auch des Rates erfordert.
Da noch keine endgültig verbindliche Vereinbarung und die entsprechenden Bestimmungen vorliegen, bleiben die Aussichten für ein rechtsverbindliches Handelsabkommen zwischen der EU und den USA höchst ungewiss.
Auf der Grundlage dieser jüngsten Veröffentlichungen und der verfügbaren Informationen lassen sich jedoch die folgenden wesentlichen Entwicklungen und derzeit zu erwartenden Auswirkungen feststellen:
B. Wichtigste Auswirkungen der Gemeinsamen Erklärung und der Legislativvorschläge für Wirtschaftsbeteiligte aus der EU
In der Gemeinsamen Erklärung in Verbindung mit den Legislativvorschlägen werden die Grundregeln für eine koordinierte Erklärung dargelegt, die den EU-Unternehmen zumindest mehr Sicherheit bei der Planung und Durchführung ihrer Exporte in die USA gibt.
(i) Aktuelle Verpflichtungen der USA
Die USA haben eine Zollobergrenze von 15 % zugesichert. Darüber hinaus wird entweder der Meistbegünstigungszollsatz der USA („MFN-Zollsatz”) – der Zollsatz, zu dem sich die USA gegenüber allen WTO-Mitgliedern verpflichtet haben – oder ein Zollsatz von 15 % (bestehend aus dem MFN-Zollsatz zuzüglich eines Gegenzolls) auf EU-Waren angewendet, je nachdem, welche der beiden Berechnungsmethoden zu dem höheren Satz führt.
Es gibt jedoch ausgenommene Produktkategorien, für die nur der MFN-Zollsatz gilt. Dazu gehören alle Flugzeuge und Flugzeugteile sowie Generika, einschließlich ihrer Inhaltsstoffe und chemischen Vorprodukte. In der Gemeinsamen Erklärung wird ferner darauf hingewiesen, dass weitere Sektoren und Produkte in die Liste der Produkte aufgenommen werden könnten, für die nur der MFN-Zollsatz gilt.
Waren, die derzeit Gegenstand von US-Zolluntersuchungen nach Abschnitt 232 des US-amerikanischen Gesetzes zur Ausweitung des Handels von 1962 sind, namentlich Arzneimittel, Halbleiter und Holz, unterliegen nach Verhängung solcher Maßnahmen einem Zollsatz, der ebenfalls 15 % nicht übersteigt.
Was Automobile und Automobilteile betrifft, so werden Zölle gemäß Abschnitt 232 auf EU-Waren mit einem MFN-Zollsatz von 15 % oder mehr erhoben; für Waren mit einem MFN-Satz unter 15 % wird ein Gesamtzollsatz von 15 % (der den MFN-Zollsatz und Abschnitt 232-Zölle umfasst) erhoben.
Kernsektoren wie Stahl und Aluminium bleiben von neuen Entlastungsmaßnahmen ausgeschlossen und unterliegen weiterhin Strafzöllen und restriktiven Kontingenten im Rahmen des US-amerikanischen Abschnitt 232-Systems. In diesem Zusammenhang wird in der Gemeinsamen Erklärung eine vorsichtige Formulierung verwendet, in der festgestellt wird, dass die EU und die USA lediglich „die Möglichkeit einer Zusammenarbeit in Betracht ziehen wollen”. Darüber hinaus wurden weder ein Zeitplan noch konkrete Mechanismen zur Abmilderung vorgeschlagen.
(ii) Aktuelle Verpflichtungen der EU
Die EU verpflichtet sich, Zölle auf Industriegüter abzuschaffen und für bestimmte US-amerikanische Agrar- und Fischereiexporte begrenzte Zollkontingente zu gewähren. Dazu gehören nicht sensible Güter wie Sojaöl, Nüsse und verarbeitete Lebensmittel, nicht jedoch politisch sensible Sektoren wie Rindfleisch oder gentechnisch veränderte Produkte.
Die Legislativvorschläge dienen der Umsetzung der Verpflichtungen der EU aus der Gemeinsamen Erklärung.
Vorschlag 471 setzt die Zoll- und Marktzugangsverpflichtungen der EU weitgehend in legislative Maßnahmen um. Er sieht die Beseitigung der Zölle auf die meisten Industrieprodukte vor, die unter die Zollkapitel 25–97 fallen, und legt Zollkontingente für eine Reihe von Agrarprodukten fest, darunter Schweinefleisch, Bisonfleisch, Milchprodukte, Käse, Nüsse, Sojaöl, Tierfutter sowie verschiedene Fisch- und Meeresfrüchteerzeugnisse.
Vorschlag 472 konzentriert sich speziell auf die Verlängerung der Zollbefreiung für Hummer – eine Schlüsselindustrie im US-Swing-State Maine und eine Priorität für die US-Regierung. Die bestehende Zollbefreiung aus dem Jahr 2020, die auslaufen soll, würde verlängert und der Geltungsbereich auf verarbeiteten Hummer ausgeweitet werden.
Beide Legislativvorschläge enthalten Bestimmungen, die es der EU ermöglichen, ihre Verpflichtungen gegenüber den USA auszusetzen, wenn diese ihren Teil der Vereinbarung nicht einhalten oder erhebliche Verzerrungen auf dem EU-Markt verursachen. Der breite Anwendungsbereich dieser Aussetzungsklauseln deutet darauf hin, dass die EU-Kommission auch nach Inkrafttreten des Handelsabkommens mit möglichen Hindernissen bei dessen Umsetzung rechnet.
(iii) Weitere erwähnenswerte Bestimmungen
Die USA bestehen auf strengen Ursprungsregeln, um Umgehungen durch Drittländer zu verhindern, insbesondere in Sektoren wie Elektronik, Textilien und Automobilkomponenten. Derzeit beziehen sich die Legislativvorschläge der EU nur auf die standardmäßigen nichtpräferenziellen Ursprungsregeln nach Artikel 59 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013, bis mit den USA eine Einigung über Präferenzursprungsregeln erzielt wurde. Für Unternehmen, die komplexe globale Lieferketten betreiben, kann die derzeitige Unsicherheit hinsichtlich der Ursprungsschwellen die Einhaltung der Vorschriften erschweren und die Planung beeinträchtigen.
Die Gemeinsame Erklärung enthält auch einige Anmerkungen zu den Rechtsvorschriften der EU in Bezug auf nachhaltigen Handel und nachhaltige Lieferketten, die von der Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit („CSDDD“), der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen („CSRD“) und der Entwaldungsverordnung („EUDR“) bis zur Verordnung über den CO2-Ausgleichsmechanismus („CBAM“) reichen. In Bezug auf die EU-Verordnung EUDR verpflichtet sich die EU beispielsweise, „darauf hinzuarbeiten, die Bedenken der US-amerikanischen Hersteller und Exporteure auszuräumen“, und in Bezug auf die CBAM verpflichtet sich die EU, „sich dafür einzusetzen, auf zusätzliche Flexibilität bei der Umsetzung der CBAM hinzuarbeiten“. Die zitierten Passagen beziehen sich auf die Kritik der USA an den EU-Rechtsvorschriften zum nachhaltigen Handel. Solche Klauseln und bilateralen Abkommen könnten die EU-Rechtsvorschriften zum nachhaltigen Handel weiter verkomplizieren und möglicherweise die Bemühungen der EU im Rahmen ihrer Green-Deal-Ziele untergraben.
C. WTO-Kompatibilität und Rechtsunsicherheit
Jede Vorzugsbehandlung, die den USA im Rahmen des Rahmenabkommens gewährt wird – wie beispielsweise reduzierte Zölle oder ein verbesserter Marktzugang – könnte gegen das Meistbegünstigungsprinzip der WTO verstoßen, sofern nicht allen WTO-Mitgliedern identische Zugeständnisse gewährt werden. Ebenso bedarf die von den USA auf EU-Waren angewandte Zollobergrenze von 15 % einer Rechtfertigung durch die WTO, insbesondere angesichts ihres sektorspezifischen und nicht auf Gegenseitigkeit beruhenden Charakters mit bemerkenswerten Ausnahmen für Schlüsselindustrien wie Stahl und Aluminium.
Die EU und die USA könnten juristische Auseinandersetzungen möglicherweise vermeiden, indem sie das Abkommen in ein umfassendes Freihandelsabkommen gemäß Art. XXIV GATT umwandeln oder vorläufig ein Abkommen zur Schaffung einer Freihandelszone gemäß Art. XXIV:5 GATT schließen. Um dies zu erreichen, müssten jedoch Zölle und andere Handelshemmnisse in praktisch allen Bereichen des bilateralen Handels beseitigt werden – ein Umfang, der mit den längst aufgegebenen TTIP-Verhandlungen vergleichbar ist. Die derzeitige Position der USA scheint weit davon entfernt zu sein, diese Standards zu erfüllen, da sie eine einseitige Erhöhung der US-Zölle betont und gleichzeitig einen zusätzlichen Marktzugang in der EU anstrebt.
Bis zum Abschluss eines solchen Abkommens besteht die Gefahr, dass die bestehenden Verpflichtungen als mit dem Meistbegünstigungsprinzip unvereinbare bilaterale Präferenzen angesehen werden, was möglicherweise die Einleitung von Streitbeilegungsverfahren durch andere WTO-Mitglieder nach sich ziehen könnte. Auch wenn dies für eine US-Regierung, die die Legitimität der WTO offen in Frage stellt, nur eine begrenzt abschreckende Wirkung haben dürfte, bleibt die EU dem multilateralen Handelssystem verpflichtet. Als Teilnehmerin am Multi-Party Interim Appeal Arbitration Arrangement („MPIA“) könnte die EU dennoch rechtlichen Risiken gemäß den WTO-Regeln ausgesetzt sein, was eine sorgfältige Abwägung erfordert, um ein WTO-konformes Handelsabkommen zu erreichen.
D. Ausblick
Trotz der Fortschritte, die sich in der Gemeinsamen Erklärung und den darauffolgenden Legislativvorschlägen der EU widerspiegeln, besteht weiterhin erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA. Die Legislativvorschläge der EU – COM(2025)471 und COM(2025)472 – könnten innerhalb Europas auf Widerstand stoßen, da einige Maßnahmen als zu einseitig zugunsten der Interessen der USA wahrgenommen werden. Ihre endgültige Verabschiedung durch das Europäische Parlament und den Rat ist daher nicht garantiert, sodass der Zeitplan und der Umfang der Umsetzung ungewiss bleiben.
Zugleich bleibt die Position der USA, die durch plötzliche Strategiewechsel und neue Forderungen gekennzeichnet ist, weiter unbeständig – insbesondere in Bezug auf regulatorische Beschränkungen für US-Technologieunternehmen, wie die jüngsten Drohungen mit zusätzlichen US-Zöllen als Reaktion auf die Kartellstrafe der EU gegen Google erneut verdeutlichen. Ebenso könnten sich die Bedenken der USA hinsichtlich der sich entwickelnden nachhaltigen Handelspolitik der EU mit eigenen Initiativen der EU überschneiden und sind daher in den Legislativvorschlägen noch nicht berücksichtigt. Die daraus resultierenden Lücken könnten weitere Handelsspannungen auslösen und zusätzliche Verhandlungsrunden erforderlich machen.
Angesichts dieser Dynamik erscheint die Fähigkeit der EU, Verhandlungen in voller Übereinstimmung mit den WTO-Regeln zu führen, fraglich. Ohne einen klaren WTO-konformen Rahmen könnten die Präferenzbehandlung für US-Waren und mögliche Zollbefreiungen für die EU rechtliche Auseinandersetzungen mit anderen WTO-Mitgliedern nach sich ziehen.
Für die Wirtschaftsbeteiligten aus der EU hat die anhaltende Unsicherheit konkrete Auswirkungen: Die Finanz- und Lieferkettenplanung bleibt schwierig und das Risiko von Marktstörungen besteht weiterhin. Die Unternehmen müssen die Entwicklungen genau beobachten, um ihre Geschäftsstrategien anzupassen, sich auf mögliche regulatorische Änderungen einzustellen und sich bietende Chancen zu nutzen. In diesem Zusammenhang wird ein proaktives Engagement in den sich wandelnden transatlantischen Handelsbeziehungen weiterhin von entscheidender Bedeutung sein, um Risiken zu minimieren und strategische Vorteile zu maximieren.
Bestens
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