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Kein Ende der Hänge­partie: Hinweisgeber­schutz­gesetz scheitert im Bundesrat

10.02.2023

Der Bundesrat hat dem Gesetzesentwurf der Ampelkoalition für ein deutsches Schutzgesetz am heutigen Tage seine Zustimmung verweigert. Das Ringen um ein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz verlagert sich nun wohl in den Vermittlungsausschuss!

Nun ist es offiziell: es wird auch bis Mitte 2023 kein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz geben. Die Umsetzung der europäischen Whistleblower-Richtlinie (RL (EU) 2019/1937, „WB-RL“) scheiterte heute – nicht wirklich überraschend – im Bundesrat. Für Unternehmen und Whistleblower verleibt es damit vorerst bei einer unklaren Rechtslage. Für Deutschland als Mitgliedstaat der EU ist es erneut kein guter Tag – zu Recht führt die EU-Kommission inzwischen ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen fehlender Umsetzung der WB-RL.

Nachdem die Bundesregierung mit ihrem Referentenentwurf im April 2022 einen neuerlichen Aufschlag für ein deutsches Schutzgesetz für Whistleblower unternommen hatte (vgl. unseren Beitrag „Hinweisgeberschutzgesetz 2.0), veröffentlichte sie im Juli 2022 ihren Regierungsentwurf. Am 16.12.2022 stimmte der Deutsche Bundestag schließlich mit den Stimmen der Ampelkoalitionäre für den heute in der Sitzung des Bundesrates verhandelten Gesetzesentwurfs für ein Hinweisgeberschutzgesetz (BT-Drucks. 20/3442 und BT-Drucks. 20/4909, „HinSchG-E“).

Für Unternehmen ist die Verabschiedung des Umsetzungsgesetzes deshalb relevant, weil dieses nach den Vorgaben der WB-RL neben einem hohen Schutz für Whistleblower auch die verpflichtende Einrichtung interner Meldestellen vorsehen wird (vgl. hierzu auch unsere Beitragsreihe zur WB-RL). Der HinSchG-E der Ampelkoalition sieht insoweit insbesondere folgende Regelungen vor, die zum Teil sogar über die Mindestvorgaben der WB-RL hinausgehen:

  • Verpflichtung zur Einrichtung und zum Betrieb interner Meldestellen für Beschäftigungsgeber mit jeweils in der Regel mindestens 50 Beschäftigten, § 12 HinSchG-E

  • Die internen Meldestellen müssen mindestens für die nachfolgenden Meldegegenstände zur Verfügung stehen:

    • Verstöße, die strafbewehrt sind, § 2 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG-E
    • Verstöße, die bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient, § 2 Abs. 1 Nr. 2 HinSchG-E
    • Verstöße gegen nationale oder europäische Rechtsakte in ausdrücklich aufgelisteten Rechtsbereichen (z. B. öffentlichen Auftragswesen oder Umweltrecht), § 2 Abs. 1 Nr. 3-9, Abs. 2 HinSchG-E
    • Äußerungen von Beamtinnen und Beamten, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen, § 2 Abs. 1 Nr. 10 HinSchG-E

  • Die interne Meldestelle muss insbesondere Beschäftigten und Leiharbeitnehmern zur Verfügung stehen; übrige in Kontakt mit dem Unternehmen stehende Personen sind fakultativ, § 16 Abs. 1 HinSchG-E

  • Auslagerung der „internen“ Meldestelle an „Dritte“ ist zulässig (z. B. an konzernangehörige Unternehmen, etwa die Muttergesellschaft), da „gemäß dem konzernrechtlichen Trennungsprinzip […] auch bei einer anderen Konzerngesellschaft (zum Beispiel Mutter-, Schwester- oder Tochtergesellschaft) eine unabhängige und vertrauliche Stelle als „Dritter“ [eingerichtet werden kann]“ (S. 79 HinSchG-E Begründung)

  • Pflicht zur Einrichtung anonymer Meldeverfahren ab dem 01.01.2025, §§ 16 Abs. 1 S. 4-6, 42 Abs. 2 HinSchG-E

  • Schutz für Whistleblower vor Repressalien (etwa einer Kündigung)

    • Schutz auch bei „einfach“ fahrlässiger Falschmeldung, § 33 Abs. 1 HinSchG-E
    • Motiv des Whistleblowers ist irrelevant (S. 92 HinSchG-E Begründung)
    • Freies Wahlrecht des Whistleblowers zwischen interner und externer Meldung, §§ 7 Abs. 1, 33 Abs. 1 Nr. 1 HinSchG-E
    • Echte Beweislastumkehr zulasten des Arbeitgebers für Kausalität zwischen Whistleblowing und Benachteiligung, § 36 Abs. 2 HinSchG-E

  • Sanktionen für

    • Nichteinrichtung interner Meldestellen bis zu EUR 20.000, § 40 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG-E
    • Repressalien gegen Whistleblower bis zu EUR 1 Mio., §§ 40 Abs. 2 Nr. 3, 20 Abs. 6 HinSchG-E i. V. m. § 30 Abs. 2 S. 3 OWiG

Die CDU/CSU-geführten Bundesländer haben den HinSchG-E in der heutigen Sitzung des Bundesrates abgelehnt. Maßgebliche Kritikpunkte waren dabei neben der bürokratischen Mehrbelastung für Unternehmen durch die Einrichtung interner Meldestellen insbesondere die europarechtlich nicht gebotene Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs des HinSchG-E sowie die in letzter Minute vom Bundestag in den Gesetzesentwurf aufgenommene Verpflichtung zur Einrichtung anonymer Meldeverfahren.

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode war heftig um die Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs eines deutschen Hinweisgeberschutzgesetzes gestritten worden. Hieran war letztlich sogar das damalige Gesetzgebungsverfahren gescheitert. Inzwischen lehnt allein die CDU/CSU in der deutschen Parteienlandschaft eine überschießende Umsetzung der WB-RL ab. Aufgrund der parteipolitischen Machtverhältnisse im Bundesrat ist eine Einigung hierüber allerdings unabdingbar. Wie zu erwarten war, bleibt diese Frage daher der „Dealbreaker“ für die Verabschiedung eines deutschen Schutzgesetzes für Whistleblower.

Leittragende dieser politischen Hängepartie um die Umsetzung der WB-RL in Deutschland sind letztlich die Unternehmen und die Whistleblower, die sich auch in den nächsten Monaten mit einer unklaren Rechtslage auseinandersetzen müssen. Unbeschadet dessen, sollten sich alle Unternehmen, die unter die Einrichtungspflicht des HinSchG-E fallen, spätestens jetzt mit der Etablierung interner Hinweisgeberstrukturen beschäftigen. Die Einrichtungspflicht wird kommen – früher oder später!

 

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