Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne Schriftform – (k)ein Problem!
Die Kündigung eines deutschen Arbeitsverhältnisses bedarf der Schriftform. Dieses Formerfordernis wurde bislang überwiegend als ausnahmslos angesehen. Allerdings gilt auch hier: „Keine Regel ohne Ausnahme“. So ist es in einigen bestimmten Konstellationen möglich, ein deutsches Arbeitsverhältnis zu kündigen, ohne die Schriftform einhalten zu müssen. Mit diesem Beitrag skizzieren wir die Möglichkeiten und Grenzen, von der Schriftform abzuweichen.
Das Problem
Gem. § 623 BGB bedarf die Kündigung eines deutschen Arbeitsverhältnisses grundsätzlich der Schriftform. Das bedeutet, dass (i) die jeweilige kündigungsberechtigte Person das Kündigungsschreiben händisch unterschreiben muss – sog. „wet ink“ Unterschrift – und (ii) das wet ink-unterschriebene Kündigungsschreiben der anderen Partei im Original zugehen muss. Diese Schriftform kann insbesondere in grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen zum Problem werden: so zum Beispiel, wenn ein ausländisches Unternehmen Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt, die Geschäftsführung als kündigungsberechtigtes Organ aber im Ausland sitzt, oder auch wenn sich die Geschäftsführung eines deutschen Unternehmens dauerhaft oder zumindest urlaubsbedingt im Ausland aufhält. Um das Formerfordernis nach § 623 BGB einzuhalten, muss das Kündigungsschreiben im Ausland wet ink unterzeichnet und als unterschriebenes Original umständlich und zeitaufwendig nach Deutschland verschickt werden, damit es dem Arbeitnehmer formwirksam zugestellt werden kann. Dies wird nicht zuletzt dann kostspielig für ein Unternehmen, wenn das Unternehmen wegen des entstehenden Zeitverzugs den nächstmöglichen Kündigungstermin nicht einhalten kann und sich deshalb die Kündigungsfrist verlängert oder gar die Kündigung nicht mehr in der Probe- bzw. Wartezeit oder innerhalb der 2-Wochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB erfolgen kann.
Die Lösung
In grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen bestimmt sich das anwendbare Recht nach der Kollisionsnorm Art. 8 Rom I-VO (für vor dem 17.12.2009 abgeschlossene Arbeitsverhältnisse Art. 30 EGBGB). In der Regel führt die Kollisionsnorm dazu, dass für Arbeitsverhältnisse, bei denen der Arbeitnehmer in Deutschland arbeitet, deutsches Arbeitsrecht anwendbar ist. Allerdings enthält Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO eine Sonderregelung für Formvorschriften bei der Kündigung von Arbeitsverhältnissen (für vor dem 17.12.2009 abgeschlossene Arbeitsverhältnisse Art. 11 EGBGB).
Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO enthält drei Optionen, nach denen eine Kündigung formwirksam sein kann. Interessant ist hierbei vor allem die zweite Option: Eine Kündigung ist formwirksam, wenn sie die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt, in dem die Kündigung vorgenommen worden ist, auch wenn sonst das Recht eines anderen Staates auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Diese Option findet sich auch in Art. 11 EGBGB. Eine Kündigung wird an dem Ort vorgenommen, an welchem sie abgegeben, d.h. versendet wird. Das bedeutet: Wenn sich die Geschäftsführung dauerhaft oder urlaubsbedingt im Ausland aufhält und von dort aus eine Kündigung gegenüber einem deutschen Arbeitnehmer versendet, muss sie hierbei nicht zwingend die deutsche Schriftform des § 623 BGB beachten. § 623 BGB ist auch keine Eingriffsnorm im Sinne des Art. 9 Rom I-VO (für vor dem 17.12.2009 abgeschlossene Arbeitsverhältnisse Art. 34 EGBGB), die unabhängig von dem ermittelten Recht immer Anwendung findet. Es genügt also, wenn die Geschäftsführung die Formvorschriften für arbeitsrechtliche Kündigungen des jeweiligen Staates beachtet, in dem sie sich aufhält. Dies wird häufig dazu führen, dass eine Kündigung per E-Mail oder ein per E-Mail versendetes Kündigungsschreiben mit eingescannter Unterschrift ausreichend ist, da nur wenige Staaten eine strikte Schriftform wie Deutschland in § 623 BGB vorsehen. So hat das Bundesarbeitsgericht bspw. in einer neueren Entscheidung vom 22.08.2024 festgestellt, dass die Kündigung einer US-Gesellschaft gegenüber einem deutschen Arbeitnehmer trotz fehlender Unterschrift formwirksam war. Die Geschäftsführung hatte die Kündigung aus Chicago versendet und das dortige Recht enthält für arbeitsrechtliche Kündigungen keine Formvorschriften (BAG, 22.08.2024 – 2 AZR 251/23, Rn. 57; bestätigt durch BAG, 18.06.2025 – 2 AZR 96/24 (B), Rn. 24 ff.).
Die Grenzen
Möchte ein Unternehmen über Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO (Art. 11 EGBGB) eine Kündigung aussprechen, ohne die Schriftform gem. § 623 BGB einhalten zu müssen, muss es jedoch folgende Grenzen beachten:
- Zunächst sollte das Unternehmen immer prüfen, welche Formvorschriften der Staat, in dem sich die kündigungsberechtigte Person aufhält, konkret für arbeitsrechtliche Kündigungen vorschreibt. Diese Form muss das Unternehmen bei der Kündigung beachten.
- Weiterhin sollte das Unternehmen nachvollziehbar und nachweisbar dokumentieren, (i) welche Person die Kündigung (ii) zu welchem Zeitpunkt (iii) von welchem Ort aus und (iv) auf welche Art und Weise versendet hat.
- Das NachwG verpflichtet Unternehmen, dem Arbeitnehmer eine Niederschrift mit den wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung zu stellen. Zu den wesentlichen Vertragsbedingungen gehört gem. § 2 Abs. 1 S. 7 Nr. 14 NachwG auch die Schriftform der Kündigung. Daher enthalten viele deutsche Arbeitsverträge den Hinweis, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Schriftform gem. § 623 BGB bedarf. In einem solchen Fall ist das Unternehmen an § 623 BGB gebunden, unabhängig davon, ob es die Kündigung aus dem Ausland versendet oder nicht. Möchte ein Unternehmen den Pflichten des NachwG genügen, ohne sich zwangsläufig an die strenge Schriftform von § 623 BGB zu binden, kann der einschlägige Passus im Arbeitsvertrag wie folgt formuliert werden: „Die Kündigung bedarf der Schriftform gemäß § 623 BGB, soweit die Norm kollisionsrechtlich zwingend Anwendung findet.“ Alternativ kann das Unternehmen die Pflichten des NachwG auch durch ein klar vom Arbeitsvertrag abzugrenzendes, gesondertes Nachweisdokument erfüllen, ausdrücklich formuliert als reine Wissenserklärung und damit ohne rechtliche Bindungswirkung für das Unternehmen.
- Ferner ist die Grenze des Rechtsmissbrauchs zu beachten. Ein solcher Rechtsmissbrauch kann insbesondere dann vorliegen, wenn sich die kündigungsberechtigte Person mit der alleinigen Absicht ins Ausland begibt, um von dort aus eine Kündigung zu versenden und so die im Ausland geltenden – gegenüber Deutschland – liberaleren Formvorschriften auszunutzen. Wegen Umgehung von § 623 BGB droht eine solche Kündigung, unwirksam zu sein. Einschlägige Rechtsprechung, ab wann ein solcher Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, fehlt jedoch. Daher sollten Unternehmen aus Gründen der Vorsicht in jedem Fall zusätzlich zu der „fristwahrenden“ Kündigung aus dem Ausland ohne Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB noch eine schriftliche Kündigung gem. § 623 BGB nachträglich versenden.
- Zudem ist zu beachten: Die dreiwöchige Klagefrist gem. § 4 KSchG gilt nur, wenn dem Arbeitnehmer eine schriftliche Kündigung i.S.d. § 623 BGB zugegangen ist. Daraus folgt: Geht dem Arbeitnehmer keine schriftliche Kündigung i.S.d. § 623 BGB zu, besteht für das Unternehmen keine Rechtssicherheit, dass der Arbeitnehmer die Kündigung nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang der Kündigung nicht mehr angreifen kann (§ 7 KSchG). Diese Rechtssicherheit besteht nur beim Zugang einer schriftlichen Kündigung gem. § 623 BGB. Auch aus diesem Grund sollte das Unternehmen daher neben der „fristwahrenden“ Kündigung aus dem Ausland ohne Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB noch eine „vorsorgliche“ schriftliche Kündigung i.S.d. § 623 BGB aussprechen. Fehlt es hingegen an einer vorsorglichen schriftlichen Kündigung i.S.d. § 623 BGB kann der Arbeitnehmer bis zur Grenze der Verwirkung die Unwirksamkeit der Kündigung geltend machen.
- Schließlich muss ein Unternehmen § 174 BGB beachten. Nach § 174 BGB kann der Arbeitnehmer eine Kündigung unverzüglich zurückweisen, wenn die kündigende Person keine Vollmacht im Original darüber vorlegt, dass sie kündigungsberechtigt ist. Die Vorlage einer Vollmachtsurkunde ist jedoch nicht erforderlich, wenn sich die Kündigungsberechtigung aus offenkundigen Umständen ergibt, bspw. aus dem Handelsregister. § 174 BGB ist demnach nur relevant, wenn eine Person die Kündigung ausspricht, die nicht als vertretungsberechtigte Person für das Unternehmen im Handelsregister eingetragen ist. Ist die kündigende Person nicht im Handelsregister eingetragen, muss sie der Kündigung eine Originalvollmacht beifügen, die von derjenigen Person wet ink unterschrieben ist, welche als für das Unternehmen vertretungsberechtigt im Handelsregister eingetragen ist. Anderenfalls kann der Arbeitnehmer die Kündigung zurückweisen. In einem solchen Fall bringt also eine Kündigung ohne Einhaltung der strengen Schriftform gem. § 623 BGB keinen Vorteil, da die Vollmacht (also die Kündigungsberechtigung) der Kündigung weiterhin wet ink beigefügt werden muss.
Fazit
Art. 11 Abs. 3 Rom I-VO (Art. 11 EGBGB) ermöglicht die Kündigung eines deutschen Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der strengen Schriftform des § 623 BGB, wenn die Kündigung aus dem Ausland versendet wird. In der Praxis ist diese Vorgehensweise für Unternehmen insbesondere dann interessant, wenn sich die Geschäftsführung im Ausland aufhält und Eilbedürftigkeit besteht. Jedoch sollte ein Unternehmen in jedem Einzelfall prüfen, ob es tatsächlich auf die strenge Schriftform des § 623 BGB verzichten kann. Wenn sich das Unternehmen zu einer Kündigung ohne Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB entscheidet, sollte es die jeweiligen Umstände nachvollziehbar sowie nachweisbar dokumentieren.
Alternativ kann ein Unternehmen eine ausreichende Anzahl von Originalvollmachten der Geschäftsführung für den Ausspruch von Kündigungen in Deutschland vorhalten. So können auch nicht im Handelsregister eingetragene Personen nachweisbar bevollmächtigt werden, arbeitsrechtliche Kündigungen zu unterschreiben und zu versenden, ohne dass das Risiko der Zurückweisung gem. § 174 BGB droht.
Bestens
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