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Loitering-Munition und Drohnen als Kriegswaffen: BMWE veröffentlicht Merkblatt

02.12.2025

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) hat ein Merkblatt zur Einstufung von Loitering-Munition und Drohnen als Kriegswaffen veröffentlicht. Hintergrund sind die zunehmende militärische Bedeutung dieser Systeme sowie zahlreiche Anfragen zur möglichen Erfassung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG). Das Merkblatt fasst die Verwaltungspraxis zur Auslegung der einschlägigen Nr. 9 der Kriegswaffenliste („sonstige Flugkörper“) zusammen und soll typische Abgrenzungsfragen bereits im Vorfeld einer förmlichen Einstufung klären.

Rechtlicher Rahmen

Die Regulierung von Kriegswaffen ist verfassungsrechtlich verankert: Art. 26 Abs. 2 GG bestimmt, dass Waffen, die zur Kriegsführung bestimmt sind, nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in den Verkehr gebracht werden dürfen. Näheres regelt das KrWaffKontrG.

Regelungsgegenstand des KrWaffKontrG sind nach § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG solche Gegenstände, Stoffe und Organismen, die zur Kriegsführung bestimmt sind und in der Kriegswaffenliste (KWL) abschließend geführt werden (Kriegswaffen). Die KWL wird nach § 1 Abs. 2 KrWaffKontrG vom aktuellen Stand der wissenschaftlichen, technischen und militärischen Erkenntnisse geprägt. Ihre 62 Positionen listen Gegenstände, die geeignet sind, allein, in Verbindung miteinander oder mit anderen Gegenständen Zerstörungen oder Schäden an Personen oder Sachen zu verursachen und die als Mittel der Gewaltanwendung in bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten dienen. Eine Einstufung als Kriegswaffe erfolgt grundsätzlich objektiv, das heißt unabhängig von einer subjektiven Zwecksetzung.

Für Drohnen und Loitering-Munition ist insbesondere Nr. 9 KWL („sonstige Flugkörper“) maßgeblich. Nach den Erläuterungen zur Kriegswaffenliste erfasst der Begriff „sonstige Flugkörper“:

„[…] auch sog. Kampfdrohnen, d.h. Drohnen mit Zerstörungswirkung. Folgende Teile von Kampfdrohnen werden jedoch gesondert als Kriegswaffen behandelt:

  • Gefechtsköpfe (Nr. 56 KWL)
  • Zünder (Nr. 57 KWL)
  • Zielsuchköpfe (Nr. 58 KWL)
  • Submunition (Nrn. 59/60 KWL)
  • Abfeuereinrichtungen (Startanlagen und Startgeräte Nr. 10 KWL)
  • Aufklärungsdrohnen sind keine KW (Drohnen sind unbemannte Luftfahrzeuge)

Nach den Erläuterungen ist im Fertigungsprozess die Schwelle zur Kriegswaffe erreicht, sobald gelistete Güter so weit fertig bearbeitet oder zusammengesetzt sind, dass sie ihrem Verwendungszweck entsprechend eingesetzt werden können (erster einsatzfähiger Prototyp).

Die Klassifizierung als Kriegswaffe bringt umfassende Genehmigungs-, Melde- und Kontrollpflichten mit sich. Verstöße sind straf- und bußgeldbewehrt.

Wesentliche Inhalte des Merkblatts:

Das BMWE präzisiert im Merkblatt folgende Einzelfragen:

  • Vollständige Loitering-Munition mit Gefechtskopf, Zünder, Triebwerk und Zielsuchfunktion ist eine Kriegswaffe im Sinne der Nr. 9 KWL.
  • Unvollständige Loitering-Systeme sind ebenfalls Kriegswaffen im Sinne der Nr. 9 KWL, wenn die Drohne flug- und funktionsfähig ist und über die zweckspezifischen Zielerfassungsfunktionen verfügt. Rein zivile („Off-the-Shelf“) Hardware erlangt die Kriegswaffeneigenschaft erst durch die spezifische Loitering-Software; bei speziell konstruierten Waffenkontrollcomputern genügt bereits die Hardware.
  • Das BMWE hebt hervor, dass eine Loitering-Munition funktional einem Lenkflugkörper mit Zielsuchkopf entspricht. Zielsuchköpfe sind von Nr. 58 KWL als Kriegswaffe erfasst. Nicht maßgeblich ist, ob das System über einen dezidierten Zielsuchkopf verfügt (Funktionsäquivalenz genügt).
  • Spezifisch konstruierte Triebwerke für Loitering-Munition sind nach Nr. 12 KWL nur Kriegswaffen, wenn sie nicht auch in zivilen, Dual-Use oder militärischen Aufklärungsdrohnen verwendet werden. Unerheblich ist die Antriebsart (elektrisch, Verbrenner, Dreh- oder Starrflügler).
  • Modifikationen an Triebwerken zur Optimierung für Loitering-Munition können bereits die Einstufung als Kriegswaffe begründen.
  • Komponenten wie Gefechtsköpfe und Zünder sind eigenständig von der KWL erfasst (Nrn. 56, 57 KWL). Untergeordnete elektronische Bauteile (etwa Batterien, Rumpfteile) sind nicht erfasst.
  • Bewaffnete Drohnen sind Kriegswaffen nach Nr. 9 KWL. Die Art oder Klassifizierung der eingesetzten Bewaffnung ist unerheblich.
  • Objektiv bewaffnungsfähige Drohnen mit funktionsfähigen Abfeuereinrichtungen für Lenkflugkörper sind Kriegswaffen nach Nr. 9 KWL, auch ohne angebrachten Lenkflugkörper. Abfeuereinrichtungen für Lenkflugkörper sind eigenständige Kriegswaffen nach Nr. 10 KWL. Auch Drohnen mit technischen Voraussetzungen, die einen späteren Waffeneinsatz vorzeichnen, können im Einzelfall eine Kriegswaffe sein. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn ein integriertes Waffensystem vorhanden ist, das über Zielauffassung, Feuerleitung und entsprechende Schnittstellen zur Avionik verfügt, oder alle wesentlichen Vorkehrungen zur Installation von und den Betrieb von Abfeuereinrichtungen getroffen wurden, sowie wenn speziell für den Waffeneinsatz konstruierte Bombenschäfte und Halterungen installiert sind. Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn die Nutzung als sonstiges Transportmittel ausgeschlossen ist.
  • Abfangdrohnen mit rein kinetischer Wirkung sind Kriegswaffen nach Nr. 9 KWL.
  • Militärische Aufklärungsdrohnen sind keine Kriegswaffen, solange sie ausschließlich auf ihre Aufklärungsfunktion beschränkt sind. Die Ausweitung auf Zielbekämpfungsfähigkeiten kann die Einstufung als bewaffnete oder bewaffnungsfähige Drohnen begründen.
  • Mit Verweis auf die sog. Bausatztheorie betont das BMWE, dass auch nahezu vollständige zerlegte Systeme Kriegswaffen sein können.
  • Für den Beginn der Kriegswaffeneigenschaft stellt das BMWE auf einen einsatzfähigen Prototyp ab. Dies sei eine Waffe, die so weit ausgereift ist, dass ein militärisch sinnvoller Einsatz in bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten ernsthaft möglich ist.

Einordnung

Das Merkblatt bietet eine Orientierungshilfe für die Einstufung von Loitering-Munition und Drohnen und schafft damit eine Grundlage für die rechtssicherere Gestaltung der Geschäftstätigkeit. Während viele Feststellungen die bisherige Einstufungspraxis des BMWE spiegeln, setzt das Merkblatt auch überraschende Akzente.

Zunächst stellt es nochmals klar, dass die Kriegswaffeneigenschaft erst ab dem Stadium eines „objektiv einsatzfähigen Prototyps“ begründet wird. Mit der zusätzlichen Konkretisierung, dass ein Prototyp erst dann einsatzfähig ist, wenn ein militärischer Einsatz ernsthaft möglich ist, wird insbesondere für Forschung und Entwicklung ein weiterer Orientierungspunkt geschaffen. Gleichwohl verbleibt ein nicht unerheblicher Auslegungsspielraum.

Wesentlich ist die Aussage, dass auch Triebwerke von Nr. 12 KWL erfasst werden, wenn sie spezifisch für den Einsatz in Loitering-Munition konstruiert und nicht auch in zivilen, Dual-Use- oder militärischen Aufklärungsdrohnen verwendet werden. Es bleiben Zweifel, ob hierbei dem Umstand ausreichend Rechnung getragen wird, dass es sich in der Regel um technisch sehr einfache, aus zivilen Drohnenanwendungen stammende und in hohen Stückzahlen produzierte Komponenten handelt.

Zu begrüßen ist die Ankündigung der überfälligen Überarbeitung der Kriegswaffenliste sowie der dazugehörigen Erläuterungen. Die derzeitigen Begriffsbestimmungen der KWL sind auf moderne Technologien und Entwicklungen nicht zwingend übertragbar, was Auslegungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheit nach sich zieht. Bis zur Überarbeitung empfiehlt es sich, das Merkblatt als Hilfestellung heranzuziehen. Zu beachten bleibt, dass das Merkblatt nicht rechtsverbindlich ist. Eine sorgfältige Einzelfallprüfung sowie die Abstimmung mit den zuständigen Behörden bleiben unerlässlich.

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