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Mehr Flexi­bilität in der betrieb­lichen Alters­ver­sorgung – das Zweite Betriebs­renten­stärkungs­gesetz kommt nun also doch

01.08.2025

A. Eine Kontinuität: Der Wille zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung

Bei der sozialpolitischen Frage, wie eine hinreichende Altersversorgung in Deutschland auch und insbesondere mit Blick auf die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die gesetzliche Rentenversicherung gelingen kann, rückt die betriebliche Altersversorgung immer wieder in den Fokus. Eine ermittelte Verbreitungsquote von ca. 52 % kann vor diesem Hintergrund niemanden zufriedenstellen und deshalb hat die aktuelle Bundesregierung das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz (Entwurf) in ihr Sofortprogramm aufgenommen. Die betriebliche Altersversorgung bleibt durch die geplanten Vereinfachungen ein wertvolles Instrument der Mitarbeiterbindung.

B. Ziel und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfes

Der Gesetzentwurf hat das Ziel, die betriebliche Altersversorgung quantitativ und qualitativ weiter auszubauen. Er enthält im Wesentlichen folgende Änderungen:

I. Öffnung des Sozialpartnermodells – Verbreitung der reinen Beitragszusage

Die Haftung des Arbeitgebers für die zugesagte Versorgungsleistung selbst dann, wenn sich der Arbeitgeber zur Durchführung und Ausfinanzierung der Versorgungsleistungen über einen externen Versorgungsträger entschlossen hat (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG), ist nach wie vor ein prägendes Element der betrieblichen Altersversorgung in Deutschland. Es wurde aber auch als ein zentrales Risikoelement für Unternehmen identifiziert, das der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nicht förderlich ist. Für ausländische Unternehmen sind solche Haftungsrisiken aus Betriebsrentensystemen völlig fremd. In vielen anderen Ländern ist die Verpflichtung des Unternehmens mit der Abführung von Beiträgen an einen Dritten erfüllt.

Die Möglichkeit eine haftungsbeschränkende sog. reine Beitragszusage zu erteilen wurde erst mit dem ersten Betriebsrentenstärkungsgesetz im Jahr 2018 eingeführt. Der Gesetzgeber gestattet bislang solche Zusagen allerdings nur im Rahmen des sog. Sozialpartnermodells, also ausschließlich auf der Grundlage von einschlägigen Tarifverträgen (§ 21 Abs. 1 BetrAVG).

Auch aufgrund dieser Einschränkung wurde von der Möglichkeit zur Erteilung einer reinen Beitragszusage in der Praxis bisher nur verhalten Gebrauch gemacht. Einschlägige tarifliche Regelungen, die dies erlauben, existieren beispielsweise im Chemie- sowie dem Bankensektor. Für Arbeitgeber, die nicht in den Anwendungsbereich eines einschlägigen Tarifvertrages fallen, besteht bisher keine Möglichkeit, eine reine Beitragszusage zu erteilen (§ 24 BetrAVG).

Der Gesetzentwurf sieht nun eine Öffnung des Sozialpartnermodells vor, ohne jedoch die antizipierte Sicherung zugunsten der Versorgungsberechtigten durch das Bestehen von zugrunde liegenden Tarifverträgen aufzugeben. Zukünftig sollen Arbeitgeber reine Beitragszusagen auch auf der Grundlage eines nicht einschlägigen Tarifvertrages vereinbaren können, wenn

  • die das Sozialpartnermodell tragenden Tarifvertragsparteien ihre Zustimmung erteilen und
  • ein für das Arbeitsverhältnis einschlägiger Tarifvertrag diese Möglichkeit eröffnet sowie
  • die das in Bezug genommene Sozialpartnermodell tragende Gewerkschaft für das konkrete Arbeitsverhältnis grundsätzlich tarifzuständig ist.

Die reine Beitragszusage unterscheidet sich von der klassischen betrieblichen Altersversorgung beispielsweise dadurch, dass Unternehmen

  • keine Einstandspflichten treffen (bspw. bei Leistungskürzungen oder -ausfällen),
  • durch bloße Erfüllung der Beitragszahlungspflicht ihre Verpflichtungen erfüllen (Pay-and-Forget) und
  • keine Beiträge zur Insolvenzsicherung geleistet werden müssen.

Aus Sicht der Unternehmen ist die geplante Öffnung zu begrüßen, da sie mehr Spielraum für die Gewährung reiner Beitragszusagen eröffnet, Komplexität reduziert und dazu beiträgt, Haftungsrisiken zu vermeiden.

Wir sehen in unserer Beratungspraxis, dass die Reduktion von Komplexität und Haftungsrisiken ganz wesentliche Treiber für Gestaltungsentscheidungen von Unternehmen sind. Gerade jetzt in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten machen sich viele Unternehmen Gedanken über Kosteneinsparungen in Betriebsrentensystemen; wenn diese nicht unbedingt durch Leistungseinschränkungen, sondern durch Effizienzgewinne und den Abbau von Komplexität gelingen kann, dient das auch der Mitarbeiterzufriedenheit.

II. Vereinfachte Möglichkeit zur Einführung von Optionssystemen (Opt-out)

Darüber hinaus werden die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung sog. Optionssysteme angepasst und vereinfacht.

Bisher konnten Optionssysteme, nach denen – vorbehaltlich eines Widerspruchs des Mitarbeitenden – automatisch und ohne individuelle Vereinbarungen Entgeltbestandteile in eine betriebliche Altersversorgung umgewandelt werden, nur auf der Grundlage eines Tarifvertrages eingeführt und betrieben werden (§ 20 Abs. 2 S. 1 BetrAVG).

Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass solche Optionssysteme auch ohne tarifliche Regelung auf Basis von Betriebsvereinbarungen genutzt werden können, wenn das Unternehmen einen Zuschuss in Höhe von 20 % des umgewandelten Entgeltes gewährt (§ 20 Abs. 3 BetrAVG n.F.).

Die Regelung ist geeignet, einen entscheidenden Beitrag für die weitere Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung zu leisten, da alle Mitarbeiter oder bestimmte Mitarbeitergruppen eines Unternehmens automatisch und ohne Abschluss einer individuellen Umwandlungsvereinbarung partizipieren können. Zudem zeigt die Praxis, dass nur eine geringe Anzahl von Arbeitnehmern von dem bestehenden Widerspruchsrecht Gebrauch macht. Außerdem sorgt die umfassende Partizipation für eine schlanke Kostenstruktur und eine Senkung des Verwaltungsaufwands. Gleichwohl bleibt kritisierend anzumerken, dass der verpflichtende Zuschuss in Höhe von 20 % statt der im Rahmen der freiwilligen Entgeltumwandlung vorgeschriebenen 15 % (§ 1a Abs. 1a BetrAVG) die Komplexität tendenziell erhöht und das Potenzial für anreizschaffende Entlastungen auf Seiten der Unternehmen reduziert.

Insbesondere in größeren Organisationen sorgt die individuell geprägte Entgeltumwandlung für einen hohen Verwaltungsaufwand, der sich bereits jetzt durch kluge Ausgestaltung reduzieren lässt. Die Möglichkeit des Opt-outs dürfte hier nochmals für deutliche Entlastungen sorgen, weshalb Unternehmen – und dabei speziell solche, die ohnehin bereits einen über die gesetzliche Mindestanforderung hinausgehenden Zuschuss gewähren – gut beraten sind, eine Umstellung zu prüfen.

III. Mehr Spielraum für Pensionskassen

Für Pensionskassen soll mehr Spielraum bei den bestehenden Anlagemöglichkeiten geschaffen werden. Damit soll zum einen der Raum für höhere Renditen und damit höhere Rentenleistungen eröffnet werden, zum anderen aber auch die Leistungsfähigkeit der Pensionskassen insgesamt gestärkt werden.

Konkret geplant ist, dass eine vorübergehende Unterdeckung des Sicherungsvermögens in Höhe von bis zu 10 % zulässig ist (§ 234j Abs. 4 VAG n.F.). Diese Neuerung, die von den aus dem vormaligen Gesetzentwurf bekannten und bereits umgesetzten Flexibilisierungen der Anlageverordnung zur Steigerung der zulässigen Risikokapitalanlagequote und Streuungsgrenze begleitet wird (§ 2 Abs. 2 S. 1, 2 sowie § 3 Abs. 3 S. 1 AnlV), wird von den zuständigen Fachverbänden begrüßt und ist geeignet, die Beitragslast für Unternehmen langfristig durch Nutzung renditeorientierter Anlagemöglichkeiten zu senken. Unternehmen sind gut beraten, die sich hieraus ergebenden Potenziale zu prüfen.

IV. Dynamisierung der steuerlichen Förderung

Die Höchstgrenze der steuerlichen Förderung wird durch das Zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz erhöht und die einschlägige Einkommensgrenze dynamisiert. Der Gesetzentwurf sieht zum einen vor, dass der derzeit bei EUR 288,00 gedeckelte Förderbeitrag auf EUR 360,00 erhöht und damit deutlich angehoben wird. Zum anderen werden die derzeit nominal festgelegten Einkommensgrenzen, deren Einhaltung Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Förderbetrages ist, dynamisiert und an die Entwicklung der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung gekoppelt.

Auch diese Entwicklung ist zu begrüßen, da sie den finanziellen und verwaltungstechnischen Aufwand der Unternehmen reduziert und der Entwicklung der Lohndynamik in Deutschland Rechnung trägt.

V. Erleichterte Abfindungsmöglichkeiten

Darüber hinaus werden die restriktiven Abfindungsmöglichkeiten des BetrAVG gelockert. Unternehmen erhalten damit weitere Möglichkeiten zur Abfindung von sog. Kleinstanwartschaften.

Bisher ist eine Abfindung ohne Zustimmung des Arbeitnehmers nur möglich, wenn bei Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze die laufenden Rentenleistungen 1 % (bei Kapitalleistungen 12/10) der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (derzeit EUR 3.745,00) nicht überschreiten. Zukünftig dürfen Anwartschaften und Leistungen in doppelt so hohem Umfang wie bisher abgefunden werden (2 % bzw. 24/10), wenn der Abfindungsbetrag unmittelbar zur Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung verwendet wird (§ 3 Abs. 2a BetrAVG n.F.).

Auch dies ist ein weiterer richtiger Schritt in der Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung, da er den Unternehmen weitere Möglichkeiten eröffnet, sich von Kleinstanwartschaften zu lösen, bei denen der Verwaltungsaufwand (z.B. durch Anpassungsprüfungen) belastend wirkt und oftmals in keinem Verhältnis zu den Vorteilen für die Berechtigten steht.

Insbesondere in einer zunehmend von Fluktuation geprägten Arbeitswirklichkeit gehört das Thema Abfindung von Kleinstanwartschaften im bestehenden HR-Austrittsprozess mitgedacht. Es kann den Unternehmen nur empfohlen werden, von den neuen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen und diese in ihre Prozesse zu integrieren.

C. Fazit und Ausblick

Dass die Bundesregierung den Entwurf der Vorgängerregierung aufgegriffen und der Umsetzung Priorität eingeräumt hat, ist ebenso zu begrüßen wie die inhaltliche Ausgestaltung des Gesetzentwurfes. Das Gesetz baut Komplexität ab, schafft weitere Flexibilität und entlastet so Unternehmen.

Insbesondere die Weichenstellung zur erleichterten Zusage von reinen Beitragszusagen ist ein weiterer richtiger Schritt in Richtung einer internationalen Angleichung. In anderen Ländern sind solche Zusageformen nicht nur weit verbreitet, sondern der Standard. In diesem Sinne bleibt zu hoffen, dass die Entwicklung mit dem zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz nicht Halt macht und den Arbeitsvertragsparteien die Übernahme weiterer Verantwortung zugetraut wird.

Unternehmen sollten den Fortgang des parlamentarischen Verfahrens und die Entwicklung des Gesetzentwurfes im Auge behalten und mögliche Implikationen für die eigenen bestehenden oder geplanten Systeme der betrieblichen Altersversorgung prüfen. Da der aktuelle Entwurf auf demjenigen der Vorgängerregierung aufbaut, ist derzeit nicht damit zu rechnen, dass es z.B. aufgrund von Stellungnahmen der Fachverbände zu maßgeblichen Änderungen der geplanten Regelungen kommt. Denn die Verbände hatten bereits die Gelegenheit zur Stellungnahme zum alten Entwurf, womit ihre jeweiligen Positionen dem BMAS bei Veröffentlichung bekannt waren. Dies sollte Unternehmen jedoch nicht vorschnell dazu verleiten, den vorstehenden Aufruf zur Beobachtung der Entwicklung leichtfertig zu ignorieren, da das politische Berlin dieser Tage bekanntlich für Überraschungen gut ist.

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