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Neuauf­lage des KBA-Kodex für KfZ-Produkt­rückrufe veröffentlicht

08.05.2025

Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat eine aktuelle Version seines Kodex für die Durchführung von Rückrufaktionen veröffentlicht (Stand April 2025). Der Kodex existiert seit vielen Jahren und ist eine selbstbindende Verwaltungsvorschrift, um das gleichmäßige Verwaltungshandeln des KBA in Bezug auf die Durchführung von Rückrufaktionen im Automotive-Sektor sicherzustellen.

Wie auch schon in der Vorgängerversion finden sich darin Erläuterungen insbesondere zu Meldeverfahren, zur Abfrage aktueller Halterdaten aus dem Zentralen Fahrzeugregister (ZFZR) und über die Leitung von Rückrufprozessen durch das KBA. Die neue Version des Kodex gleicht diesen an den jüngst novellierten Stand der EU-Produktsicherheitsregelungen an und bietet im Vergleich zur Vorgängerversion zudem eine anwenderfreundliche Gestaltung mittels Übersichten.

Der Prozess wird durch den Kodex in drei Schritte gegliedert: Meldung (A), Prüfung (B) und Überwachung (C).

A. Die Meldung

Eine signifikante Änderung im Vergleich zur Vorgängerversion findet sich bereits bei den Vorschriften zur Initiierung des Prozesses: Während man zur Meldung erkannter ernster Risiken in der früheren Auflage des Kodex noch die E-Mail-Adresse des KBA vorfand, gemeinsam mit dem Hinweis, eine Meldung könne auch über das Product Safety Business Altert Gateway Portal der EU erfolgen, ist diese Meldung direkt über das Safety Business Gateway Portal der EU nunmehr unabdingbar. Damit endet auch formell eine Sonderbehandlung der Automotive-Branche, die das KBA als behördlichen Multiplikator an ihrer Seite wusste. In allen anderen Verbrauchsgüter-Branchen war ohnehin die Nutzung des zentralen online-Portals schon vorher unabdingbar. Über die nach Safety Business Gateway digital angesprochene EU-Kommission erfolgt sodann eine Weiterleitung an alle zuständigen nationalen Kontaktstellen. In Deutschland ist das die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), die ihrerseits sodann eine Meldung an das KBA absetzen wird.

Mit der Pflicht, eine Meldung nunmehr über das Safety Business Gateway Portal abzugeben, nähert sich der Kodex im Hinblick auf das Verfahren weiter der neuen EU-Produktsicherheitsverordnung (GPSR, VO (EU) 2023/988) an.

Ein maßgeblicher Unterschied zur GPSR liegt jedoch in den relevanten Risikograden:

Die Notifikationspflicht der Wirtschaftsakteure nach der GPSR, wie sie etwa für den Hersteller in Art. 9 VIII c) GPSR verankert ist und über das Safety Business Gateway der Europäischen Union realisiert wird, knüpft bereits an die schlichte Gefährlichkeit des betreffenden Produkts an. Gefährlich ist dabei nach Maßgabe der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 3 u. Nr. 2 GPSR jedes Produkt, das nicht sicher ist. Sicher ist ein Produkt dann, wenn es mit keinen oder nur geringen, mit seiner Verwendung zu vereinbarenden Risiken verbunden ist. Die Pflicht zur Behördennotifikation im Rahmen der GPSR ist dabei dem Wortlaut nach keineswegs nur an ein wirklich ernstes Risiko gebunden. Nach Art. 20 I GPSR wird zudem eine zusätzliche, neue Meldeverpflichtung im Übrigen durch jeden schlichten verursachten Produktunfall ausgelöst.

Demgegenüber stellt das KBA als Maßstab für sein Tätigwerden sowohl nach altem als auch nach neuem Kodex allein auf das Vorliegen eines ernsten Risikos – dem höchsten der vier Risikograde – ab: Eine Meldung an das KBA hat zu erfolgen, wenn in Bezug auf das Fahrzeug ein ernstes Risiko oder eine Vorschriftenabweichung im Hinblick auf die Verordnungen (EU) 167/2013, 168/2013, 2018/858 vorliegt. Hieraus ergibt sich eine Diskrepanz zwischen den Vorgaben des Kodexes und der GPSR in den Fällen, in denen ohne Vorliegen einer Vorschriftenabweichung ein Risiko unterhalb der Schwelle des ernsten Risikos besteht. Schon die Vorgängerversion des Kodex unterschied streng zwischen einem (durch das KBA) überwachten Rückruf bei ernsten Risiken, und einen freiwilligen Produktrückruf unterhalb dieser Schwelle. Auch nach Maßgabe des neuen Kodex sieht sich das KBA erst ab der Schwelle des ernsten Risikos als zur Überwachung berufen an.

Zu dieser Diskrepanz schweigt der Kodex des KBA. Stützen kann er sich mit dem Erfordernis eines ernsten Risikos jedoch auf die spezialgesetzlichen Regelungen der EU-Typengenehmigungsverordnung (VO (EU) 2018/858), die in ihrem Art. 14 II für die Notifikationspflicht des Herstellers sowie spiegelbildlich für das Tätigwerden der Marktüberwachungsbehörden in Art. 52 I ebenfalls die hohe Schwelle des ernsten Risikos voraussetzt.

Gleichzeitig mit der Meldung über das Safety Business Gateway wird die Halterdatenbeantragung nach § 35 Abs. 2 StVG eingeleitet. Gesetzliche Voraussetzung hierfür ist, dass ein sicherheitsgefährdender Mangel, ein erheblicher Mangel für die Umwelt oder eine sonstige Unvorschriftsmäßigkeit an bereits ausgelieferten Fahrzeugen vorliegt. Die Beantragung der – datenschutzrechtlich wichtigen - Halterdatenabfrage hat auch nach dem neuen Kodex nach wie vor auf direktem Wege beim KBA unter Vorlage folgender Unterlagen zu erfolgen:

I. Erklärung zur Rückrufaktion (Anlage 1)

Die Mindestanforderungen an die für die Halterdatenabfrage erforderlichen Erklärung zur Rückrufaktion werden, wie auch schon in der Vorgängerversion, in Anlage 1 zum Kodex zur Durchführung von Rückrufaktionen festgelegt. Das Dokument dient als Antrag auf Halterdatenabfrage.

Die Erklärung zur Rückrufaktion enthält u.a. die vom Hersteller einzuhaltenden Datenschutzbestimmungen im Umgang mit den Halterdaten sowie die Angabe, ob die Dienstleistung „Versandservice“ – das KBA übernimmt hierbei den Versand der Halteranschreiben – genutzt werden soll. Weiter ist zu bestätigen, dass ausreichend Ersatzteile vorhanden sind, um den Rückruf unverzüglich zu beginnen. Sollten Ersatzteile nicht in ausreichender Zahl verfügbar sein, verlangt das KBA vor Beantragung der Halterdaten, über die Planung zur Ersatzteilverfügbarkeit informiert zu werden. Ggf. entscheidet das KBA je nach Risiko und Sachverhalt, ob eine Zwischen- oder Vorabinformation der Halter erfolgen muss. Das Halteranschreiben (siehe Anlage 3) wäre dann dahingehend anzupassen.

II. Halteranschreiben (Anlage 3) und Werkstattanweisung

Ebenfalls Bestandteil des Antrags auf Halterdatenabfrage ist das Halteranschreiben, für das auf das in Anlage 3 bereitgestellte Muster zurückgegriffen werden kann, sowie die Werkstattanweisung.

Zu beachten ist hierbei, dass der Kodex unter anderem Vorgaben dazu macht, dass abschwächende Formulierungen, wie „freiwillig“, „vorsorglich“, „im Ermessen“, „in seltenen Situationen“, „in spezifischen Situationen“ zu vermeiden sind. Auch die neue GPSR enthält dieses (unverständliche) Sprachverbot… In diesem Zusammenhang ist von den Kommunikationsabteilungen gewiss Fingerspitzengefühl gefragt, um die Balance zwischen einer marketingorientierten Kundenkommunikation und den Anforderungen des Kodex zu wahren.

B. Die Prüfung durch das KBA

Liegen dem KBA alle relevanten Informationen vor, erfolgt eine Bewertung des gemeldeten Mangels und seines Risikos durch das KBA mithilfe einer Risikobewertung anhand des Safety Gate Risk Assessment (SAGA). Wird kein ernstes Risiko festgestellt, ist der Sachverhalt auf eine mögliche Vorschriftenabweichung hin zu prüfen. Ergibt die Risikobewertung ein ernstes Risiko und hat der Wirtschaftsakteuer mit der Meldung bereits geeignete Maßnahmen angekündigt, ergeht lediglich ein feststellender Bescheid des KBA. In den Übrigen Fällen erfolgt nach Anhörung die Anordnung von zur Risikobeseitigung geeigneten Maßnahmen.

C. Die Überwachung der Rückrufaktion

Liegt ein ernstes Risiko oder eine Vorschriftenabweichung vor, wird der Rückruf durch das KBA überwacht. Das KBA veröffentlicht Rückrufe nach § 19 Abs. 2 MÜG in der Rückrufdatenbank auf der KBA-Website.

Im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit ist dem KBA regelmäßig über die Erfolgsquote der bereits erledigten Fahrzeuge Bericht zu erstatten. Folge hiervon sind in den meisten Fällen sog. Nachfassaktionen. Hierunter versteht der Kodex – im Gegensatz zur Grundaktion des erstmaligen Halteranschreibens – ein erneutes Anschreiben der noch ausständigen Fahrzeughalter. Zu beachten ist, dass für die Nachfassaktion stets eine erneute Halterabfrage vonnöten ist, da den zuvor abgefragten Halterdaten ein „Ablaufdatum“ von 14 Tagen anhaftet.

Schließlich ergeht wie schon bisher, und sofern erforderlich, ein letztmaliges Halteranschreiben mit Fristsetzung (ggf. mittels Postzustellungsurkunde), und bei ernsten Risiken oder Vorschriftenabweichungen in letzter Instanz eine Betriebsuntersagung (BU) hinsichtlich der verbleibenden Fahrzeuge.

D. Fazit

Die Neuauflage des Rückruf-Kodex bringt wichtige Anpassungen für eine zeitgemäße und effektive Handhabung von Produktrisiken und gibt Wirtschaftsakteuren übersichtliche Informationen über den Ablauf des Rückrufprozesses von Kraftfahrzeugen an die Hand. Während der Kodex einen wertvollen Überblick bietet, bleibt er naturgemäß im Detailgrad begrenzt.

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