Öffentliche Förderung von AI-Gigafactories
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Damit europäische Unternehmen künstliche Intelligenz („KI“) vertrauenswürdig nutzen können und international wettbewerbsfähig bleiben, setzt sich die Europäische Kommission für eine führende Rolle Europas auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz ein und möchte Europa zu einem „KI-Kontinent“ machen. Die Europäische Kommission verfolgt dafür eine umfassende Strategie, die sie vor allem in ihrem KI-Innovationspaket 2024, dem Kompass für Wettbewerbsfähigkeit 2025, dem „AI Continent Action Plan“ und der „Apply AI Strategy“ darstellt. Der „AI Continent Action Plan“ sieht u. a. die Schaffung und den Ausbau der (öffentlichen) KI-Infrastruktur vor, für die die Europäische Kommission aktuell mit ihrer „InvestAI“-Initiative verschiedene Investitionen in Höhe von insgesamt 200 Mrd. Euro mobilisieren möchte. Zu dem Investitionsprogramm zählt auch die Bereitstellung von 20 Mrd. Euro für einen Investitionsfonds, mit dem der Aufbau von 4 bis 5 AI-Gigafactories unterstützen werden soll. AI-Gigafactories sind groß angelegte Rechen- und Entwicklungszentren, die speziell für das Training, den Betrieb und die Weiterentwicklung von KI ausgelegt sind.
In Deutschland sind die Investitionspläne der Europäischen Kommission sowohl bei Unternehmen als auch bei verschiedenen staatlichen Einrichtungen auf großes Interesse gestoßen. Auch die Bundesregierung hatte bereits in ihrem Koalitionsvertrag die Absicht verkündet, mindestens eine der europäischen AI-Gigafactories nach Deutschland zu holen (Ziff. 2193 f.).
In diesem Beitrag fassen wir zusammen, was über Auswahlprozess und Fördermodalitäten bereits bekannt ist. Vertieft gehen wir auf die mögliche Förderbedingung ein, dass die AI-Gigafactories von Public-Private Partnerships („PPP“) umzusetzen sind.
Aktueller Stand
Die Europäische Kommission und das EuroHPC Joint Undertaking („EuroHPC JU“) – eine im Jahr 2018 gegründete öffentlich-private Partnerschaft mit dem Ziel, die Kapazitäten für Hochleistungsrechnen in Europa erheblich auszubauen und Europa technologisch wettbewerbsfähiger zu machen – bereiten aktuell die Förderung der AI-Gigafactories vor. Dafür haben sie u. a. bereits am 9. April 2025 einen Aufruf zur Interessenbekundung veröffentlicht, an dem sich Interessenvertreter der Industrie, öffentliche und private Investoren sowie EU-Teilnehmerstaaten bis zum 20. Juni 2025 beteiligen konnten. Diese unverbindliche Konsultation dient der Europäischen Kommission und dem EuroHPC JU dazu, interessierte Konsortien zu ermitteln und erste Beiträge für eine mögliche Umsetzung zu sammeln. Vor dem offiziellen Aufruf stehen allerdings aufseiten der Europäischen Kommission und des EuroHPC JU noch weitere Schritte aus: Budgetsicherung, Änderung der EuroHPC-Verordnung, Definition der InvestAI Facility und Absicherung im EU-beihilferechtlichen Rahmen.
Der erforderliche gesetzliche Rahmen für die Einrichtung eines Fonds zur Förderung von AI-Gigafactories und für die Ausgestaltung der Förderbedingungen fehlt bislang. Die bisherigen Mitteilungen der Europäischen Kommission erlauben aber erste Rückschlüsse auf die Auswahl der zu Fördernden und einzelne Fördermodalitäten.
Auswahlverfahren
Im Rahmen des AI-GigaFactories-Workshops am 22. Mai 2025 wurde mitgeteilt, dass es ein dreigliedriges Auswahlverfahren geben wird, verantwortet von der EuroHPC JU: Zunächst bewertet ein unabhängiges Expertengremium die eingegangenen Anträge, bevor ein Finanzinstitut eine Due-Diligence-Prüfung durchführen soll. Anschließend soll eine Auswahlentscheidung durch das EuroHPC JU mit Leitlinien zu Verträgen, zur Finanzierung und den Beschaffungsregeln/-verfahren getroffen werden.
Die Europäische Kommission erlaubt in ihren Unterlagen zum AI-GigaFactories-Workshop vom 22. Mai 2025 bereits einen ersten Blick auf mögliche Auswahlkriterien für die Förderung. In der Auswahl sind danach zu berücksichtigen: Der technische Teil des eingereichten Vorschlags, die potenziellen Auswirkungen sowie die finanzielle Durchführbarkeit. Die Europäische Kommission fächert die einzelnen Kriterien noch weiter auf, wobei der technische Teil des Vorschlags quantitativ einen Schwerpunkt einnimmt. Als weitere Unterkriterien sind dort genannt: „Zielsetzung und technische Qualität des Vorschlags“, „Qualität des Arbeitsplans“, „Qualität der physischen, IT- und Netzwerkinfrastruktur“, „Nachhaltigkeit und Energieeffizienz“, „Erfahrung und Know-how des Konsortiums beim Aufbau ähnlicher Großanlagen“. Hinsichtlich des Kriteriums der potenziellen Auswirkungen differenziert die Europäische Kommission weiter nach der „Qualität der Dienste, einschließlich Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit“ und dem „EU-Mehrwert und die Auswirkungen auf das europäische KI-Ökosystem“. Bei der finanziellen Durchführbarkeit werden schließlich als Unterkriterien genannt die „Investitionsverpflichtungen der MS/PS und der privaten Partner“ und die „Qualität und finanzielle Tragfähigkeit des vorgeschlagenen Geschäftsmodells (Due-Diligence-Prüfung)“.
Auch wenn die Europäische Kommission bereits mögliche Auswahlkriterien aufführt, lassen sich anhand der veröffentlichten Unterlagen – ohnehin vorbehaltlich der schlussendlich festgelegten Kriterien – nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die Gestaltung des eigenen Förderantrags ableiten. Zum einen bleibt die Gewichtung der einzelnen Kriterien und Unterkriterien ungewiss. Zum anderen sind gerade die Unterkriterien im technischen Teil vergleichsweise offen formuliert.
Public-Private Partnership als Förderbedingung
Die Europäische Kommission stellt in verschiedenen Mitteilungen, insbesondere zum AI-GigaFactories-Workshop vom 22. Mai 2025 sowie zum AI Continent Action Plan vom 9. April 2025 in Aussicht, dass AI-Gigafactories v. a. von PPP umgesetzt werden sollen. Begründet wird diese Vorgabe damit, dass das erforderliche Investment seiner Höhe nach nicht von Privaten allein gestemmt werden kann. Abschließend entschieden ist dies aber scheinbar noch nicht. Anhaltspunkte für einen Spielraum bei der Auswahl zwischen PPP und herkömmlicher Förderung bietet der „Call for expression of interest in AI Gigafactories“ vom 9. April 2025, nach dem eine Förderung in Form einer PPP abgeschlossen werden „kann“.
PPP können sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Denkbar ist die Gründung einer gemeinsamen Projektgesellschaft, ebenso ist eine Kooperation auf vertraglicher Basis umsetzbar. Vergleichsweise schwach ausgeprägt sind die Bindungen und Einflussmöglichkeiten des öffentlichen Partners z. B. bei dem sog. Betreibermodell, bei dem der private Kooperationspartner das Projekt allein betreibt und das wirtschaftliche Risiko trägt. Umfangreichere Einwirkungsmöglichkeiten insbesondere in Form einer Bereitstellungspflicht bestehen demgegenüber z. B. beim Konzessionsmodell, bei dem Planung, Errichtung, Finanzierung und Betrieb für die öffentliche Hand erfolgen, das wirtschaftliche Risiko aber überwiegend der private Partner zu tragen hat. Denkbar wäre zudem auch ein Gesellschaftsmodell, bei dem Planung, Errichtung, Finanzierung und Betrieb über die Projektgesellschaft abzuwickeln sind.
In einem von der Europäischen Kommission im AI Continent Action Plan genannten Beispiel soll eine PPP auch dann vorliegen, wenn die Europäische Union und gegebenenfalls die Mitgliedstaaten als öffentliche Partner direkte Zuschüsse einbringen, während den privaten Antragstellern die Finanzierung des verbleibenden Betrags (sowie die Errichtung, Planung und den Betrieb der jeweiligen AI-Gigafactory) obliegt. Ob dafür allerdings die Eingehung einer PPP erforderlich ist, ist zweifelhaft, weil sich das von der Europäischen Kommission skizzierte PPP-Modell – zumindest bei wirtschaftlicher Betrachtung – grundsätzlich nicht von der herkömmlichen Förderung durch Förderungsvertrag oder -bescheid unterscheidet. Die Förderung mittels Förderungsvertrag oder -bescheid ist demgegenüber praxiserprobter und unkomplizierter. Ein PPP-Modell würde nur dann Sinn ergeben, wenn die Europäische Kommission erwartet, dass sich die öffentliche Hand über das PPP-Modell besondere (insbesondere operative) Einflussnahmerechte sichert, die sie sich im Fall einer „klassischen“ Förderung mittels Förderungsvertrag oder -bescheid nicht einräumen lassen könnte.
Die Vorgabe, dass AI-Gigafactories von PPP umzusetzen sind, kann – je nach Ausgestaltung der PPP – die Lage für private Unternehmen auch deswegen verkomplizieren, weil der öffentliche Partner in einer PPP öffentlich-rechtliche Sonderbindungen unterliegt: Zu denken ist an haushalts- oder vergaberechtliche Vorgaben, aber auch an öffentlich-rechtliche Auskunftsansprüche oder Grundrechtsbindungen, die im Verhältnis zu künftigen Nutzern der AI-Gigafactory relevant werden können. Insbesondere bei Kooperationen im Rahmen einer zu gründenden gemeinsamen Projektgesellschaft („Joint Undertakings“) ist diesen Sonderbindungen vertraglich Rechnung zu tragen. Um eine fristgerechte Umsetzung des Projekts gleichwohl zu erreichen, sollten sich die möglichen Partner um eine möglichst frühzeitige Abstimmung bemühen.
Ausblick
Derzeit lässt sich noch nicht abschließend sagen, wie Auswahlprozess und Modalitäten der Förderung von AI-Gigafactories genau aussehen werden. Der aktuelle Stand der InvestAI-Initiative zeigt, dass eine erfolgreiche Bewerbung von einer weitsichtigen Planung und einer engen Abstimmung mit der öffentlichen Hand abhängig sein wird. Dabei dürfte es im Interesse privater Investoren sein, dass die Eingehung einer PPP nicht zur Bedingung für eine Förderung gemacht wird. Stattdessen sollte auf die etablierten und praxiserprobten Fördermechanismen (Bescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag) zurückgegriffen werden. Auch der erhebliche Investitionsbedarf ist nicht per se ein Argument für die Eingehung einer PPP als Förderbedingung, werden doch auch in anderen Bereichen ganz erhebliche öffentliche Förderungen per Bescheid vergeben.
Wir danken Finn Knoblauch für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Beitrags.
Bestens
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