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Polnischer Oberster Gerichtshof: Unechte Gesamtprokura ist unzulässig

06.05.2015

Nach zwei Monaten wurde die Begründung zum Beschluss des Polnischen Obersten Gerichtshofs (Sąd Najwyższy) („POG“) über die unechte Gesamtprokura (prokura łączna niewłaściwa) veröffentlicht. Handlungen, die von unechten Gesamtprokuristen vorgenommen wurden bleiben wirksam, jedoch ist das Registergericht befugt, die unzulässige Art der Prokura von Amts wegen zu löschen. 

Hintergrund

In der Rechtsprechung und Literatur war bislang umstritten, ob eine unechte Gesamtprokura nach polnischem Recht zulässig ist. Als unechte Gesamtprokura bezeichnet man eine Gesamtvertretung des Prokuristen mit einer Person, deren Vertretungsmacht auf anderer Grundlage beruht (z.B. als Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglied – bei einer Kapitalgesellschaft (spółka kapitałowa) oder als Gesellschafter – bei einer Personengesellschaft (spółka osobowa)). Zur Vereinheitlichung der widersprüchlichen Auslegung hat sich vor Kurzem der POG mit der Rechtsfrage des Ersten Vorsitzenden des POG zur Zulässigkeit der unechten Gesamtprokura befasst. 

Der Erste Vorsitzende des POG hat in der Begründung zu der Rechtsfrage auf den ursprünglichen Standpunkt des POG hingewiesen, wonach die Erteilung einer Prokura unter Vorbehalt, dass der Prokurist nur gemeinschaftlich mit einem Geschäftsführer/Vorstandsmitglied bzw. Gesellschafter handeln darf, zulässig ist. Da die unechte Gesamtprokura im polnischen Recht nicht geregelt ist, hat der POG damals erläutert, dass auf diese Art der Prokura Vorschriften über die echte Gesamtprokura (zwei Prokuristen gemeinschaftlich) analoge Anwendung finden sollen. Diese Entscheidung hat sich jedoch nur zum Teil durchgesetzt, da manche Gerichte bisher eine gegenteilige Auffassung vertreten haben. Der fortlaufende Meinungsstreit war bis jetzt u.a. mit der Novellierung der Vorschriften über Prokura und der Einführung in das polnische Recht der sog. Zweigniederlassungsprokura – eine Prokura, die auf Geschäfte der Zweigniederlassung beschränkt ist – zu begründen. Daraus wurde das Prinzip des numerus clausus der Prokuraformen abgeleitet, das im Kern besagt, dass es nur drei Arten der Prokura gibt, die im polnischen Zivilgesetzbuch (Kodeks cywilny) ausdrücklich geregelt sind:

  • Einzelprokura (prokura samodzielna / samoistna).
  • Zweigniederlassungsprokura (prokura oddziałowa).
  • Echte Gesamtprokura (prokura łączna).

Die echte Gesamtprokura ist dabei eng auszulegen und bedeutet die Mitwirkung von mindestens zwei Prokuristen. 

Beschluss und seine Begründung

Als Antwort auf die Rechtsfrage des Ersten Vorsitzenden des POG hat der POG in der Besetzung von sieben Richtern am 30. Januar 2015 einen Beschluss erlassen (Az. III CZP 34/14). Nach diesem Beschluss ist die Eintragung eines Prokuristen in das polnische Unternehmerregister des Landesgerichtsregisters (rejestr przedsiębiorców Krajowego Rejestru Sądowego – entspricht in etwa dem deutschen Handelsregister) mit dem Vermerk, dass der Prokurist nur mit einem Geschäftsführer gemeinschaftlich handeln darf, unzulässig. In der mit Spannung erwarteten Begründung, die Anfang April veröffentlicht wurde, hat der POG entscheidend auf das Prinzip des numerus clausus der Prokuraformen zurückgegriffen, das vor allem dem sicheren Rechtsverkehr dienen soll. Darüber hinaus hat der POG hervorgehoben, dass der Beschluss seine Rechtswirkung nur für die Zukunft entfalten soll. Somit sind sämtliche Handlungen, die von unechten Gesamtprokuristen am oder vor dem 30. Januar 2015 vorgenommen wurden, wirksam und bedürfen keiner nachträglichen Zustimmung der Geschäftsführer (bzw. Vorstandsmitglieder). Allerdings ist das Registergericht ab dem 31. Januar 2015 berechtigt, die Einzelprokura, die nur mit einem Geschäftsführer (bzw. Vorstandsmitglied) gemeinschaftlich ausgeübt werden darf, als unzulässige Art der Prokura aus dem Unternehmerregister des Landesgerichtsregisters von Amts wegen zu löschen

Fazit

Wegen ihrer Flexibilität war die unechte Gesamtprokura bisher weit verbreitet, sodass viele Gesellschaften von dem Beschluss des POG betroffen sind. In der Praxis kam die unechte Gesamtprokura vor allem dann ins Spiel, wenn einerseits die Bestellung eines Prokuristen für das effektive Funktionieren einer Gesellschaft zweckmäßig war und andererseits, wenn aus Rücksicht auf den Interessenschutz einer Gesellschaft die Selbständigkeit des Prokuristen durch die Mitwirkungspflicht mit einem Geschäftsführer (bzw. Vorstandsmitglied) beschränkt war. 

Schließlich ist es wichtig zu betonen, dass der beschriebene Beschluss die Möglichkeit einer Gesamtvertretung einer Kapitalgesellschaft durch einen Prokuristen zusammen mit einem Geschäftsführer (bzw. Vorstandsmitglied) nicht gänzlich ausschließt. Das polnische Handelsgesellschaftengesetzbuch (Kodeks spółek handlowych) besagt, dass bei einer Geschäftsführung (bzw. Vorstand), die aus mehreren Personen besteht, für die Abgabe von Erklärungen im Namen der Gesellschaft das Zusammenwirken von einem Geschäftsführer (bzw. Vorstandsmitglied) mit einem Prokuristen ausreichend ist, es sei denn, dass der Gesellschaftsvertrag (bzw. Satzung) andere Vertretungsregeln vorsieht. Im Endeffekt kann diese gemischte Vertretung zu gleichem Ergebnis wie die unechte Gesamtprokura führen, d.h. zu einer Gesamtvertretung des Prokuristen mit einem Geschäftsführer (bzw. Vorstandsmitglied). Allerdings handelt es sich bei dieser Konstellation – anders als bei der unechten Gesamtprokura – um die zulässige Einschränkung der Vertretungsmacht eines Geschäftsführers (bzw. Vorstandmitglieds) und nicht derjenigen des Prokuristen. 

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