Plattformökonomie: Subunternehmerverbot für Essenslieferdienste?
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas prüft ein Verbot von Subunternehmen für Essenslieferdienste und kündigt stärkere Regulierungen für den Sektor an.
Das Problem
Nach einer kürzlich veröffentlichten rbb-Recherche gibt Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) bekannt, ein Direktanstellungsgebot für die Branche prüfen zu lassen. Inhalt der wohl ausschlaggebenden rbb-Recherche sind vermeintlich gravierende Missstände in der Essenslieferdienstbranche. Besonders kritisiert wird dabei die fehlende Transparenz der Branche, die eine systematische Benachteiligung der Lieferkuriere unter Umgehung geltenden Rechts ermögliche.
Direktanstellungsgebot als Lösung?
Die Idee eines Direktanstellungsgebots in der Branche ist nicht neu. Seit Jahren wird wiederkehrend über ein solches gesprochen. Erst im November 2025 haben sich die Arbeits- und Sozialminister der Länder für ein Direktanstellungsgebot ausgesprochen.
Die Idee hinter einem Direktanstellungsgebot ist folgende: Die Plattformen werden dazu verpflichtet, die Lieferkuriere direkt als Arbeitnehmer zu beschäftigen, womit den Lieferkurieren sämtliche Arbeitnehmerschutzrechte zuteilwerden. Gleichzeitig wäre es Plattformen so nicht mehr möglich, in diesem Bereich mit Subunternehmern zu agieren. Mögliche systematische Benachteiligungen sollen so verhindert werden. Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sei dies die einzige Möglichkeit, mehr Transparenz zu schaffen und Lieferkuriere besser zu schützen.
Rechtliche Einschätzung
Die Einführung eines solchen Direktanstellungsgebots (oder Subunternehmerverbots) unterliegt jedoch hohen verfassungs- und europarechtlichen Anforderungen. Der Einsatz von Subunternehmern oder Leiharbeitern ist grundsätzlich legitim, sodass auch das BMAS in einer Stellungnahme darauf verweist, dass ein Direktanstellungsgebot stets nur das letzte Mittel sein kann.
Ein solches berührt gleich mehrere verfassungsrechtliche Positionen:
- Das damit praktisch verbundene Verbot des Einsatzes von Subunternehmern greift in die unternehmerische Freiheit und das damit verbundene Recht, sein Geschäftsmodell selbst zu wählen, tief ein. Der Gesetzgeber müsste nachweisen, dass das Totalverbot das mildeste Mittel ist und kein anderes, gleich effektives Mittel möglich ist, um einen besseren arbeitsrechtlichen Schutz der Fahrer zu erzielen. Zudem wird darzulegen sein, dass ein solcher Schutz überhaupt erforderlich ist. Die rbb-Recherche allein dürfte hierfür nicht ausreichend sein.
- Auch das Europarecht ist zu beachten. Die Dienstleistungsfreiheit ist europarechtlich verbürgt und umfasst innerhalb des EU-Binnenmarkts das Recht des Unternehmers, seine Leistungen grundsätzlich frei anzubieten. Ein deutsches Subunternehmerverbot könnte eine nationale ungerechtfertigte Beschränkung dieses Rechtes darstellen. Auch hier wird sich die Frage nach der Notwendigkeit sowie nach milderen, gleich effektiven Maßnahmen stellen und der deutsche Gesetzgeber müsste argumentieren, warum beispielsweise verstärkte Kontrollpflichten oder höhere Bußgelder nicht ähnlich effektiv sind bzw. warum die bereits umfassenden Kontrollmöglichkeiten durch die Behörden nicht genutzt werden.
Umsetzung in anderen Branchen
Tatsächlich umgesetzt wurde die Idee eines Direktanstellungsgebots bisher in Deutschland nur in der Fleischindustrie. Ein dahingehendes Gesetz trat am 1. Januar 2021 in Kraft und verbietet die Zusammenarbeit mit Selbständigen und den Einsatz von Leiharbeitern in Fleischbetrieben mit mindestens 50 Mitarbeitenden. Bei der Frage, ob dieses Gesetz für das nun diskutierte Vorhaben als Blaupause dient, darf jedoch der Kontext des Direktanstellungsgebotes in der Fleischindustrie nicht außer Acht gelassen werden. Wie am Datum des Inkrafttretens zu erkennen ist, fiel dessen Inkrafttreten unmittelbar in die Corona-Pandemie und war die Antwort auf hohe Inzidenzen insbesondere unter den Beschäftigten einiger weniger Fleischereibetriebe. Die andauernde Corona-Pandemie gab dem Gesetzgeber die Möglichkeit, die Fleischereibetriebe stärker und strenger zu regulieren. Auch hier wurden mögliche Subunternehmerverbote bereits Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes diskutiert, konnten dann aber erst unter dem Druck der Pandemie umgesetzt werden.
Auch in der Paketbranche werden solche gesetzgeberischen Eingriffe seit vielen Jahren diskutiert. Der Bundesrat forderte im Jahr 2023 ebenfalls ein Subunternehmerverbot für die Paketbranche, das jedoch 2024 scheiterte. Vielmehr wurden weitere und verschärfte Kontrollpflichten eingeführt. Bereits damals gab es aus der Wirtschaft viel Gegenwind für ein mögliches Totalverbot. Zahlreiche Wirtschaftsverbände sprachen sich gegen das Gesetz aus und verwiesen auf bereits bestehende Gesetze und Kontrollmechanismen.
Keine Reaktion notwendig bedingt durch die Umsetzung der Richtlinie zur Plattformarbeit?
Fraglich ist, ob ein Direktanstellungsgebot überhaupt erforderlich ist oder das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit (RL 2024/2831) die vermeintlichen Missstände nicht bereits hinreichend adressiert.
Wir haben an dieser Stelle bereits über die Richtlinie und deren Umsetzung berichtet (Plattformarbeit: Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen heute verabschiedet) und bereits letztes Jahr konstatiert, dass im deutschen Recht nicht unerheblicher Umsetzungsbedarf besteht, da dieses bisher noch keine Fiktionswirkung eines Arbeitsverhältnisses vorsieht, wenn „Tatsachen, die auf die Kontrolle und Steuerung [des Plattformarbeiters durch die Plattform] hindeuten, festgestellt werden.“
Zur Erinnerung: Nach der Richtlinie soll ein vollwertiges Arbeitsverhältnis zwischen Plattform und Plattformarbeiter entstehen, wenn ebendiese Tatsachen festgestellt werden können. Diese Vorgabe der Richtlinie ist vom Gesetzgeber in deutsches Recht zu transformieren.
Die Plattformarbeit ist auch fester Bestandteil in der Essenslieferbranche. Derzeit setzen die großen Unternehmen nur in einem sehr geringen Anteil auf Lieferkuriere, die bei ihnen als Arbeitnehmer beschäftigt sind. Die Anbieter stellen die Plattformen bereit und die Kuriere nehmen die angebotenen Fahrten an.
Dieses Geschäftsmodell fällt daher genau in den Anwendungsbereich der Plattformrichtlinie. Wie bereits berichtet, war Deutschland bei der Verabschiedung der Richtlinie daran beteiligt, diese zu entschärfen und den ursprünglich angedachten festen Kriterienkatalog bzgl. der Fiktion eines Arbeitsverhältnisses nicht aufzunehmen.
Wenn das BMAS nunmehr mitteilt, dass ein Direktanstellungsgebot die einzige Möglichkeit sein könnte, den Arbeitnehmerschutz in dem Sektor zu erhöhen, verrät es damit bereits, dass die unter tatkräftiger Mitwirkung der Ampel entschärfte Richtlinie zahnlos in deutsches Recht implementiert wird? Denn warum sollte sonst ein flankierendes Direktanstellungsgebot implementiert werden?
Auswirkung auf die Praxis
Für die Praxis bedeuten solche Mitteilungen des BMAS vor allem eins: Unsicherheit.
Unternehmen, die legal von der Möglichkeit Gebrauch machen, Subunternehmer und Leiharbeiter einzusetzen, werden durch solche Mitteilungen verunsichert und es entsteht ein zusätzliches Risiko für geplante Investitionen.
Wesentlicher Treiber des Wachstums in der Lieferbranche sind jedoch Investoren, sodass bereits solche öffentlich kommunizierten Ideen praktisch negative wirtschaftliche Auswirkungen für die Unternehmen haben können.
Aus einer arbeitsrechtlichen Sicht ist anzubringen, dass immer mehr sektorspezifische Sondergesetze zu einer immer größeren Zergliederung des Arbeitsrechts führen und dies zur Folge hat, dass die Regelungen für Arbeitgeber und Investoren immer unübersichtlicher und damit gründerfeindlicher werden.
Bevor Totalverbote öffentlich diskutiert werden, wäre es zunächst zu bevorzugen, weniger einschneidende Maßnahmen zu evaluieren, die die Interessen beider Seiten berücksichtigen, wie z.B. die Umsetzung der Plattformarbeitsrichtlinie voranzutreiben.
Ob ein tatsächliches Verbot aus rechtlicher Sicht – und vor allem auch in der jetzt regierenden Koalition jemals umgesetzt wird, ist daher zum jetzigen Zeitpunkt sehr fraglich.
Unternehmen und Investoren sollten die Entwicklungen jedenfalls im Auge behalten. Wir werden dies in jedem Falle für Sie tun.
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