Potenziale der Energiewende für Investoren in Deutschland – Noerr-Insight No.1: Offshore Wind
In unserem Briefing „Deutsche Energiewende: Potenziale für Investoren“ haben wir einen umfassenden Überblick über die Chancen und Risiken der Energiewende in Deutschland für in- und ausländische Investoren gegeben. Jetzt beginnen wir unsere Themenreihe, in der wir Sie in den kommenden Wochen regelmäßig und tiefergreifend zu den einzelnen Asset-Klassen informieren. Den Anfang machen wir mit Teil 1 zu Offshore Wind.
1. Status Quo und Herausforderungen
Für viele Jahre stockte der Ausbau von Off-Shore Windkraftanlagen, sei es wegen hoher technischer Hürden in der Errichtung und Wartung von Anlagen, die den Gezeiten und Salzwasser ausgesetzt sind, oder aufgrund der Herausforderungen bei der Netzanbindung. Entsprechend hoch waren die bisherigen Anforderungen an staatliche Förderung. Dies hat sich inzwischen in das Gegenteil verkehrt. Die Technologie für Off-Shore Wind ist inzwischen ausgereifter und die Projektentwickler konnten bereits ausreichend Erfahrungen für die Projektierung sammeln und Expertise aufbauen. Neueste technische Entwicklungen sind im europäischen Ausland zu finden, wo inzwischen erste Projekte mit schwimmenden Off-Shore-Anlagen projektiert werden. Der Vorteil einer solchen Technologie liegt in der Ermöglichung einer örtlichen Ausweitung von Off-Shore Windkraftwerken in bislang unzugängliche Gebiete, zum Beispiel solche mit besonders tiefem Meeresspiegel oder in denen eine Verankerung am Meeresboden nur schwer möglich ist.
Off-Shore Wind ist für Investoren nach Vollzug dieser Lernkurve inzwischen besonders attraktiv wegen der großen Energiemengen, die mit jeder einzelnen Windenergieanlage erzeugt werden können und relativ geringen Einschränkungen durch andere Anlagen, Nachbarn oder sonstige Belange. Angesichts des potenziellen Energie-Volumens, dass durch Off-Shore Wind erzeugt werden kann, wird von der Bundesregierung der Ausbau von Off-Shore Windparks auch als Grundpfeiler für das Gelingen der Energiewende bewertet. Insbesondere mit dem Planungsbeschleunigungspaket I („Osterpaket“), welches Änderungen zu EEG, Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) und weiteren Gesetzen und Verordnungen im Energierecht enthielt, geht neben der signifikanten Erhöhung der jährlichen Ausbauziele und anderen Maßnahmen auch ein Systemwechsel der Ausschreibeverfahren Off-Shore einher, der den Ausbau wieder in Schwung bringen und attraktiver gestalten soll. Das scheint nach den ersten beiden Ausschreibungsrunden auch geglückt.
2. Besondere Anreizregulierung
Flankiert werden die Regelungen des EEG durch die zum 01.01.2023 in Kraft getretene Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes. Das Gesetz legt die Steigerung der installierten Leistung von Offshore-Windenergie bis zum Jahr 2030 auf 30 GW (statt bislang 20 GW) und bis zum Jahr 2045 auf mindestens 70 GW fest. Es ist nunmehr ein Ausschreibungsvolumen in Höhe von 8.000 – 9.000 MW für die Jahre 2023/2024, 3.000-5.000 MW für die Jahre 2025/2026 und 4.000 MW ab dem Jahr 2027 vorgesehen, was ein erhebliches Investitionspotenzial verspricht. Auch das WindSeeG enthält zum 01.01.2023 erstmalig die explizite Feststellung, dass die Errichtung von Windenergieanlagen auf See und Offshore-Anbindungsleitungen im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen.
Das Gesetz regelt das Genehmigungs- und Ausschreibungsverfahren, sowie den Betrieb für deutsche Offshore-Windenergieanlagen und -anbindungsleitungen. Auf Grundlage des WindSeeG und nach Prüfung von Baugrund, Meeresumwelt, etc. erstellt das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie einen Flächenentwicklungsplan, welcher fachplanerische Festlegungen für Gebiete, Flächen, die voraussichtlich zu installierende Leistung, etc. trifft.
Neben zentral voruntersuchten Flächen, also jenen, in welchen die Bundesnetzagentur bereits Voruntersuchungen zu Bestandscharakterisierung der betreffenden Fläche, etc. vornimmt, wurden zur Erreichung der Ausbauziele mit Wirkung zum 01.01.2023 nunmehr auch nicht zentral voruntersuchte Flächen zur Erweiterung ausgeschrieben. In diesen übernehmen die den Zuschlag erhaltenden Bieter die Untersuchungen eigenverantwortlich. Je nach Fläche unterscheidet sich das Vergabeverfahren. Bei zentral voruntersuchten Flächen entfällt etwa das Planfeststellungsverfahren und wird durch zügigeres Plangenehmigungsverfahren ersetzt, um Doppelungen von Prüfungen auf Voruntersuchungs- und Genehmigungsebene künftig zu vermeiden – der Umfang der Umweltverträglichkeitsprüfungen bei zentral voruntersuchten Flächen wird künftig reduziert.
Neben dem erheblichen Ausbau vom Windparkanlagen ist notwendig, dass auch die erforderlichen Offshore-Netzanbindungen zur Verfügung stehen. Es findet sich deshalb im Windenergie-auf-See-Gesetz die Zielbestimmung, den Ausbau der Offshore-Windenergieanlagen mit den Offshore-Anbindungsleitungen an Land zu synchronisieren, um die effektive Verteilung der Offshore gewonnenen Energie bestmöglich an Land zu verteilen.
3. Investorenumfeld – Auswirkungen der Regulierung auf Investoren
Diese Anreizregulierung hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Denn sowohl im Bereich nicht zentral voruntersuchter Flächen als auch bei den voruntersuchten Flächen gab es deutlich mehr Nachfrage durch potentielle Investoren als ausgeschriebene Flächen.
Die erste Ausschreibungsrunde mit einem Ausschreibungsvolumen von 7 GW für nicht zentral voruntersuchte Flächen erfolgte im Juni 2023. Damals – also vor einem Jahr – gab es für alle ausgeschriebenen Flächen jeweils mehrere 0-Cent-Gebote. Die schlussendlich obsiegenden Bieter waren sogar bereit, Zuzahlungen auf jede eingespeiste KWh zu zahlen, um den Zuschlag für die Projektentwicklung zu erlangen. Auch das Bieterumfeld hat sich geändert. Während traditionell große Konsortien aus Risikokapitalgebern und Anlagenherstellern das Feld dominierten, erlangten im vergangenen Jahr und auch bei den ersten Ausschreibungen dieses Jahr auch große Erdölunternehmen den Zuschlag.
So erfreulich die negativen Gebote auf den ersten Blick für den Steuerzahler wirken mögen, so fraglich ist es, ob die mittelfristigen Ziele der Energiewende mit ihnen erreicht werden können. Denn auch bei negativen Geboten werden Investoren nur dann bereit sein zu investieren, wenn eine angemessene Gewinnmarge zu erwarten ist. Mit anderen Worten werden unweigerlich alle Errichtungs- und Produktionskosten auf den späteren Energiepreis aufgeschlagen werden. Ein Zuschlag auf negative Gebote wird also vermutlich den Energiepreis hoch halten, wenn die Projekte überhaupt realisiert werden. Die Folgen derartiger Entwicklungen bleiben abzuwarten.
4. Ausblick
Ende 2023 sind in Deutschland 1.566 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Leistung von insgesamt 8,5 GW in Betrieb.
Der derzeit aktuellste verfügbare Plan des Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie ist ein Entwurf für einen Flächenentwicklungsplan vom 07. Juni 2024. Dieser Entwurf möchte das bislang geplante Ausbauziel für 2035 (40 GW) um 10 GW erhöhen. Voraussichtlich sollen bestimmte, für den Ausbau von Off-Shore Anlagen designierte Gebiete (N-9, N-12, N-13, N-14, N-16 und N-17), räumlich ausgeweitet werden. Die neu festgelegten Flächen sollen einen zusätzlichen Ausbau mit einer voraussichtlichen Gesamtleistung von 28 GW ermöglichen. In Summe mit den geplanten Gebieten erwartet die Bundesregierung bis 2045 eine voraussichtliche Gesamtleistung von ca. 70 GW.
Am 22.02.2024 hat das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie die Eignung der Flächen N-9.1, N-9.2, N-9.3 zur Ausschreibung durch die Bundesnetzagentur nach Teil 3 Abschnitt 5 WindSeeG mittels Rechtsverordnung festgestellt. Dies entspricht einem Umfang von mind. 5,5 GW. Am 28. Februar 2024 hat die Bundesnetzagentur diese Flächen bis zum 01. August 2024 ausgeschrieben. Daneben hat die Bundesnetzagentur am 29.01.2024 Flächen mit einem Umfang von 2,5 GW auf nicht zentral voruntersuchten Flächen ausgeschrieben. Für Letztere gingen Null-Cent-Gebote ein, sodass bereits ein zweites Mal ein sogenanntes dynamisches Gebotsverfahren erforderlich wurde. Dies zeigt, dass sich bereits ohne Förderung der Offshore-Ausbau rentiert.
Abgesehen von diesen Ausschreibungen ist rein tatsächlich zu beachten, dass im gesamten Jahr 2023 nur eine Leistungssteigerung von 0,4 GW zu verzeichnen war. Der Zeitraum zwischen Zuschlag und Inbetriebnahme ist lang. So ist etwa für die Projekte zum Gebotstermin 01. Juni 2023 (Volumen 2.000 MW) die Inbetriebnahme bis 2030 vorgesehen.