Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt veröffentlicht
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 17. Oktober 2025 einen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (RL (EU) 2024/1203) (EU-Richtlinie) veröffentlicht.
Die EU-Richtlinie legt für die Mitgliedstaaten Mindestvorschriften für den Erlass von Straftatbeständen und Sanktionen fest, um europaweit einen wirksamen und einheitlichen Umweltschutz sicherzustellen. Zudem regelt sie Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von Umweltkriminalität und zur wirksamen Durchsetzung des Umweltrechts der Union. Sie muss bis zum 21. Mai 2026 in nationales Recht umgesetzt werden.
Der nun eingebrachte Referentenentwurf sieht wesentliche Änderungen im deutschen Strafgesetzbuch, im Nebenstrafrecht sowie im Ordnungswidrigkeitenrecht vor. Unter anderem soll das Höchstmaß für Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen im Fall einer vorsätzlichen Straftat einer ihrer Leitungspersonen – unabhängig von der umweltrechtlichen Relevanz – auf künftig EUR 40 Mio. vervierfacht werden. Im Einzelnen:
I. Änderungen im Strafgesetzbuch
Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) erfasst die neuen Vorgaben der EU-Richtlinie bereits weitgehend. Wesentliche Änderungen ergeben sich aber vor allem aus der von der EU-Richtlinie geforderten Ausgestaltung der meisten Straftatbestände als Gefährdungsdelikte. Künftig soll vermehrt bereits strafbewehrt sein, wenn ein Verhalten grundsätzlich geeignet ist, eine umweltrechtliche Verletzung herbeizuführen. Bislang vereinzelt noch als konkrete Gefährdungsdelikte im deutschen Strafrecht verankerte Straftatbestände (z.B. § 325a Abs. 2 StGB, § 327 Abs. 2 StGB, § 328 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2 StGB) sollen künftig also als potenzielle Gefährdungsdelikte (Eignungsdelikte) ausgestaltet sein. Im Tatbestand soll also nur noch auf die Eignung zu bestimmten Gefahren abgestellt werden, wenngleich die generelle Gefährlichkeit einer bestimmten Handlung explizit festgestellt werden muss. Der Eintritt einer konkreten Gefahr soll tatbestandlich dann nicht mehr vorausgesetzt werden.
Die in der EU-Richtlinie vorgesehenen Mindesthöchststrafen (Art. 5 Abs. 2 der EU-Richtlinie) sollen in einigen Fällen zu einer Anhebung der Strafobergrenze (z.B. in § 326 Abs. 3 StGB, § 327 Abs. 2 StGB, § 330 Abs. 2 StGB) im deutschen Recht führen.
Vorgaben in der neuen EU-Richtlinie sollen aber auch zu folgenreichen Anpassungen beim Mindeststrafmaß führen. So sieht der Referentenentwurf insbesondere eine Änderung der § 311 StGB und § 330 StGB vor. Danach sollen nunmehr Handlungen, die aufgrund des Ausmaßes des Schadens für die Umwelt besonders erheblich und weitreichend sind (sog. Ökozid), künftig mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft werden. Damit handelt es sich um einen Verbrechenstatbestand. Dies bedeutet, dass eine Einstellung aus Opportunitätsgründen (§§ 153 ff. StPO) nicht mehr möglich sein wird, insbesondere auch nicht eine Einstellung gegen Geldauflage.
Zudem werden neue Straftatbestände geschaffen, namentlich das Inverkehrbringen umweltgefährdender Produkte, die Durchführung von umweltverträglichkeitspflichtigen Projekten ohne Genehmigung sowie Handlungen in Bezug auf invasive gebietsfremde Arten von unionsweiter Bedeutung.
1. Umweltbezogene Produkthaftung
Zukünftig soll eine sog. „umweltbezogene Produkthaftung” entstehen. Das bedeutet, dass eine erweiterte strafrechtliche Verantwortlichkeit für das Inverkehrbringen bestimmter umweltschädlicher Produkte geschaffen wird. Während die bestehenden § 324 StGB (Gewässerverunreinigung) und § 324a StGB (Bodenverunreinigung) aufgrund ihres weiten Wortlautes das Inverkehrbringen von umweltschädlichen Produkten bereits als Tathandlung erfassen, soll § 325 StGB (Luftverunreinigungen) eine weitreichendere Neufassung erfahren. Die bislang bestehende Tatbestandsausnahme für Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge soll entfallen. Damit werden Verstöße gegen regulatorische Vorgaben in Bezug auf Luftemissionen auch im Verkehrssektor zu Straftaten hochgestuft.
2. Unerlaubte Ausführung von Vorhaben
Daneben sieht der Referentenentwurf vor, dass mit § 327a StGB ein neuer Tatbestand eingeführt wird, der die unerlaubte Durchführung von Projekten unter Strafe stellt, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erforderlich ist. Eine Strafbarkeit kommt nach der Vorschrift in Betracht, wenn das Vorhaben in einer Weise ausgeführt wird, die geeignet ist, erhebliche Schäden an Tieren, Pflanzen, einem Gewässer, der Luft, dem Boden oder einem Ökosystem herbeizuführen.
3. Ökosysteme als geschütztes Umweltmedium
Zukünftig soll das Ökosystem als geschütztes Umweltmedium in verschiedene bestehende umweltstrafrechtliche Normen aufgenommen werden. Eine Definition des Begriffs „Ökosystem“ soll in § 330d Abs. 1 Nr. 2 StGB erfolgen. Ein Ökosystem ist danach ein ökologisch bedeutendes, komplexes, dynamisches Wirkungsgefüge von Pflanzen-, Tier- und Mikroorganismengemeinschaften und ihrer abiotischen Umwelt in einer funktionellen Einheit, die Lebensraumtypen, Lebensräume von Arten und Artenpopulationen umfasst.
4. Immission von Energie wird Tathandlung
Bisher war die Immission von Energie keine strafrechtlich relevante Tathandlung. Die Immission verschiedener Energieformen, wie z.B. „Geräusche“, „Erschütterungen“, „thermische Energie“ oder „nichtionisierende Strahlen“ soll nun strafrechtlich geregelt werden.
Hierfür sieht der Referentenwurf die Modifikation zahlreicher Vorschriften vor, z.B. des § 324a StGB (Bodenverunreinigung), des § 325 Abs. 3 StGB (Luftverunreinigung) und des § 325a StGB (Verursachen von Lärm, Erschütterungen und nichtionisierenden Strahlen). Auch die Einleitung, Abgabe oder Erbringung von Energie wäre unter bestimmten Voraussetzungen strafbar. Künftig könnte damit auch die rechtswidrige Erzeugung von Licht zur Verwirklichung des jeweiligen Straftatbestandes führen.
5. Qualifikationstatbestand bei katastrophalen Folgen für die Umwelt
Das vorsätzliche Herbeiführen „katastrophaler Folgen“ für die Umwelt soll sich zudem strafschärfend auswirken. Nach § 311 Abs. 3 StGB-E und § 330 Abs. 2 StGB-E soll dies mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft werden und stellt damit ein Verbrechen dar.
II. Änderungen im Nebenstrafrecht
Der Referentenentwurf sieht zur Umsetzung der EU-Richtlinie zudem diverse Anpassungen des Nebenstrafrechts vor, so z.B. des Bundesnaturschutzgesetzes, des Bundesjagdgesetzes, des Abfallverbringungsgesetzes, des Pflanzenschutzgesetzes, des Chemikaliengesetzes und weiterer Durchführungsverordnungen.
III. Strafbarkeitsrisiken trotz behördlicher Genehmigung
Im Hinblick auf die von dem europäischen Gesetzgeber sehr weitreichend definierte Rechtswidrigkeit von Verstößen gegen das Umweltrecht (Art. 3 Abs. 1 Satz 2, 3 und Erwägungsgrund 10 der EU-Richtlinie) sieht der Referentenentwurf dagegen keinen Umsetzungsbedarf.
Strafbar sind Verstöße gegen das Umweltrecht nur, wenn die ihnen zu Grunde liegenden Handlungen rechtswidrig erfolgen. Nach der neuen EU-Richtlinie ist eine Handlung nicht nur dann rechtswidrig, wenn sie zwar im Rahmen einer behördlichen Genehmigung begangen wird, diese Genehmigung aber auf betrügerische Weise oder durch Korruption, Erpressung oder Zwang erlangt wurde (sog. Missbrauchsklausel, weitestgehend bereits abgebildet in § 330d Abs. 1 Nr. 5 StGB). Eine Handlung soll nach der EU-Richtlinie auch dann rechtswidrig sein, wenn die Genehmigung zwar rechtmäßig erteilt wurde aber „offensichtlich gegen die einschlägigen materiellrechtlichen Anforderungen verstößt“. Diese sehr weitreichende Definition würde im Ergebnis dazu führen, dass selbst wirksam behördlich erlaubtes Verhalten dennoch strafbar sein kann, ohne dass der Genehmigungsinhaber vorwerfbar an der Genehmigungserteilung mitgewirkt hat. Die Möglichkeit einer Strafbarkeit dieser Fälle nach deutschem Recht weckt verfassungsrechtliche Zweifel. Zu Recht sieht der Referentenentwurf insoweit jedoch keinerlei Anpassungsbedarf, weder im StGB noch im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG). Der in der EU-Richtlinie geforderte Grundsatz einer Strafbarkeit auch bei offensichtlichem Verstoß gegen die einschlägigen materiellrechtlichen Voraussetzungen ist bereits im deutschen Recht verankert, denn nach § 44 Abs. 1 VwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dieser bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Damit ist dem europarechtlichen Offensichtlichkeitsgebot Genüge getan. Ein nichtiger Verwaltungsakt stellt auch strafrechtlich keinen Rechtfertigungsgrund dar.
Unternehmen sind damit in der Praxis dazu gezwungen, bestimmten potenziell die Umwelt gefährdenden Aktivitäten trotz bestehender Genehmigungen fortlaufend dahingehend zu überprüfen, ob sie nicht offensichtlich gegen materielles Recht verstoßen. Andernfalls bestehen erhebliche Strafbarkeitsrisiken für die Leitungsorgane, selbst dann, wenn sie nicht vorwerfbar an der „rechtswidrigen“ Genehmigungserteilung mitgewirkt haben.
IV. Höherer Bußgeldrahmen für Unternehmen
Das Höchstmaß für Geldbußen gegen juristische Personen und Personenvereinigungen nach § 30 Abs. 2 S. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) soll angehoben werden und bei vorsätzlich begangenen Straftaten bis zu EUR 40 Mio. (statt bisher EUR 10 Mio.) und bei fahrlässig begangenen Straftaten bis zu EUR 20 Mio. (statt bisher EUR 5 Mio.) betragen. Im Falle einer begangenen Ordnungswidrigkeit bestimmt sich das Höchstmaß der Geldbuße weiterhin nach dem für die Ordnungswidrigkeit angedrohten Höchstmaß der Geldbuße.
V. Weiteres Verfahren
Der Referentenentwurf befindet sich derzeit im Anhörungsverfahren. Die Länder und Verbände haben nun bis zum 14. November 2025 Gelegenheit zur Stellungnahme. Das BMJV wird der Bundesregierung anschließend eine ggf. angepasste Fassung des Referentenentwurfs zur Abstimmung vorlegen. Stimmt das Bundeskabinett dieser Fassung zu, wird er als Regierungsentwurf in den Bundestag eingebracht.
Fazit und Ausblick
Die in dem Referentenentwurf vorgeschlagenen Gesetzesänderungen würden zu teilweise erheblichen Strafschärfungen bestimmter umweltbezogener Handlungen und Vorhaben führen. Zudem soll der vervierfachte Bußgeldrahmen des § 30 Abs. 2 OWiG nicht nur im Falle von vorsätzlichen Umweltstraftaten gelten, sondern auch bei sonstigen vorsätzlichen Straftaten, für die das Unternehmen gemäß § 30 Abs. 1 OWiG verantwortlich gemacht werden kann. Der Referentenentwurf geht damit über die Anforderungen der EU-Richtlinie hinaus. Es bleibt insofern zu beobachten, welche Modifizierungen und ggf. Einschränkungen – die sicherlich von verschiedenen Seiten gefordert werden – noch Eingang in das Umsetzungsgesetz finden.
Bestens
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