Studie

Public M&A Report 01/2020

05.04.2020

Marktentwicklung und Trends

  • Signifikanter Anstieg der Marktaktivität bezogen auf die Transaktionszahl, jedoch nur mäßige Steigerung des Angebotsvolumens im Vergleich zu 2018
  • Sehr hohe Transaktionszahl von zehn Transaktionen im Large-Cap-Segment
  • Deutlicher Anstieg der durchschnittlichen Prämienhöhe gegenüber 2018 von 8,08% auf 17,5%
  • Im Fokus: Änderung des § 26 WpÜG – Erstreckung der Sperrfrist nach untersagten oder gescheiterten Angeboten auf mit dem Bieter gemeinsam handelnden Personen
  • Tauschangebote nach dem WpÜG im Lichte der neuen Prospektverordnung

Anzahl und Volumen von Angeboten

Im Jahr 2019 hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) 28 öffentliche Angebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz („WpÜG“) gestattet und veröffentlicht. Die Angebote betrafen Zielgesellschaften mit einer Marktkapitalisierung zum Angebotspreis („MKA“) von insgesamt EUR 38,7 Mrd. Die Angebote gliederten sich in achtzehn Übernahmeangebote, fünf Delisting-Angebote, zwei Erwerbsangebote, und drei Pflichtangebote. Es gab außerdem eine Untersagung mangels rechtzeitiger Veröffentlichung einer Angebotsunterlage.

 

Die Zahl der Transaktionen im deutschen Markt für öffentliche Übernahmen ist im Jahr 2019 mit veröffentlichten 28 Angeboten und einer Untersagung im Vergleich zum Vorjahr signifikant angestiegen: 2018 gab es nur dreizehn Angebote (und zwei Untersagungen). Das Angebotsvolumen (ausgedrückt in der MKA) hat sich von EUR 29,1 Mrd. im Jahr 2018 auf EUR 38,7 Mrd. im Jahr 2019 erhöht. Dies entspricht einer prozentualen Zunahme von 32,65%.

Entwicklung in den Segmenten (Large Cap, Mid Cap und Small Cap)

Innerhalb der MKA lassen sich drei Segmente unterteilen: Small-Cap (MKA der Zielgesellschaft < EUR 100 Mio.), Mid-Cap (MKA der Zielgesellschaft ≥ EUR 100 Mio. und < EUR 1000 Mio.) und Large-Cap (MKA der Zielgesellschaft ≥ EUR 1000 Mio.). Die Entwicklung der durchschnittlichen MKA in den einzelnen Segmenten lässt sich folgendermaßen darstellen:

Im Large-Cap-Segment ist das durchschnittliche Angebotsvolumen mit EUR 3.589,5 Mio. im Vergleich zu 2018 stark gefallen (2018: EUR 9.013,8 Mio.). 2018 gab es allerdings ein Angebot, das alleine schon ein Angebotsvolumen von über EUR 20 Mrd. aufwies. Ein Angebot in dieser Größenordnung fehlte 2019.

Die Transaktionszahl von zehn Transaktionen in diesem Segment ist im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren (2018 gab es nur drei und 2017 sechs Large-Cap-Transaktionen) dagegen als sehr hoch einzustufen. Auch wenn man berücksichtigt, dass drei Übernahmeangebote an die Aktionäre der OSRAM Licht AG („OSRAM“) abgegeben wurden, ist dies im Mehrjahresvergleich ein hoher Wert.

Mit einer Transaktionszahl von elf Transaktionen und einem durchschnittlichen Angebotsvolumen von EUR 229,8 Mio. sind im Mid-Cap-Segment keine erheblichen Abweichungen zum Vorjahr zu erkennen, wobei es 2018 zwar nur sieben Transaktionen, aber ein höheres durchschnittliches Angebotsvolumen gab als 2019.

Die Zahl der Transaktionen im Small-Cap-Segment hat sich im Vergleich zum Vorjahr von drei auf sieben Transaktionen gesteigert. Das durchschnittliche Angebotsvolumen in diesem Segment lag im Jahr 2019 mit EUR 32,8 Mio. deutlich über dem Wert von 2018 (EUR 7,5 Mio.).

Verteilung von Angebotsvolumen und Anzahl der Transaktionen

2019 wurden zehn Angebote im Large-Cap-Segment verzeichnet. Diese machten mit einem Angebotsvolumen von EUR 35,9 Mrd. ca. 93% des Gesamtangebotsvolumens von EUR 38,6 Mrd. aus. Trotz dieser extremen Konzentration auf das Large-Cap-Segment war das Gesamtangebotsvolumen im vergangenen Jahr - auch unter Berücksichtigung des Sonderfalls OSRAM - deutlich gleichmäßiger über die Anzahl der Transaktionen verteilt als in den Vorjahren. Es gab nicht nur ein oder zwei extrem großvolumige Large-Cap-Angebote, sondern eine Vielzahl an Large-Cap-Angeboten mit jeweils annähernd ähnlichem Transaktionsvolumen. Daher konnte sich die langjährige Beobachtung, dass sehr große Einzeltransaktionen die Höhe des Gesamtmarktvolumens entscheidend prägen, diesmal nicht bestätigen.

Prämienhöhe

Im Jahr 2019 betrug die Prämie auf den volumengewichteten Durchschnittskurs der Aktien der Zielgesellschaften in den drei Monaten vor Bekanntgabe des Angebots durch den Bieter („3-Monats-VWAP“) durchschnittlich 17,5%. Mit 158,3% wurde die höchste Prämie an die Aktionäre der Fyber N.V. im Rahmen des Übernahmeangebots der Advert Finance B.V. gezahlt. In sechs Fällen erhielten die Aktionäre der Zielgesellschaft keine Prämie. In einem Fall (Angebot an die Aktionäre der Kremlin AG) konnte der 3-Monats-VWAP laut Angebotsunterlage nicht ermittelt werden. Daher blieb dieses Angebot bei der Berechnung der durchschnittlichen Prämienhöhe außer Betracht.

Zwar betrugen elf der 2019 gezahlten Prämien über 20%, jedoch waren nur zwei Angebote in der höchsten Prämienklasse von mehr als 30% zu verzeichnen. Bei der durchschnittlichen Prämienhöhe ist allerdings ein signifikanter Anstieg (um 116,58%) gegenüber 2018, wo sie nur 8,08% betrug, festzustellen. Auch 2017 lag die durchschnittliche Prämienhöhe mit 12,09% deutlich unter dem Wert von 2019.

Gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 ist die durchschnittliche Prämienhöhe im vergangenen Halbjahr zwar zurückgegangen. Dies lässt sich allerdings vor allem auf die beachtliche Prämienhöhe von 158,3% bei einem einzigen Angebot im ersten Halbjahr 2019 zurückführen. Die Prämienhöhen im zweiten Halbjahr 2019 waren dagegen deutlich gleichmäßiger verteilt. Die folgende Grafik veranschaulicht die bei den Angeboten im Jahr 2019 erzielten Prämien, aufgeteilt in verschiedene Kategorien, und stellt sie den in den Vorjahren gezahlten Prämien gegenüber:

Begründete Stellungnahmen nach § 27 WpÜG

Im Jahr 2019 veröffentlichten die Organe von Zielgesellschaften insgesamt 28 begründete Stellungnahmen nach § 27 WpÜG, entsprechend der Zahl der veröffentlichten 28 Angebote.
Die abschließende Bewertung der Organe der Zielgesellschaften zu den Angeboten fiel wie folgt aus:

Zur Unterlegung von 22 der 28 begründeten Stellungnahmen des Jahres 2019 (ca. 79%) wurden sog. Fairness Opinions von externen Beratern zur Angemessenheit der angebotenen Gegenleistung eingeholt. In sieben Fällen (ca. 25%) holten die Organe der Zielgesellschaft mehrere Fairness Opinions ein. In sechs der sieben Fälle (Zielgesellschaften: Scout24 AG; dreimal OSRAM; Axel Springer SE; METRO AG) handelte es sich dabei um Übernahmeangebote im hohen Large Cap-Segment, in denen die Zielgesellschaft eine MKA von mehr als EUR 3.000 Mio. hatte. Die Aufsichtsräte dieser Zielgesellschaften holten im Rahmen der gemeinsamen Stellungnahmen jeweils eine separate Fairness Opinion ein, die ausschließlich an den Aufsichtsrat gerichtet war. Diese Praxis hat sich bei Transaktionen im hohen Large-Cap-Segment inzwischen etabliert. Bei kleineren Transaktionen mandatieren Vorstand und Aufsichtsrat hingegen in der Regel einen oder (seltener) mehrere gemeinsame Berater für die Erstellung einer bzw. mehrerer Fairness Opinions. In letzterem Fall kann es sich für die Organe empfehlen, eine Bank und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu mandatieren. Während die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der Erstellung ihrer Fairness Opinion an die vom Institut für Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. veröffentlichten Grundsätze zur Erstellung von Fairness Opinions (IDW S 8) gebunden ist, muss die Bank diesen methodischen Vorgaben nicht folgen. Durch die zum Teil unterschiedlich angewendeten Methoden und Analysen kommt den jeweiligen Einschätzungen der Berater dabei noch mehr Gewicht für die Beurteilung der Angemessenheit der Gegenleistung zu.

Die Höchstzahl an beauftragten Fairness Opinions im Rahmen der begründeten Stellungnahmen im Jahr 2019 lag bei drei Fairness Opinions, die jeweils im Rahmen der gemeinsamen begründeten Stellungnahmen der METRO AG und der Axel Springer SE erreicht wurde. In beiden Fällen beauftragte der Vorstand der Zielgesellschaft jeweils zwei Fairness Opinions, während der Aufsichtsrat jeweils eine Fairness Opinion in Auftrag gab.

Im Fokus: Änderung des § 26 WpÜG – Erstreckung der Sperrfrist nach untersagten oder gescheiterten Angeboten auf mit dem Bieter gemeinsam handelnde Personen

von Sebastian Diehl, LL.M. und Dr. Andreas Wöller, LL.M., Noerr LLP, London

Scheitert ein Angebot an einer Mindestannahmeschwelle oder wird es durch die BaFin aus bestimmten Gründen untersagt, galt bislang gemäß § 26 WpÜG eine Sperrfrist von einem Jahr, innerhalb derer der Bieter kein erneutes Übernahmeangebot abgeben darf.

Mit Wirkung zum 20.12.2019 wurde die Sperrfrist nunmehr auf mit dem Bieter gemeinsam handelnde Personen (i.S.d. § 2 Abs. 5 WpÜG) erstreckt. Dies soll Umgehungen ausschließen, kann allerdings zugleich Konsequenzen für Investoren bedeuten, die aufgrund der Größe der von ihnen kontrollierten Gruppe eine Vielzahl von gemeinsam handelnden Personen haben.

Bisherige Rechtslage

Ziel der Sperrfrist ist ein Schutz der Zielgesellschaft vor einer Behinderung in ihrer Geschäftstätigkeit über einen angemessenen Zeitraum hinaus. Aufgrund des bisherigen Gesetzeswortlauts galt die Sperrfrist nach ganz überwiegender – wenn auch nicht unumstrittener – Auffassung allerdings nur für den Bieter selbst. Angebote anderer Gesellschaften des Konzerns des ursprünglichen Bieters blieben möglich. So gestattete die BaFin in der Vergangenheit erneute Angebote von Tochtergesellschaften des ursprünglichen Bieters, zuletzt im Falle des zweiten Übernahmeangebots für die OSRAM . Ein Eilantrag des Konzernbetriebsrats von OSRAM, mit dem dieser eine Untersagung durch die BaFin erwirken wollte, blieb vor dem OLG Frankfurt erfolglos (dies allerdings ohne eine Entscheidung zum Anwendungsbereich der Sperrfrist, da das OLG Frankfurt bereits die Statthaftigkeit der Beschwerde verneinte). 

Neuregelung

Wohl auch vor dem Hintergrund des (letztlich erfolgreichen) erneuten Übernahmeangebots für OSRAM wurde § 26 WpÜG im Dezember 2019 geändert.  Zukünftig sind nun auch mit dem Bieter gemeinsam handelnde Personen innerhalb eines Jahres ab Untersagung oder Scheitern des ursprünglichen Angebots von der Abgabe eines erneuten Angebots ausgeschlossen. Dies erfasst auch Angebote von Personen, die erst beim zweiten Angebot (i) mit dem ersten Bieter gemeinsam handeln oder (ii) mit einer Person gemeinsam handeln, die beim ersten Angebot mit dem ersten Bieter gemeinsam gehandelt hat.

Gemeinsam handelnde Personen sind neben solchen, die sich im Hinblick auf den Erwerb von Wertpapieren der Zielgesellschaft oder ihre Stimmrechtsausübung abstimmen, vor allem alle Tochterunternehmen eines Konzerns, und zwar sowohl in Bezug auf die Konzernobergesellschaft als auch untereinander.

Implikationen für die Praxis

Die Gesetzesänderung führt zu einer bedeutsamen Erweiterung des Anwendungsbereichs der Sperrfrist. Dies kann etwa Gesellschaften in Private Equity-Strukturen betreffen, bei denen neben Fondsvehikeln und General Partnern auch (kontrollierte) Portfoliogesellschaften gemeinsam handelnde Personen darstellen können. Gleiches gilt für Unternehmen unter gemeinsamer staatlicher Kontrolle. 

Ein Bieter sollte daher bereits bei der Vorbereitung des Angebots die möglichen Folgen der Sperrfrist für andere Gruppengesellschaften mit berücksichtigen. Relevant ist dies auch bei Bietergemeinschaften oder Absprachen mit bestehenden Aktionären (etwa in Form von Irrevocable Undertakings), da diese auch dann erfasst werden können, wenn sie beim zweiten Angebot nicht mehr gemeinsam handeln. Greift die Sperrfrist, kann die BaFin eine Ausnahme nur mit Zustimmung der Zielgesellschaft genehmigen. Einem gehinderten Bieter würde andernfalls nur die Möglichkeit bleiben, über Paketzukäufe ein Pflichtangebot auszulösen.

Tauschangebote nach WpÜG im Lichte der neuen Prospektverordnung: Die deutsche Übergangsregelung und ein Blick in die Zukunft

von Dr. Philip M. Schmoll, Noerr LLP, Frankfurt am Main

 

Als Tauschangebot nach dem WpÜG wird ein öffentliches Angebot bezeichnet, in dem Aktien oder andere Wertpapiere als Gegenleistung für die Aktien der Zielgesellschaft angeboten werden. Im Regelfall handelt es bei den angebotenen Aktien um neu ausgegebene Aktien des Bieters. Wegen des Zusammenspiels von Übernahme- und Prospektrecht weisen Angebotsunterlagen für Tauschangebote eine besondere Komplexität auf. Die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 („Prospektverordnung“), die am 21. Juli 2019 vollständig in Kraft getreten ist, gibt daher Anlass, Tauschangebote wieder verstärkt in den Blick zu nehmen.

Anpassung des § 2 Nr. 2 Halbs. 1 der WpÜG-Angebotsverordnung

Bei öffentlichen Tauschangeboten ergibt sich der Anwendungsbereich der Prospektver-ordnung aus zwei Umständen: Zum einen werden die Gegenleistungsaktien öffentlich angeboten. Zum anderen müssen sie in der Regel zum Handel am regulierten Markt zugelassen werden. Um die Erstellung eines separaten Wertpapierprospekts zu vermeiden, verzahnt das deutsche Übernahmerecht daher das Übernahmerecht mit dem Prospektrecht in § 2 Nr. 2 Halbs. 1 der WpÜG-Angebotsverordnung („WpÜG-AngebV“). Danach sind bei einem Tauschangebot ergänzende prospektrechtliche Mindestangaben in die Angebotsunterlage aufzunehmen. Im Zuge des Inkrafttretens der Prospektverordnung wurde § 2 Nr. 2 Halbs. 1 WpÜG-AngebV an die Prospektverordnung angepasst.  Danach hat der Bieter, sofern Wertpapiere als Gegenleistung angeboten werden, die Mindestangaben eines Wertpapierprospekts in die Angebotsunterlage aufzunehmen.  Insofern entspricht die neue Rechtslage zunächst der alten Rechtslage.

Aber: Tauschangebote werden regelmäßig von Bietern abgegeben, deren bestehende Aktien mindestens während der letzten 18 Monate ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen waren und die angebotenen mit den bestehenden Aktien fungibel sind. In diesem Fall reicht es nach neuer Rechtslage aus, wenn diese Bieter die Angaben eines sog. vereinfachten Prospekts  in die Angebotsunterlage aufnehmen. Das bedeutet vor allem, dass lediglich historische Finanzinformationen für das letzte vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage abgeschlossene Geschäftsjahr sowie ggf. Zwischenfinanzinformationen aufzunehmen sind. Ferner können die Bieter auf die Erstellung der häufig ausführlichen und aufwendigen „Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage“ (im Prospekt üblicherweise als „Darstellung der Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“, kurz: MD&A, bezeichnet) und die „Beschreibung der wichtigsten Märkte, auf denen der Emittenten tätig ist“ (im Prospekt üblicherweise „Markt und Wettbewerb“ genannt) verzichten. Damit führt die Änderung von § 2 Nr. 2 Halbs. 1 WpÜG-AngebV bereits zu einer Erleichterung für Bieter gegenüber der früheren Rechtslage, die diese Vereinfachungen nicht vorsah.

Das Befreiungsdokument

Künftig könnte es zudem zu weiteren Erleichterungen gegenüber der alten Rechtslage kommen. Denn die Anpassung des § 2 Nr. 2 Halbs. 1 WpÜG-AngebV ist nur eine Übergangslösung:
Artikel 1 Abs. 4 lit. f) und Abs. 5 lit. e) Prospektverordnung regeln Ausnahmetatbestände von der Pflicht zur Veröffentlichung eines Wertpapierprospekts „anlässlich einer Übernahme im Wege eines Tauschangebots“. Danach besteht bei Tauschangeboten keine Prospektpflicht, sofern der Öffentlichkeit ein „Dokument […] zur Verfügung gestellt wurde, das Informationen zu der Transaktion und ihren Auswirkungen auf den Emittenten enthält“. Dieses Dokument wird als „Befreiungsdokument“ (exempted document) bezeichnet. Nach alter Rechtslage waren in der Prospektrichtlinie  sowie im WpPG  zwar ebenfalls Ausnahmetatbestände für Tauschangebote vorgesehen. Diese verlangten aber noch die Veröffentlichung eines Dokuments, dessen Angaben denen des Prospekts „gleichwertig“ sind, weshalb bei Tauschangeboten kein Raum für prospektrechtliche Erleichterungen gegenüber dem üblichen Prospektregime war. Von diesem Gleichwertigkeitsgebot ist der Verordnungsgeber in der Prospektverordnung abgerückt.

Die Prospektverordnung ermächtigt die Europäische Kommission („Kommission“), eine delegierte Verordnung zu den Mindestinhalten eines Befreiungsdokuments zu erlassen.  Der Erlass der delegierten Verordnung steht noch aus. Nach deren Erlass wird § 2 Nr. 2 Halbs. 1 WpÜG-AngebV voraussichtlich erneut angepasst, wonach die Bieter ihre Angebotsunterlage bei Tauschangeboten künftig um ein Befreiungsdokument erweitern müssen. Der künftige Umfang der prospektrechtlichen Angaben in der Angebotsunterlage bei Tauschangeboten hängt somit von der Ausgestaltung der delegierten Verordnung ab.

Zur Vorbereitung der delegierten Verordnung hat die Kommission die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („ESMA“) konsultiert. Nach einem öffentlichen Konsultationsverfahren legte die ESMA am 29. März 2019 hierzu ihren finalen Bericht  vor. Der Bericht beinhaltet einen Vorschlag für die delegierte Verordnung, der u.a. prospektrechtliche Schemata für die Mindestangaben eines Befreiungsdokument beinhaltet. Danach können Bieter, deren bestehende Aktien mindestens während der letzten 18 Monate ununterbrochen zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen waren und die Gegenleistungsaktien mit den bestehenden Aktien des Bieters fungibel sind, ein vereinfachtes Befreiungsdokument erstellen. Bei einem vereinfachten Befreiungsdokument kann der Bieter im Vergleich zu einem vereinfachten Prospekt vor allem auf die Beschreibung der wesentlichen Verträge, die Zusammenfassung der in den letzten 12 Monaten veröffentlichten Insiderinformationen sowie die Angaben zur steuerlichen Behandlung der Wertpapiere verzichten. Außerdem hat ein Befreiungsdokument keine Zusammenfassung zu enthalten. Für Bieter, die kein vereinfachtes Befreiungsdokument erstellen können, sieht der Vorschlag der ESMA hingegen keine Erleichterungen zu dem üblichen Prospektregime vor, um einer Umgehung des Prospektregimes für ein Listing durch die Hintertür (backdoor listing) vorzubeugen.

Im Ergebnis bleibt zu wünschen, dass die Kommission jedenfalls für die Mindestinhalte eines vereinfachten Befreiungsdokuments etwas mehr Mut als die ESMA zeigt und weitreichendere Erleichterungen gegenüber dem Vorschlag der ESMA vorsieht. Gleichwohl ist zu begrüßen, dass der Aufwand für die Vorbereitung von Tauschangeboten künftig geringer ausfallen wird als nach der alten Rechtslage. Bis zum Erlass der delegierten Verordnung zum Befreiungsdokument hat der deutsche Gesetzgeber durch die vorübergehende Anpassung des § 2 Nr. 2 WpÜG-AngebV jedenfalls eine praxistaugliche Übergangslösung geschaffen, die den Bietern und der BaFin bei Tauschangeboten Rechtssicherheit gibt und dem Informationsinteresse der Angebotsadressaten Rechnung trägt.

 

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