News

BGH zum Ausschluss des AGB-Rechts in Schiedsklauseln

28.11.2025

Mit Beschluss vom 09.01.2025 (Az. I ZB 48/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine für die deutsche Schiedsgerichtsbarkeit wegweisende Entscheidung getroffen. Das Gericht nimmt Stellung zu der Frage, ob eine Schiedsklausel wirksam bleibt, wenn die Parteien zwar deutsches Recht wählen, zugleich jedoch die Anwendung der §§ 305 ff. BGB („AGBRecht“) ausschließen. Der BGH bejaht die Wirksamkeit der Schiedsklausel und stellt klar: Ob der Ausschluss des AGB‑Rechts Bestand hat, ist grundsätzlich vom Schiedsgericht zu prüfen – nicht vom staatlichen Gericht.

Hintergrund

Auch Verträge zwischen Unternehmern (B2B) können als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anzusehen sein. Sie unterliegen damit im Rahmen des § 310 Abs. 1 BGB einer im internationalen Vergleich strengen AGB-Kontrolle und werden bei Unklarheiten zulasten des Verwenders ausgelegt (§ 305c Abs. 2 BGB). Im B2B-Verkehr besteht daher typischerweise ein erhebliches Interesse daran, das deutsche AGB-Recht möglichst auszuschließen.

Vor staatlichen Gerichten ist ein Ausschluss des AGB-Rechts bei rein inländischen Sachverhalten nicht möglich, weil eine „Flucht“ vor zwingendem nationalen Recht ausgeschlossen ist (vgl. Art. 3 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 593/2008 – „Rom-I-VO“). In der Vertragspraxis wird daher teilweise ein Schiedsgericht und deutsches Recht unter Ausschluss des AGB-Rechts gewählt. Diese Gestaltung war bislang mit Rechtsunsicherheit behaftet, insbesondere hinsichtlich ihrer Bestandsfestigkeit vor deutschen Gerichten. Der BGH bietet zwar keine allumfassende Antwort; erklärt aber die Schiedsklausel als solche für wirksam und gibt im Weiteren wichtige Anhaltspunkte für den Ausschluss des AGB-Rechts vor Schiedsgerichten.

Sachverhalt der BGH-Entscheidung

Im zugrunde liegenden Fall stritten zwei Unternehmen u.a. über Vertragsstrafen aus einem VOB-Vertrag über den Bau eines Carport-Solarkraftwerks in den Niederlanden. Der Vertrag enthielt (i) eine Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts, (ii) eine Schiedsklausel mit Schiedsort in Berlin sowie (iii) eine ausdrückliche Bestimmung, wonach die Anwendung des AGB-Rechts ausgeschlossen ist.

Die Antragstellerin befürchtete, dass das Schiedsgericht die Vertragsstrafe – trotz Verstoß gegen das AGB-Recht – anwenden würde und beantragte beim Kammergericht Berlin die Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens (§ 1032 Abs. 2 ZPO). Das KG wies den Antrag zurück, der BGH bestätigte diese Entscheidung.

Die Entscheidung des BGH im Überblick: Wirksame Schiedsklausel

Der BGH betont die Trennbarkeit der Schiedsklausel von der Rechtswahlklausel sowie dem Ausschluss des AGB-Rechts. Im konkreten Fall waren die Klauseln textlich abgesetzt, systematisch abgrenzbar und jeweils mit eigenständigem Regelungsgehalt versehen. Schiedsklausel, Rechtswahl und Ausschluss des AGB‑Rechts sind daher unabhängig voneinander durch die staatlichen Gerichte kontrollierbar. Der BGH befasste sich nur mit der Schiedsklausel, da für die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens allein die Gültigkeit der Schiedsklausel entscheidend ist. Selbst wenn der Ausschluss des AGB-Rechts unwirksam wäre, bliebe die Schiedsklausel wirksam. Über die Wirksamkeit des Ausschlusses des AGB-Rechts entscheidet allein das Schiedsgericht.

Eine Kontrolle der Entscheidung des Schiedsgerichts durch staatliche Gerichte erfolgt lediglich nachgelagert im Anerkennungs- oder Aufhebungsverfahren am Maßstab des ordre public. Den ordre public kann ein Schiedsspruch insbesondere verletzen, wenn er zu einem Ergebnis führt, das fundamentalen Rechtsgrundsätzen widerspricht. Eine pauschale Nichtanwendung des AGB-Rechts genügt nicht. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Schiedsspruch zu Ergebnissen führt, bei denen zum Beispiel Vertragsbestimmungen nicht mehr „als Ausdruck vertraglicher Selbstbestimmung“ begriffen werden können oder eine vertragliche Regelung zu „schlechthin nicht mehr tragbaren Vertragsfolgen führt“.

Rechtliche Einordnung: Mehr Privatautonomie im Schiedsverfahren

Grenzen der Rechtswahl nach § 1051 ZPO

Die Entscheidung des BGH knüpft an einen Streit um die Schranken der Rechtswahl vor einem Schiedsgericht an: Die deutsche Zivilprozessordnung (ZPO) erlaubt es den Parteien, die „Rechtsvorschriften“ zu bestimmen, die das Schiedsgericht anwenden soll (§ 1051 ZPO). Anders als in staatlichen Gerichtsverfahren eröffnet dies die Möglichkeit, nicht nur eine gesamte Rechtsordnung (Art. 3 Abs. 1 Rom-I-VO), sondern auch einzelne staatliche Normen (oder nicht-staatliche Regelwerke) auszuwählen, auszuschließen oder zu vermischen. Damit ist grundsätzlich auch der Ausschluss des deutschen AGB-Rechts vor Schiedsgerichten denkbar.

Allerdings ist diese Gestaltungsfreiheit nicht grenzenlos, wobei das juristische Schrifttum sich bis dato uneins über die exakten Grenzen ist. Im Wesentlichen besteht Einigkeit, dass gewisse Schranken der Vertragsfreiheit stets gelten. Hierzu zählen insbesondere Generalklauseln, zum Beispiel zur Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und zu Treu und Glauben (§ 242 BGB) oder das Schikaneverbot (§ 226 BGB).

Spätestens im Rahmen des Vollstreckungs- oder Anerkennungsverfahrens erfolgt eine Kontrolle des Schiedsspruchs anhand des ordre public. Käme die Anerkennung oder Vollstreckung zu einem dem ordre public zuwiderlaufenden Ergebnis, so wird ein staatliches Gericht den Schiedsspruch von Amts wegen aufheben (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 lit. b ZPO) bzw. nicht anerkennen (§ 1061 Abs. 2 ZPO). Diese richterliche Ergebniskontrolle im Einzelfall ist für die Parteien unabdingbar.

Einfluss des EU-Rechts

Besonders umstritten ist die Frage, ob national und international zwingende Normen im Sinne der Rom-I-Verordnung (vgl. Art.  3 Abs. 3, 4, Art. 9 Rom-I-VO) auch Schiedsgerichte binden und damit die freie Wahl von Rechtsvorschriften (§ 1051 ZPO) „überlagern“. Die herrschende Meinung im deutschen Schrifttum geht davon aus, dass Schiedsgerichte nicht unmittelbar an die Rom-I-VO gebunden sind. Gleichwohl wird anerkannt, dass das Unionsrecht eine mittelbare Wirkung entfaltet: Zwingende Normen des Unionsrechts (zum Beispiel im Verbraucher- oder Arbeitnehmerschutzrecht) und international zwingende Vorschriften des gewählten Rechts (vgl. Art. 9 Rom-I-VO) müssen berücksichtigt werden, um die Anerkennung und Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs in der EU sicherzustellen.

In grenzüberschreitenden Fällen mit EU-Bezug müssen zwingende unionsrechtliche Vorschriften (z. B. Verbraucherschutz, Handelsvertreterausgleich, Kartellrecht) daher stets beachtet werden (sog. öffentliche Ordnung der Union – ordre public de l’Union). Dieses Verständnis hat der EuGH bereits in früheren Entscheidungen geteilt (z. B. Urteil vom 01.06.1999 – Rs. C-126/97 (Eco Swiss)) und jüngst im Kontext der Kontrolle von Schiedssprüchen des Internationalen Sportgerichtshofs (Court of Arbitration for Sport – CAS) ausdrücklich bestätigt (Urteil vom 01.08.2025, Rs. C-600/23 (Royal Football Club Seraing SA/FIFA et. al.).

Besonderheit bei reinen Inlandssachverhalten

Für reine Inlandssachverhalte ist die Rechtslage mangels höchstrichterlicher Entscheidung unsicherer. Es dürften folgende Besonderheiten zu beachten sein:

  • Die Grenzen der Rom-I-VO dürften grundsätzlich nicht unmittelbar gelten, so dass das zwingende deutsche AGB-Recht (i.S.v. Art. 3 Abs. 3 Rom-I-VO) ausgeschlossen werden könnte.
  • Damit kann bei B2B-Verträgen innerhalb Deutschlands der Ausschluss des AGB-Rechts wirksam sein – vorbehaltlich der Generalklauseln und der Grenze des deutschen und europäischen ordre public.

Fazit und Praxishinweise

Nach der BGH‑Entscheidung empfiehlt es sich, Schiedsklausel, Rechtswahl und einen etwaigen Ausschluss des AGB‑Rechts klar, systematisch und inhaltlich getrennt im Vertrag zu regeln. Zugleich stärkt die Entscheidung die Entscheidungskompetenz der Schiedsgerichte für Fragen der Rechtswahl und des Ausschlusses des AGB‑Rechts. Eine abschließende Entscheidung zur Zulässigkeit des Ausschlusses deutschen AGB‑Rechts bei Geltung deutschen Rechts steht jedoch weiterhin aus. Damit verbleiben bei dem Ausschluss des AGB-Rechts in Schiedsklauseln gewisse Ungewissheiten:

  • Wie Schiedsgerichte den Ausschluss des AGB-Rechts handhaben werden, ist offen und mag von der Person des Schiedsrichters abhängen.
  • Es verbleibt ein Risiko, dass staatliche Gerichte erst im nachgelagerten Anerkenntnis- und Vollstreckungsverfahren eingreifen, wenn der Ausschluss des AGB-Rechts zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führt. Dies kann die Aufhebung des Schiedsspruchs zur Folge haben.

Unter Einpreisung der Risiken kann der Ausschluss des AGB‑Rechts gerade bei komplexen B2B‑Projekten oder entlang der Lieferkette gleichwohl in Schiedsklauseln attraktiv sein, um größeren vertraglichen Gestaltungsspielraum zu gewinnen.

Bestens
informiert

Jetzt unseren Newsletter abonnieren, um zu aktuellen Entwicklungen auf dem Laufenden zu bleiben.

Jetzt anmelden