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eCommerce und Barriere­freiheit – Obacht für alle Online-Shops

22.02.2024

Pflicht zur Barrierefreiheit von interaktiven Webseiten

Am 28.6.2025 und damit in weniger als 15 Monaten wird das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft treten. Wir hatten zuletzt aus Sicht der Product Compliance am 5.10.2023 über das BFSG berichtet und dabei den Fokus auf die Anforderungen gelegt, die das Gesetz an körperliche Produkte wie Tablets, Bedienterminals und eBook Reader stellt. Den Link zum damaligen Beitrag finden Sie hier: Barrierefreiheit als Produktanforderung – das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (noerr.com).

Dieser Beitrag soll sich hingegen mit dem weitreichenden Anwendungsbereich des BFSG in Bezug auf eCommerce und Webseiten befassen. Das BFSG ist an private Unternehmen adressiert. Deshalb werden auch unternehmenseigene Homepages erfasst, falls auf ihnen Verträge mit Verbrauchern abgeschlossen werden können!

Achtung also: damit kommen sowohl auf alle Betreiber von Online-Shops als auch auf zahlreiche Betreiber von Standard-Webseiten mit Inkrafttreten des BFSG umfangreiche Pflichten zu. Dies gilt jedenfalls für den Fall, dass sich die Webseiten zumindest auch an Verbraucher richten. Vereinzelt gibt es Übergangsbestimmungen, nach denen die Barrierefreiheitsanforderungen erst zum 28.6.2030 erfüllt werden müssen.

Weitgehende Anforderungen an Betreiber von Online-Shops und Webseiten

Der Online-Verkauf jeglicher Produkte oder Dienstleistungen fällt als „Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr“ unter das BFSG. Eine Ausnahme gilt für reine b2b-Webshops, da sich diese erkennbar nicht an Verbraucher richten. Aufgrund der Definition des zentralen Terminus „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ als Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden, sind aber mitnichten nur reine Online-Shops erfasst:

Zwar fallen Webseiten nicht pauschal und ausnahmslos unter das BFSG. Sobald eine Webseite jedoch Elemente enthält, die - in welcher Form auch immer - einen Schritt auf dem Weg zum Abschluss eines Verbrauchervertrages darstellen, liegt eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr im Sinne des BFSG vor und der Seitenbetreiber wird in die Pflicht genommen. Auch Webseiten, auf denen Bankdienstleistungen an Verbraucher angeboten werden, fallen unter das Gesetz. Die im Hinblick auf die Barrierefreiheit zu erfüllenden Pflichten sind in einer Verordnung zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (der BFSGV) geregelt.

Möglichkeit einer Online-Terminbuchung bereits ausreichend

Für die Anwendbarkeit des BFSG genügt schon die Zurverfügungstellung einer Online-Terminbuchungsoption auf einer Website, wie aus den „Leitlinien für die Anwendung des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales hervorgeht: Denn die Zurverfügungstellung einer solchen Terminbuchungsmöglichkeit geschieht bereits im Hinblick auf den (späteren) Abschluss eines Verbrauchervertrags. Dienstleistungen im elektronischen Verkehr können aber auch anderweitige Kontaktaufnahmemöglichkeiten oder Interaktionsmöglichkeiten auf einer Webseite sein.

Als Folge dieses frühen Anknüpfungszeitpunktes zeigt sich, dass nur reine „passive“ Präsentationshomepages oder Blogs nicht unter das Gesetz fallen werden. Sobald ein Internetauftritt hingegen - wie im Fall von eCommerce - direkt den Abschluss von Verbraucherverträgen oder zumindest von Vorbereitungshandlungen für solch einen Vertragsschluss mit einem Verbraucher ermöglicht, wird die Pflicht zur barrierefreien Ausgestaltung der Webseite ausgelöst.

Auswirkungen für Seitenbetreiber

Die Webseiten von Unternehmen, die keine Kleinstunternehmen sind, werden namentlich bei eCommerce-Anteilen die Anforderungen des BFSG erfüllen müssen. Dabei ist im Einzelfall entscheidend, was für Elemente eine Webseite enthält. Fällt die Webseite aufgrund mindestens eines darin enthaltenen und barrierefrei zu gestaltenden Elementes unter das BFSG, so muss als Rechtsfolge die gesamte Seite barrierefrei gestaltet werden. Bezugnehmend auf obiges Beispiel bedeutet dies, dass schon die Zurverfügungstellung einer Online-Terminbuchungsoption auf einer Webseite zur Folge hat, dass hierdurch die gesamte Webseite „infiziert“ wird und nicht nur dieses eine Funktionselement, sondern die komplette Webseite barrierefrei gestaltet werden muss! Es ist daher lohnenswert, den eigenen Webauftritt bis zum Inkrafttreten des BFSG kritisch zu überprüfen und gegebenenfalls frühzeitig erforderliche Maßnahmen in die Wege zu leiten. Mandanten berichten jedenfalls jetzt schon von ganz erheblichem zusätzlichem Personalaufwand zur Umprogrammierung auf Barrierefreiheit – soweit dies durch extern beauftragte Dienstleister erfolgt, werden diese Ressourcen am Markt knapper werden, je näher der Stichtag rückt.

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