ESG-Fatigue? – Nachhaltige Finanzierungen in Zeiten von Trump und EU-Omnibus-Verordnung
In der Diskussion um Nachhaltigkeit und verantwortungsbewusstes Finanzieren und Investieren ist zunehmend eine „ESG-Müdigkeit“ zu beobachten, insbesondere im Kontext der politischen Rahmenbedingungen unter der Trump-Administration und dem Omnibus-Paket der Europäischen Union („EU“). Während Trump mit seiner deregulierenden Haltung und einer klaren Fokussierung auf wirtschaftliche Interessen ESG-Initiativen in den USA behindert und auch auf Europa Einfluss zu nehmen versucht, hält die EU weiterhin an Regelungen zur nachhaltigen Unternehmensführung fest, auch wenn die Anforderungen zwischenzeitlich reduziert werden. Die Unterschiede führen zu einem Spannungsfeld, das Unternehmen vor Herausforderungen stellt. Insbesondere die Unsicherheit und die unterschiedlichen Regulierungsansätze können zu einer Zurückhaltung bei ESG-Initiativen führen.
Aus diesem Grund möchten wir die Auswirkungen dieser beiden einflussreichen politischen Trends auf das Thema Nachhaltigkeit und Finanzierung nachfolgend kurz beleuchten, die aktuellen rechtlichen Entwicklungen aufzeigen, und darstellen, wie Unternehmen mit diesem Phänomen auf unterschiedliche Weise umgehen.
I. Bestehendes Umfeld für nachhaltige Finanzierungen
In Deutschland und in der EU bestehen Regelungen, die darauf abzielen, die Finanzbranche zu einer treibenden Kraft für positiven sozialen und ökologischen Wandel zu machen. Das daraus entstandene Umfeld der ESG-Regulierung ist komplex und entwickelt sich kontinuierlich weiter. Zu den wichtigsten Regelungen zählen:
- EU-Taxonomie: Die EU-Taxonomie ist ein zentraler Bestandteil der EU-Regulierung. Die Grundlage für die EU-Taxonomie sind in der EU-Taxonomie-Verordnung niedergelegt, die am 12.07.2020 in Kraft getreten ist. Darin werden, um die Klima- und Umweltziele der EU zu erreichen, vier übergeordnete Bedingungen festlegt, die eine Wirtschaftstätigkeit erfüllen muss, um als ökologisch nachhaltig zu gelten. Die EU-Taxonomie bietet damit ein Klassifizierungssystem, das Investoren hilft, festzustellen, ob eine wirtschaftliche Aktivität als ökologisch nachhaltig angesehen werden kann. Ziel ist es, die Transparenz zu erhöhen und Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen zu lenken.
- EU-Offenlegungsverordnung: Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) verpflichtet Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater in der EU dazu, Informationen über die Nachhaltigkeit ihrer Produkte klar offenzulegen. Der Fokus liegt darauf, die Anlegenden über die ESG-Eigenschaften von Finanzprodukten zu informieren.
Das Umfeld wird ferner geprägt durch:
- EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung: Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) regelt die Anforderungen an Unternehmen in der EU hinsichtlich der Berichterstattung über Nachhaltigkeitsaspekte. Deutschland hat – anders als andere Länder – die Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Für grenzüberschreitend tätige Unternehmen entstehen dadurch zusätzliche Herausforderungen, da sie je nach Land mit unterschiedlichen oder noch gar nicht umgesetzten Vorgaben konfrontiert sind.
- Europäische Lieferkettenrichtlinie: Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zielt darauf ab, menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten in Unternehmensprozessen mit Bezug auf Lieferketten zu verankern. Sie geht bei den umweltbezogenen Sorgfaltspflichten über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hinaus und wird für große Unternehmen gelten, die verpflichtet sind, Risiken entlang ihrer Aktivitätenkette zu ermitteln und Maßnahmen zur Minimierung von negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt umzusetzen. Diese müssen über ihre ergriffenen Maßnahmen berichten, und bei Nichteinhaltung drohen Sanktionen.
- Sonstige Regulierungen: Neben den unternehmensbezogenen Regelungen der CSRD, LkSG und CSDDD bestehen zudem noch weitere, produktbezogene Regulierungen wie die EU-Zwangsarbeitsverordnung (CSR) und die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR).
Aufgrund der zunehmenden Anzahl und des Umfangs der Regelungen auf europäischer und nationaler Ebene wird der Umfang und die Komplexität der ESG-Regulierung zunehmend kritisiert, insbesondere was die Belastung für Unternehmen betrifft. Häufig genannte Punkte sind die fehlende Standardisierung und der administrative Aufwand, den die zahlreichen unterschiedlichen Vorschriften mit sich bringen. Unternehmen müssen erhebliche Ressourcen investieren, um die geforderten Berichte und Datenanalysen zu erstellen und die sich ständig ändernden regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Diese Prozesse können insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen schwer zu bewältigen sein und ihre operative Effizienz beeinträchtigen.
II. Indizien für zunehmende „ESG-Müdigkeit“
Vor diesem Hintergrund sind bei vielen Unternehmen und Investoren nicht nur Forderungen nach einer Reform und Vereinfachung der bestehenden Regulierung zu vernehmen, sondern auch erste Anzeichen einer zunehmenden „ESG-Müdigkeit“, insbesondere im Bereich der Unternehmensfinanzierung, zu erkennen.
1. Trends bei Kreditfinanzierungen
So hatte sich beispielsweise die Nutzung von Sustainability Linked Loans ("SLLs") zunächst rasant entwickelt. Bei SLLs wird ein finanzieller Anreiz für die Erreichung vorab definierter Nachhaltigkeitsziele durch einen sog. Bonus/Malus Ansatz gesetzt, wonach eine Zinserhöhung oder Zinsreduzierung abhängig vom Grad der Zielerreichung von Nachhaltigkeitsindikatoren eintritt.
Trotz eines vielversprechenden Starts zeigen die Zahlen aus den letzten beiden Jahren jedoch einen teilweise dramatischen Rückgang bei den SLLs. Dieser Rückgang wird unter anderem mit einer zunehmenden „ESG-Müdigkeit“ erklärt, die durch mehrere Faktoren bedingt ist. Dabei spielen sowohl unternehmensinterne als auch allgemeine Gründe eine Rolle. Die hohen Kosten und der zusätzliche Aufwand für die Strukturierung und Verwaltung von SLLs, die zu geringen Margen-Abschläge, das aktuelle unsichere Finanzierungsumfeld sowie die Herausforderungen durch gesteigerte Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung tragen zur Zurückhaltung gegenüber SLLs bei. Unternehmen kritisieren den erhöhten bürokratischen Aufwand sowie unklare Standards und fürchten das Risiko von Greenwashing-Vorwürfen. Dies alles mindert die Attraktivität dieser Finanzierungsform.
Um der „ESG-Müdigkeit“ entgegenzuwirken, wird auf die Notwendigkeit einer Reduzierung von Kosten und administrativem Aufwand verwiesen. Zudem könnten standardisierte Verfahren und verbesserte Konditionen für SLLs zur Wiederbelebung der Nachfrage beitragen. Das Angebot nachhaltiger Finanzierungen sollte zudem diversifiziert werden, um Zugangshürden abzubauen und die Nutzung von SLLs attraktiver zu gestalten. Trotz der aktuellen Herausforderungen bleibt Nachhaltigkeit ein zentrales Zukunftsthema, und SLLs könnten, wenn auch nicht sofort, zukünftig eine positive Auswirkung auf die Kapitalstruktur von Unternehmen haben. Insbesondere Ansätze wie sog. "Sleeping SLLs" oder "Rendezvous-Klauseln" in Finanzierungsverträgen bieten flexible Lösungen für Unternehmen, die derzeit zögern, sich auf SLLs einzulassen. Es ist daher aus Unternehmenssicht ratsam, die Entwicklungen im Bereich nachhaltiger Finanzierungen weiterhin aufmerksam zu verfolgen.
2. Trends bei ESG-Anleihen
Bei Anleihen ist – im Gegensatz zu Kreditverträgen – bislang noch keine große „ESG-Müdigkeit“ zu spüren:[1]
So erreichte der Markt für ESG-Anleihen im Jahr 2024 mit einem Volumen von insgesamt EUR 915 Mrd. bemerkenswerte Höhen, was es zum zweitstärksten Jahr in der Geschichte der ESG-Anleihen machte. Nur das Jahr 2021 übertraf mit einem Volumen von EUR 995 Mrd. diesen Spitzenwert. Ein genauerer Blick auf das Jahr 2024 zeigt auch, dass Green Bonds etwa 65% aller ESG-Anleihen ausmachten, was einen deutlichen Anstieg gegenüber dem Vorjahreswert von 60% darstellt. Diese Entwicklung war besonders stark bei Emissionen aus dem öffentlichen Sektor zu beobachten, wo das Volumen an Green Bonds von EUR 132 Mrd. im Jahr 2023 auf EUR 174 Mrd. im Jahr 2024 anstieg. Im Gegensatz dazu waren Social Bonds und Sustainability-linked Bonds nicht so stark gefragt, womöglich ein Indiz für eine Marktverschiebung hin zu Projekten mit direkter Umweltwirkung.
Trotz des Wachstums blieb der Anteil von ESG-Anleihen an allen globalen ausstehenden Anleihen mit einem Wert von unter 3% gering. Deutschland nahm mit einem deutlich höheren Anteil von über 8% dabei eine Vorreiterrolle im Bereich Nachhaltigkeit ein. Dieser Umstand zeigt das Engagement Deutschlands für grüne und nachhaltige Finanzmärkte und unterstreicht die anhaltende Präferenz deutscher Investoren für solche Anlageformen.
Für das Jahr 2025 wird erwartet, dass ESG-Anleihen weltweit im Wert von mehr als EUR 400 Mrd. fällig werden, gegenüber EUR 260 Mrd. im Jahr 2024. Ob die Refinanzierung wiederum über ESG-Anleihen stattfinden wird, bleibt abzuwarten. Nach einer aktuellen Nachhaltigkeitsstudie von Union Investment wollen 89% der institutionellen Investoren weiterhin nachhaltig investieren.[2] Nachhaltigkeit scheint für professionelle Investoren damit weiterhin ein wichtiges Kriterium zu sein, obwohl die derzeitige Regulierung als zu komplex erachtet wird und einen dringend erforderlichen Reformbedarf bei der EU-Regulierung signalisiert.
III. Jüngste Reformbemühungen
Die anhaltende Kritik aus der Praxis an der bestehenden Regulierung hat dazu geführt, dass sowohl in Europa als auch in Deutschland zuletzt erste Reformbestrebungen erkennbar waren:
1. EU-Omnibus-Paket I
So stellte die EU-Kommission am 26.02.2025 das EU-Omnibus-Paket I vor. Das EU-Omnibus-Paket I ist ein Bündel von Gesetzesänderungen, das darauf abzielt, die Aufsicht über Finanzmärkte in der Europäischen Union zu stärken und die Finanzmarktregulierung zu harmonisieren. Es umfasst Änderungen an bestehenden Richtlinien und Verordnungen, um die Befugnisse der Europäischen Finanzaufsichtsbehörden, wie der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde („EBA“), der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („ESMA“) und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung („EIOPA“) zu erweitern. Um den Verbraucherschutz zu verbessern und Finanzprodukte in der EU weiter zu standardisieren sollen neben der Vereinfachung bestehender Regelungen auch die an die Unternehmen gestellten Offenlegungspflichten gesenkt werden.
Das EU-Omnibus-Paket I beinhaltet dabei insbesondere Anpassungsvorschläge für die CSDDD und die CSRD. Mit Blick auf die CSRD sieht das Paket eine Reduzierung des Anwendungsbereichs und der zu meldenden Datenpunkte vor. Zwischenzeitlich hat auch die European Financial Reporting Advisory Group („EFRAG“) angekündigt, die zu berichtenden Datenpunkte erheblich zu reduzieren.
Bei der CSDDD sollen die Sorgfaltspflichten entschärft werden. So sollen die Unternehmen sollen nicht mehr verpflichtet sein, alle Akteure der gesamten Aktivitätenkette auf mögliche oder tatsächliche Verstöße zu prüfen, sondern nur noch die unmittelbaren Zulieferer. Nur bei Kenntnis von Verstößen soll die tiefere Aktivitätenkette untersucht werden. Das Vorbild für die neue Regelung soll das deutsche LkSG sein. Außerdem soll die EU-weit vorgeschriebene Haftung der Unternehmen entfallen.
Die Verhandlungen über die CSDDD befinden sich weiterhin im Fluss. Während einzelne Mitgliedstaaten und Akteure eine vollständige Abschaffung der Richtlinie fordern, hält die EU-Kommission an ihrem Vorhaben fest, verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte und Umweltstandards einzuführen.
2. Mögliche Reform des LkSG
Im Koalitionsvertrag begrüßt die neue Regierung die „Omnibus“-Bestrebungen der EU-Kommission und kündigt sogar ein vollständiges Ende des LkSG an: Es soll durch ein Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung, das die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) bürokratiearm und vollzugsfreundlich umsetzt, ersetzt werden. Damit würden die Berichtspflichten nach dem LkSG entfallen. Ziel sei es, die umfangreichen Vorgaben zum Inhalt der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung, insbesondere für die mittelständische Wirtschaft, deutlich zu reduzieren und zeitlich zu verschieben.
Für die Praxis bedeutet diese Absichtserklärung jedoch noch nicht, dass die Einhaltung des LkSG künftig entfallen könnte. Vielmehr bleibt das LkSG in Deutschland vorerst weiterhin gültig und wird bis zur Umsetzung der CSDDD bestehen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle („BAFA“) fordert als Aufsichtsbehörde daher weiterhin von Unternehmen Auskünfte zur Einhaltung ihrer Sorgfaltspflichten. Da sich die CSDDD am deutschen LkSG orientiert, können deutsche Unternehmen dabei die bereits eingerichteten Prozesse und Strukturen auch nach der Einführung der CSDDD größtenteils verwenden. Gleichzeitig ist auch beim LkSG noch offen, in welcher Form und mit welchen Inhalten es fortbestehen soll: Der von der Bundesregierung für Juli angekündigte Referentenentwurf zur Anpassung liegt bislang nicht vor, sodass offenbleibt, welche Änderungen der Pflichten Unternehmen erwarten.
IV. Fazit
Vor dem Hintergrund des teilweise abnehmenden Interesses an sog. ESG-Finanzierungen, insbesondere im Kreditbereich, bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die angestoßenen Reformbemühungen auf europäischer Ebene auf die Zukunft der Unternehmensfinanzierung haben werden. Eine deutliche Vereinfachung und Vereinheitlichung der bestehenden Regelungen wäre aus Sicht der Marktteilnehmer in jedem Fall sinnvoll und wünschenswert.
[1] Die nachfolgenden Marktdaten zu 2024 sind dem ESG Bond Monitor der Deutschen Bundesbank vom 12. Februar 2025 entnommen, der unter ESG Bond Monitor Februar 2025 erschienen | Deutsche Bundesbank abrufbar ist.
[2] Die nachfolgenden Aussagen zum Investorenverhalten sind der Nachhaltigkeitsstudie 2025 der Union Investment vom 7. Mai 2025 entnommen, die unter Nachhaltigkeitsstudie 2025 abrufbar ist.
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